Die Jesuiten und das Deutsche Reich

 

Vorwort

Der freundlichen Aufforderung, meine mündlichen Ausführungen in Bezug auf die drohende Wiederzulassung der Jesuiten zu Papier zu bringen, komme ich um so lieber nach, als ich dieselben gelegentlich der verschiedenen Ansprachen in bezüglichen Protestversammlungen jedesmal nur bruchstückweis habe geben können. Die Berichterstattung in der Presse hat sich naturgemäß eine noch größere Kürzung auferlegen müssen. Vor Allem dürfte solcherweise der Jesuitenpresse, die sich die „gut”-kathoIische zu nennen pflegt, mit ihren perfiden Entstellungen und dummdreisten Verbalhornungen am besten das Handwerk gelegt werden.
Wann wird diese Vorkämpferin für „Wahrheit, Recht und Freiheit” endlich einsehen, daß sie durch ihr Gebahren die vernichtensten Urteile über ihr jesuitisches Ideal noch — überbietet?
Quem Deus perdere vult eum dementat. Zu Deutsch: Wer wissen will, welcher Art Früchte die Jünger Joyolas zeitigen, der lese — “Die Zentrumsblätter”. Sapienti sat. Er wird bald genug haben.

 

———— o ————

 

Der Jesuitenorden ist durch nichts mehr gekennzeichnet, als durch seine Heimlichkeit und Ungreifbarkeit. Nur die höchsten Chargen, die Professen, werden in die Geheimnisse des Ordens eingeweiht und so wissen die wenigsten, selbst von denen, die ihm angehören, wozu sie eigentlich angeleitet und verwendet werben, zudem wird jeder Einzelne zu nichts strenger verpflichtet und angehalten als zur Geheimhaltung. Diese erscheint um so verbürgter, als eine ständige gegenseitige Überwachung organisiert ist und auch der Umgang mit allen Außenstehenden streng geregelt und überwacht wird.

Der General aber, in dessen Hand alle Fäden zusammenlaufen und der allein eine Initiative selbst, ist so unerreichbar und unerforschlich wie der Herrgott selbst, an dessen Stelle er steht. Während alle anderen geistlichen Orden eine gleichartige, möglichst in die Augen fassende Tracht haben und in geschlossenen Klöstern zusammenwohnen, darf und soll der Jesuit gegebenen Falles jede beliebige Tracht und sogar Verkleidung annehmen, kann er, zerstreut wohnend, als Einzelner sich allenthalben unvermerkt einschleichen und zur Geltung bringen. Wenn daher die „Kundigen” ober blinden Fürsprecher und Verfechter der so in Nacht und Lüge gehüllten „Gesellschaft” die Gegner und Bekämpfer derselben immer wieder der Unwissenheit ziehen und ihnen so gern nachsagen, daß sie einen Jesuiten höchstens von außen gesehen hätten — so heißt das zum Schaben den Hohn fügen.
Indes die Hehler der Wahrheit schätzen diese naturgemäß so niedrig
ein, daß sie bei Tage besehen nur zu leicht dem Vogel Strauß gleichen,
der, um sich den Blicken des Jägers zu entziehen, nur den Kopf verstecken zu brauchen meint. Vollends wenn, wie im vorliegenden Falle, der Geschichtskundige eine Tatsachenreihe von über drei Jahrhunderten zur Verfügung hat, reißt auch der dichteste Schleier, bekommen auch die verschlagensten Lügen — kurze Beine. Und so liegt Tun und Lassen des auf Finsternis gestellten Ordens nachgerade klar genug am Tage.

1521, in eben den Tagen, da Luther vor Kaiser Karl  und den päpstlichen Legaten auf dem Reichstage zu Worms feinen Mann stand, war der mit ihm gleichaltrige Ignaz Joyola, der spanische Offizier von Adel, bei der Verteidigung von Pamplona gegen die Franzosen von einer Kugel getroffen, die ihm das Bein zerschmetterte und dadurch für den Kriegsdienst untauglich machte.

Auf seinem Krankenlager vertiefte er sich in Heiligengeschichten, die ihm den Gedanken eingaben, als Religionsritter zur Fahne der “Heiligen Jungfrau Maria”, der “Mutter Gottes” zu schwören und solcherweise im Dienste der alleinseligmachenden Kirche aufzugehen. Und dieses zwar so vorbehaltslos, daß er möglicherweise selbst noch einer der bewunderten “Heiligen” werde. Zu diesem Behufe zog er sich, sobald er sein Schmerzlager verlassen konnte in die tiefste Einsamkeit zurück, kasteite sich bis zur Abtötung und ging dann als Bettler und Bußprediger in die Welt. Um sich in der Gewalt zu halten und dem vorgesetzten Ziele treu zu bleiben, erdachte er sich in Anknüpfung an ähnliche, in dem ebenso mystischen als fanatischen Spanier längst üblich religiöse Übungen, seine – geistigen Exerzitien, die sich von der hergebrachten durch ihre methodische Folgerichtigkeit und Strenge unterschieden. Stufenweis zu immer gesteigerter Extase aufsteigend erlangte er durch die sich auferlegte Autosuggestion dahin, daß er die in der Verzückung geschauten himmlischen Geschichte jederzeit durch entsprechende Andacht frisch in sich erzeugen konnte. Nichts kennzeichnet ihn in des mehr, als daß er,  nachdem er diesen Seelenzustand beherrschte, es dabei bewenden ließ. Mit anderen Worten: “Nichts lag ihm ferner, als sich in seinen so erzwungenen Träumen zu verlieren.” Sein ganzes Sinnen und Trachten blieb vielmehr auf – Taten gerichtet. Als vollblutrömischer-katholischer Spanier aber war er auf nichts so bedacht – als auf das Bekämpfen der Ungläubigen. Wenn Einer, so hatte er die weitestgehende Vorstellung der “ecclesia militans”, der “Streitbarkeit” der alleinseligmachenden römischen Papstkirche.

Für ihn, den bis zu seinem 29. Lebensjahr hinein im Militärdienst aufgegangen war, war dieselbe geradezu nur ein Heerlager. Als Soldat trat er in ihre “Heilsarmee” ein. Der Entscheidungskampf aber wurde, wie er sich das mittels seiner Exerzitien vor die Einbildungskraft gezaubert hatte, in der Ebene zwischen Jerusalem und Babylon geführt. Hier standen sich die Heere Jesu und Luzifers unmittelbar gegenüber.  Und so schiffte er sich nach Jerusalem ein, um die Ungläubigen auf der heiligsten Stätte selbst zu überwinden.

Dieser sein “Kreuzzug” nach Jerusalem bedeutete für ihn indes eine große, bittere Enttäuschung. Auch im entlegensten Orient duldete die römische Papstkirche keine derartige selbstherrliche Freiwillige und so musste er unverrichteter Dinge wieder heim.

Er versuchte daher wieder auf heimatlichen Boden, in Spanien selbst, zu “fechten”. Indes hier stieß er auf die – Inquisition in ihrer unerbittlichsten Form.

Der “Schwärmer” ohne kirchenautotitative Legitimation geriet in ihre Fangarme, in ihr Gefängnis. Zwar gelang es ihm freizukommen, allein nur unter der Bindung, daß er sich das theologische Rüstzeug aneigne. So gelangte er an die Universität nach – Paris, die Hochschule der Scholastik, welche ihren höchsten Ehrgeiz in römische Rechtgläubigkeit setzte.

Hier hat der Ungelehrte, welcher als Page am Hofe aufgewachsen und als Mann ganz im Kriegsdienst aufgegangen war, damit beginnen müssen, die Elemente des Lateinischen zu erlernen. Das ist dem 35-jährigen sauer genug aufgekommen. Das ihm solcherweise aufgenötigte Studium hat er offenbar als eine schwere Mühsal empfunden, durch die er notgedrungen hindurch musste. Von irgendwelchen Wissens- oder Erkenntnistrieb konnte unter obwaltenden Umständen nicht die Rede sein. Wozu auch? Die unverrückbaren Lehrsätze der römischen Kirche waren ihm früh eingepflanzt, im Blute mitgegeben; sie mussten überdies dem Schwärmer,

 

 

/** HTML CONTENT */