Die Pariser Verträge, 23. Oktober 1954

Zusammenfassung

Pariser Verträge” bezeichnet das am 23. Oktober 1954 in der französischen Hauptstadt unterzeichnete Vertragspaket, mit dem das Besatzungsstatut für die Bundesrepublik Deutschland beendet und deren Beitritt zur NATO und zur Westeuropäischen Union (WEU) vertraglich vereinbart wurde. Hauptbestandteile waren folgende Vereinbarungen:

1) der Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (Deutschland-Vertrag),

2) das Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland, 3) der Finanzvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten,

4) der Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (Überleitungsvertrag),

5) der Vertrag über den Aufenthalt fremder Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (Aufenthaltsvertrag) und

6) der Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland. Im Mittelpunkt standen dabei der Deutschlandvertrag und das Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland.

Einführung

Die Verträge traten am 5. Mai 1955 in Kraft und markierten die erste große Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zehn Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht und der Übernahme der obersten Gewalt in Deutschland durch die vier alliierten Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkriegs war die Bundesrepublik Deutschland nunmehr anerkannter, gleichberechtigter Partner der westlichen Demokratien und in weiten Teilen der internationalen Staatengemeinschaft. Ihre politische und militärische Westbindung stellt seitdem die Grundlage der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland dar. Zustande gekommen waren die Verträge, nachdem die französische Nationalversammlung am 30. August 1954 mehrheitlich gegen die Aufnahme der Ratifizierungsdebatte des Vertrags über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG), die als Rahmen für den deutschen Verteidigungsbeitrag dienen sollte, gestimmt hatte. Damit war zugleich der Deutschland-Vertrag vom 26. Mai 1952 praktisch hinfällig geworden, da die Regelung der Beziehungen der Bundesrepublik zu den drei Westmächten Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika sowie der deutsche Verteidigungsbeitrag innerhalb der EVG ein Eckpfeiler der Politik der Bindung der Bundesrepublik an den Westen darstellten.

Auf den Viermächte- und Neunmächte-Konferenzen vom 28. September bis 3. Oktober 1954 in London und vom 20. bis 23. Oktober 1954 in Paris suchten die Außenminister einen Ausweg aus der Krise. Bundeskanzler Adenauer lehnte das Angebot der Drei Mächte ab, den Deutschland-Vertrag von 1952, der weitgehende Beschränkungen der Souveränität enthielt, in Kraft zu setzen. Ein halbes Jahr zuvor hatte nämlich die Sowjetunion in einer einseitigen Erklärung vom 25. März 1954 mit der DDR “gleiche Beziehungen wie mit anderen souveränen Staaten” aufgenommen und ihr formal bescheinigt, “nach eigenem Ermessen über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten einschließlich der Fragen der Beziehungen zu Westdeutschland zu entscheiden”.

Der Bundeskanzler rang den drei Westmächten das Zugeständnis ab, den Deutschland-Vertrag zu modifizieren und das Besatzungsstatut aufzuheben. Die Bundesrepublik Deutschland besaß demnach “die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten”. Im Gegenzug zur Verzichtserklärung der Bundesregierung, die Einheit Deutschlands gewaltsam wiederherzustellen, verpflichteten sich die Drei Mächte vertraglich, die Bundesrepublik bei der friedlichen Erreichung dieses Ziel zu unterstützen. Zunächst blieben die alliierten Notstandsrechte bestehen, bis die Bundesrepublik eine deutsche Notstandsgesetzgebung verabschiedete. Diese kam allerdings erst 1968 zustande.

Voraussetzung für den deutschen Verteidigungsbeitrag war die Aufnahme der Bundesrepublik als volles gleichberechtigtes Mitglied in die nordatlantische Allianz. Fortan stand die Bundesrepublik unter dem kollektiven Sicherheitsschutz der NATO. Sämtliche aufzustellende deutsche Streitkräfte im Umfang von zwölf Divisionen wurden dem NATO-Oberkommando assigniert. Im Gegenzug zu Adenauers erneuter Verzichtserklärung auf die Herstellung von ABC-Waffen sagten die Bündnismächte zu, die Stationierung ausländischer Truppen in der Bundesrepublik nach dem NATO-Truppenstatut zu regeln. Damit wurde das Stationierungsrecht ausländischer Streitkräfte auf bundesdeutschem Gebiet den alliierten Vorbehaltsrechten entzogen und auf eine Vertragsgrundlage gestellt. Doch bis zur Ablösung des Truppenvertrags durch das NATO-Truppenstatut im Jahre 1963 behielten die Alliierten Rechte und Privilegien.

Die Kontrolle der deutschen Aufrüstung übernahm die Westeuropäische Union (WEU). Die neue Organisation, der künftig die Bundesrepublik und Italien angehörten, entstand durch Umwandlung des am 17. März 1948 unterzeichneten Vertrags über Zusammenarbeit in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Angelegenheiten und zur kollektiven Selbstverteidigung (Brüsseler Pakt), der ursprünglich gegen eine erneute Aggression Deutschlands geschlossen worden war. Den Weg zur Vertragsunterzeichnung am 23. Oktober 1954 in Paris ebneten außerdem drei deutsch-französische Vereinbarungen: In dem Abkommen über das Saarstatut einigten sich die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Abhaltung einer Volksabstimmung im Saarland. Darüber hinaus wurden zwei Abkommen über Wirtschafts- und Rüstungskooperation geschlossen.

In der Folgezeit behauptete jede Bundesregierung gleich welcher parteipolitischen Couleur, die Bundesrepublik Deutschland sei aufgrund der Pariser Verträge souverän. Damit war aber allenfalls ihre politische Souveränität gemeint. Denn ihre Souveränität unterlag unüberwindbaren Beschränkungen, solange Deutschland geteilt war und keine Friedensregelung mit allen Vier Mächten existierte. Jede Bundesregierung befand sich in dem Dilemma, einerseits ihren Grundgesetzauftrag zu erfüllen, die Einheit des deutschen Volkes herbeizuführen, aber deutschlandpolitische Rechtspositionen der Vier Mächte nicht in Frage stellen zu dürfen. Ansonsten wäre der Viermächte-Verantwortung sowie den Forderungen Bonns nach Gewährung des Selbstbestimmungsrechts für alle Deutschen nach Abschluß einer friedensvertraglichen Regelung die Grundlage entzogen worden. Die alliierten Vorbehaltsrechte bildeten bis zur Wiedervereinigung 1990 eine wichtige völkerrechtliche Klammer für den Fortbestand Deutschlands als Ganzes. Washington, London und Paris waren sich stillschweigend darüber einig. Sie respektierten die Bundesrepublik trotz dieser Einschränkungen de facto als politisch gleichberechtigte Macht im westlichen Bündnis. De jure aber war die Bundesrepublik Deutschland zwischen 1955 und dem formellen Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrages am 15. März 1991 ein Staat mit beschränkter Souveränität. Hanns Jürgen Küsters

Quellen- und Literaturhinweise

Bundesministerium des Innern, Bundesarchiv (Hg.), Dokumente zur Deutschlandpolitik, II. Reihe, Bd. 4: Die Außenminister-Konferenzen von Brüssel, London und Paris, 8. August bis 23. Oktober 1954, München 2003. Küsters, H. J., “Souveränität und ABC-Waffen-Verzicht. Die deutsche Diplomatie auf der Londoner Neunmächte-Konferenz 1954”, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 1994, Jg. 42, S. 499-536. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), Die Konferenz der Neun Mächte in London vom 28. 9. bis 3. 10. 1954, o. O. o.J. Schwengler, W., “Der doppelte Anspruch: Souveränität und Sicherheit. Zur Entwicklung des völkerrechtlichen Status der Bundesrepublik Deutschland 1949-1955”, in: Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hg.), Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1956, Bd. 4: Wirtschaft und Rüstung, Souveränität und Sicherheit, München 1997, S. 187-566.

Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten

DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

einerseits und

DIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA,

DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH VON GROSSBRITANNIEN UND NORDIRLAND

und

DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK

andererseits HABEN in der Erwägung, DASS eine friedliche und blühende europäische Völkergemeinschaft, die durch ihr Bekenntnis zu den Grundsätzen der Satzung der Vereinigten Nationen mit den anderen freien Völkern der Welt fest verbunden ist, nur durch vereinte Förderung und Verteidigung der gemeinsamen Freiheit und des gemeinsamen Erbes verwirklicht werden kann; DASS es das gemeinsame Ziel der Unterzeichnerstaaten ist, die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage der Gleichberechtigung in die europäische Gemeinschaft zu integrieren, die selbst in die sich entwickelnde atlantische Gemeinschaft eingefügt ist; DASS die Wiederherstellung eines völlig freien und vereinigten Deutschlands auf friedlichem Wege und die Herbeiführung einer frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung – mögen auch gegenwärtig ausserhalb ihrer Macht liegende Massnahmen entgegenstehen – ein grundlegendes und gemeinsames Ziel der Unterzeichnerstaaten bleibt; DASS die Aufrechterhaltung des Besatzungsstatuts mit den darin vorgesehenen Eingriffsbefugnissen in die eigenen Angelegenheiten der Bundesrepublik mit dem Zweck der Integration der Bundesrepublik in die europäische Gemeinschaft unvereinbar ist; DASS die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich von Grossbritanien und Nordirland und die Französische Republik (im folgenden als “die Drei Mächte” bezeichnet) daher entschlossen sind, nur die besonderen Rechte aufrecht zu erhalten, deren Beibehaltung in Hinblick auf die Besonderheiten der internationalen Lage Deutschlands im gemeinsamen Interesse der Unterzeichnerstaaten erforderlich ist; DASS die Bundesrepublik auf Freiheit und Verantwortlichkeit gegründete politische Einrichtungen geschaffen hat und entschlossen ist, die in ihrem Grundgesetz verankerte freiheitlich-demokratische und bundesstaatliche Verfassung aufrecht zu erhalten, welche die Menschenrechte gewährleistet; DASS die Bundesrepublik und die Drei Mächte sowohl die neuen Beziehungen, die durch diesen Vertrag und seine Zusatzverträge geschaffen werden, als auch die Verträge zur Bildung einer integrierten europäischen Gemeinschaft, insbesondere den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und den Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft als wesentliche Schritte zur Verwirklichung ihres gemeinsamen Strebens nach einem wiedervereinigten Deutschland anerkennen, das in die europäische Gemeinschaft integriert ist; ZUR Festlegung der Grundlagen ihres neuen Verhältnisses den folgenden Vertrag geschlossen:

Artikel l

(1) Die Bundesrepublik hat volle Macht über ihre inneren und äusseren Angelegenheiten, vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Vertrages.

(2) Mit dem Inkrafttreten dieses Vertrags und der in Artikel 8 aufgeführten Verträge (in diesem Vertrag als “Zusatzverträge” bezeichnet) werden die Drei Mächte das Besatzungsstatut aufheben und die Alliierte Hohe Kommission sowie die Dienststellen der Landeskommissare auflösen.

(3) Die Drei Mächte werden künftig ihre Beziehungen mit der Bundesrepublik durch Botschafter unterhalten, die in Angelegenheiten gemeinsam tätig werden, welche die Drei Mächte nach diesem Vertrage und den Zusatzverträgen als sie gemeinsam betreffend ansehen.

Artikel 2

(1) Die Drei Mächte behalten im Hinblick auf die internationale Lage die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte in Bezug auf (a) die Stationierung von Streitkräften in Deutschland und den Schutz von deren Sicherheit, (b) Berlin und (c) Deutschland als Ganzes einschliesslich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung.

(2) Die Bundesrepublik wird sich ihrerseits jede Massnahme enthalten, welche diese Rechte beeinträchtigt und wird mit den Drei Mächten zusammenwirken, um ihnen die Ausübung dieser Rechte zu erleichtern.

Artikel 3

(1) Die Bundesrepublik wird ihre Politik in Einklang mit den Prinzipien der Satzung der Vereinigten Nationen und mit den im Statut des Europarates aufgestellten Zielen halten.

(2) Die Bundesrepublik bekräftigt ihre Absicht, sich durch ihre Mitgliedschaft in internationalen Organisationen, die zur Erreichung der gemeinsamen Ziele der freien Welt beitragen, mit der Gemeinschaft der freien Nationen völlig zu verbinden. Die Drei Mächte werden zu gegebener Zeit Anträge der Bundesrepublik unterstützen, die Mitgliedschaft in solchen Organisationen zu erlangen. (3) Bei Verhandlungen mit Staaten, mit denen die Bundesrepublik keine Beziehungen unterhält, werden die Drei Mächte die Bundesrepublik in Fragen konsultieren, die deren politischen Interessen unmittelbar berühren.

(4) Auf Ersuchen der Bundesregierung werden die Drei Mächte die erforderlichen Vorkehrungen treffen, die Interessen der Bundesrepublik in ihren Beziehungen zu anderen Staaten und in gewissen internationalen Organisationen oder Konferenzen zu vertreten, soweit die Bundesrepublik dazu nicht selbst in der Lage ist.

Artikel 4

(1) Die Aufgabe der von den Drei Mächten im Bundesgebiet stationierten Streitkräfte wird die Verteidigung der freien Welt sein, zu der die Bundesrepublik und Berlin gehören.

(2) In Bezug auf die Stationierung dieser Streitkräfte im Bundesgebiet werden die Drei Mächte die Bundesrepublik konsultieren, soweit es die militärische Lage erlaubt. Die Bundesrepublik wird, nach Massgabe dieses Vertrages und der Zusatzverträge, in vollem Umfang mitwirken, um diesen Streitkräften ihre Aufgabe zu erleichtern.

(3) Die Drei Mächte werden nur nach vorheriger Einwilligung der Bundesrepublik Truppen eines Staates, der zur Zeit keine Kontingente stellt, als Teil ihrer Streitkräfte im Bundesgebiet stationieren. Jedoch dürfen solche Kontingente im Falle eines Angriffs oder unmittelbar drohenden Angriffs ohne Einwilligung der Bundesrepublik in das Bundesgebiet gebracht werden, dürfen dagegen nach Beseitigung der Gefahr nur mit Einwilligung der Bundesrepublik dort verbleiben.

(4) Die Bundesrepublik wird sich an der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft beteiligen, um zur gemeinsamen Verteidigung der freien Welt beizutragen.

Artikel 5

(1) Die Drei Mächte werden bei der Ausübung ihres Rechtes, die Sicherheit der in dem Bundesgebiet stationierten Streitkräfte zu schützen, die Bestimmungen der folgenden Absätze dieses Artikels einhalten.

(2) Wenn die Bundesrepublik und die europäische Verteidigungsgemeinschaft ausser Stande sind, einer Lage Herr zu werden, die entstanden ist durch einen Angriff auf die Bundesrepublik oder Berlin, durch eine umstürzlerische Störung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, durch eine schwere Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, oder durch den ernstlich drohenden Eintritt eines dieser Ereignisse, und die nach der Auffassung der drei Mächte die Sicherheit ihrer Streitkräfte gefährdet, können die Drei Mächte, nachdem sie die Bundesregierung in weitestmöglichen Ausmass konsultiert haben, in der gesamten Bundesrepublik oder in einem Teil der Bundesrepublik einen Notstand erklären.

(3) Nach Erklärung des Notstandes können die Drei Mächte diejenigen Massnahmen ergreifen, die erforderlich sind, um die Ordnung aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen und die Sicherheit der Streitkräfte zu gewährleisten.

(4) Die Erklärung wird ihr Anwendungsgebiet genau bezeichnen. Die Erklärung des Notstandes darf nicht länger aufrecht erhalten werden, als zur Behebung der Notlage erforderlich ist.

(5) Während der Dauer eines Notstandes werden die Drei Mächte die Bundesregierung im weitestmöglichen Ausmass konsultieren. Sie werden sich im gleichen Ausmass der Unterstützung der Bundesregierung und der zuständigen deutschen Behörden bedienen.

(6) Heben die Drei Mächte die Erklärung des Notstandes nicht innerhalb von dreissig Tagen auf, nachdem die Bundesregierung darum ersucht hat, so kann die Bundesregierung den Rat der Nordatlantikpaktorganisation ersuchen, die Lage zu überprüfen und zu erwägen, ob der Notstand beendet werden soll. Gelangt der Rat zu dem Ergebnis, dass die Aufrechterhaltung des Notstandes nicht länger gerechtfertigt ist, so werden die drei Mächte den Normalzustand so schnell wie möglich wiederherstellen.

(7) Abgesehen vom Falle eines Notstandes ist jeder Militärbefehlshaber berechtigt, im Falle einer unmittelbaren Bedrohung seiner Streitkräfte die angemessenen Schutzmassnahmen (einschließlich des Gebrauchs von Waffengewalt) unmittelbar zu ergreifen, die erforderlich sind, um die Gefahr zu beseitigen.

(8) In jeder anderen Hinsicht bestimmt sich der Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte nach den Vorschriften des in Artikel 8 genannten Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland.

Artikel 6

(1) Die Drei Mächte werden die Bundesrepublik hinsichtlich der Ausübung ihrer Rechte in Bezug auf Berlin konsultieren.

(2) Die Bundesrepublik ihrerseits wird mit den Drei Mächten zusammenwirken, um es ihnen zu erleichtern, ihren Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin zu genügen. Die Bundesrepublik wird ihre Hilfeleistung für den politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und finanziellen Wiederaufbau von Berlin fortsetzen; sie wird Berlin insbesondere die Unterstützung gewähren, die in der anliegenden Erklärung der Bundesrepublik (Anhang A dieses Vertrages) umschrieben ist.

Artikel 7

(1) Die Bundesrepublik und die Drei Mächte sind darüber einig, dass ein wesentliches Ziel ihrer gemeinsamen Politik eine zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Gegnern frei vereinbarte friedensvertragliche Regelung für ganz Deutschland ist, welche die Grundlage für einen dauerhaften Frieden bilden soll. Sie sind weiterhin darüber einig, dass die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands bis zu dieser Regelung aufgeschoben werden muss.

(2) Bis zum Abschluss der friedensvertraglichen Regelung werden die Bundesrepublik und die drei Mächte zusammenwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich-demokratische Verfassung ähnlich wie die Bundesrepublik besitzt und das in die europäische Gemeinschaft integriert ist.

(3) Im Falle der Wiedervereinigung Deutschlands – vorbehaltlich einer zu vereinbarenden Anpassung – werden die Drei Mächte die Rechte, welche der Bundesrepublik auf Grund dieses Vertrages und der Zusatzverträge zustehen, auf ein wiedervereinigtes Deutschland erstrecken und werden ihrerseits darin einwilligen, daß die Rechte auf Grund der Verträge über die Bildung einer integrierten europäischen Gemeinschaft in gleicher Weise erstreckt werden, wenn ein wiedervereinigtes Deutschland die Verpflichtungen der Bundesrepublik gegenüber den drei Mächten oder einer von ihnen auf Grund der genannten Verträge übernimmt. Soweit nicht alle Unterzeichnerstaaten ihre gemeinsame Zustimmung erteilen, wird die Bundesrepublik kein Abkommen abschliessen noch einer Abmachung beitreten, welche die Rechte der Drei Mächte auf Grund der genannten Verträge beeinträchtigen oder die Verpflichtungen der Bundesrepublik auf Grund dieser Verträge mindern würden.

(4) Die Drei Mächte werden die Bundesrepublik in allen anderen Angelegenheiten konsultieren, welche die Ausübung ihrer Rechte in Bezug auf Deutschland als Ganzes berühren.

Artikel 8

(1) Die Bundesrepublik und die Drei Mächte haben die folgenden Zusatzverträge geschlossen, die gleichzeitig mit diesem Vertrag in Kraft treten: Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland; Finanzvertrag; Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen.

(2) Während der in Absatz (4) des Artikels 6 des Ersten Teiles des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vorgesehenen Übergangszeit gelten die in jenem Absatz bezeichneten Befugnisse der Drei Mächte als in den Vorbehalt einbezogen, der in Absatz (1) des Artikels 1 dieses Vertrages ausgesprochen ist.

Artikel 9

(1) Hiermit wird ein Schiedsgericht errichtet, das gemäss den Bestimmungen der beigefügten Satzung (Anhang B dieses Vertrages) tätig werden wird.

(2) Das Schiedsgericht ist ausschliesslich zuständig für alle Streitigkeiten, die sich zwischen der Bundesrepublik und den Drei Mächten aus den Bestimmungen dieses Vertrags, der Satzung des Schiedsgerichts oder eines der Zusatzverträge ergeben, und welche die Parteien nicht durch Verhandlungen beizulegen vermögen, soweit sich nicht aus Absatz(3) dieses Artikels, der Satzung des Schiedsgerichts oder den Zusatzverträgen etwas anderes ergibt.

(3) Streitigkeiten, welche die in Artikel 2 angeführten Rechte der Drei Mächte oder Massnahmen auf Grund dieser Rechte oder die Bestimmungen der Absätze (1) bis (7) des Artikels 5 berühren, unterliegen nicht der Gerichtsbarkeit des Schiedsgerichts oder eines anderen Gerichts.

Artikel 10

Die Bundesrepublik und die drei Mächte werden die Bestimmungen dieses Vertrags und der Zusatzverträge überprüfen:

(a) auf Ersuchen eines der Unterzeichnerstaaten im Falle der Wiedervereinigung Deutschlands oder der Bildung einer europäischen Föderation;

(b) oder bei Eintritt irgendeines anderen Ereignisses, das nach Auffassung aller Unterzeichnerstaaten von ähnlich grundlegendem Charakter ist. Hierauf werden sie in gegenseitigem Einvernehmen diesen Vertrag und die Zusatzverträge in dem Umfang ändern, der durch die grundlegende Änderung der Lage erforderlich oder ratsam geworden ist.

Artikel 11

(1) Dieser Vertrag und die Zusatzverträge sind von den Unterzeichnerstaaten in Übereinstimmung mit ihren verfassungsmässigen Verfahren zu ratifizieren oder zu genehmigen. Die Ratifikationsurkunden sind von den Unterzeichnerstaaten bei der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu hinterlegen.

(2) Dieser Vertrag tritt unmittelbar in Kraft, sobald (a) alle Unterzeichnerstaaten die Ratifikationsurkunden dieses Vertrages und der in Artikel 8 angeführten Verträge hinterlegt haben; und (b) der Vertrag über die Gründung der europäischen Verteidigungsgemeinschaft in Kraft tritt. (3) Dieser Vertrag und die Zusatzverträge werden in den Archiven der Regierung der Bundesrepublik Deutschland hinterlegt; diese wird jedem Unterzeichnerstaat beglaubigte Ausfertigungen übermitteln und jeden Unterzeichnerstaat vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrages und der Zusatzverträge in Kenntnis setzen. ZU URKUND DESSEN haben die unterzeichneten von ihren Regierungen gehörig beglaubigten Vertreter diesen Vertrag unterschrieben. Geschehen zu BONN am sechsundzwanzigsten Tage des Monats Mai 1952 in deutscher, englischer und französischer Sprache, wobei alle drei Fassungen gleichermassen authentisch sind. Für die Bundesrepublik Deutschlandgezeichnet: Adenauer Für die Vereinigten Staaten von Amerikagezeichnet: Dean Acheson Für das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirlandgezeichnet: Anthony Eden Für die Französische Republik gezeichnet: Robert Schuman Hier nach: PA AA, Mult 276. Original.

Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten

Änderungen zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten.

Einleitungsformel

Der bisherige Wortlaut wird wie folgt ersetzt: “Die Bundesrepublik Deutschland, die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland und die Französische Republik haben zur Festlegung der Grundlagen ihres neuen Verhältnisses den folgenden Vertrag geschlossen:”

Präambel

Die Präambel wird gestrichen.

Artikel 1 Der bisherige Wortlaut wird wie folgt ersetzt:

“Artikel 1

(1) Mit dem Inkrafttreten dieses Vertrags werden die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland und die Französische Republik (in diesem Vertrag und in den Zusatzverträgen auch als “Drei Mächte” bezeichnet) das Besatzungsregime in der Bundesrepublik beenden, das Besatzungsstatut aufheben und die Alliierte Hohe Kommission sowie die Dienststellen der Landeskommissare in der Bundesrepublik auflösen. (2) Die Bundesrepublik wird demgemäß die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten haben.”

Artikel 2

Der bisherige Wortlaut wird wie folgt ersetzt:

“Artikel 2 Im Hinblick auf die internationale Lage, die bisher die Wiedervereinigung Deutschlands und den Abschluß eines Friedensvertrags verhindert hat, behalten die Drei Mächte die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung. Die von den Drei Mächten beibehaltenen Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf die Stationierung von Streitkräften in Deutschland und der Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte bestimmen sich nach den Artikeln 4 und 5 dieses Vertrags.”

Artikel 4

Der bisherige Wortlaut wird wie folgt ersetzt:

“Artikel 4 (1)

(1) Bis zum Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag behalten die Drei Mächte weiterhin ihre bisher ausgeübten oder innegehabten Rechte in Bezug auf die Stationierung von Streitkräften in der Bundesrepublik. Die Aufgabe dieser Streitkräfte wird die Verteidigung der freien Welt sein, zu der die Bundesrepublik und Berlin gehören. Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 5 Absatz (2) dieses Vertrags bestimmen sich die Rechte und Pflichten dieser Streitkräfte nach dem Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland (im folgenden als “Truppenvertrag” bezeichnet), auf den in Artikel 8 Absatz (1) dieses Vertrags Bezug genommen ist.

(2) Die von den Drei Mächten bisher ausgeübten oder innegehabten und weiterhin beizubehaltenden Rechte in Bezug auf die Stationierung von Streitkräften in Deutschland werden von den Bestimmungen dieses Artikels nicht berührt, soweit sie für die Ausübung der im ersten Satz des Artikels 2 dieses Vertrags genannten Rechte erforderlich sind. Die Bundesrepublik ist damit einverstanden, daß vom Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag an Streitkräfte der gleichen Nationalität und Effektivstärke wie zur Zeit dieses Inkrafttretens in der Bundesrepublik stationiert werden dürfen. Im Hinblick auf die in Artikel l Absatz (2) dieses Vertrags umschriebene Rechtsstellung der Bundesrepublik und im Hinblick darauf, daß die Drei Mächte gewillt sind, ihre Rechte betreffend die Stationierung von Streitkräften in der Bundesrepublik, soweit diese betroffen ist, nur in vollem Einvernehmen mit der Bundesrepublik auszuüben, wird diese Frage in einem besonderen Vertrag geregelt.”

Artikel 5

Der bisherige Wortlaut wird wie folgt ersetzt:

“Artikel 5

(1) Für die in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte gelten bis zum Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag die folgenden Bestimmungen: (a) Die Drei Mächte werden die Bundesregierung in allen die Stationierung dieser Streitkräfte betreffenden Fragen konsultieren, soweit es die militärische Lage erlaubt. Die Bundesrepublik wird nach Maßgabe dieses Vertrags und der Zusatzverträge im Rahmen ihres Grundgesetzes mitwirken, um diesen Streitkräften ihre Aufgabe zu erleichtern. (b) Die Drei Mächte werden nur nach vorheriger Einwilligung der Bundesrepublik Truppen eines Staates, der zur Zeit keine Kontingente stellt, als Teil ihrer Streitkräfte im Bundesgebiet stationieren. Jedoch dürfen solche Kontingente im Falle eines Angriffs oder unmittelbar drohenden Angriffs ohne Einwilligung der Bundesrepublik in das Bundesgebiet gebracht werden, dürfen dagegen nach Beseitigung der Gefahr nur mit Einwilligung der Bundesrepublik dort verbleiben.

(2) Die von den Drei Mächten bisher innegehabten oder ausgeübten Rechte in Bezug auf den Schutz der Sicherheit von in der Bundesrepublik stationierten Streitkräften, die zeitweilig von den Drei Mächten beibehalten werden, erlöschen, sobald die zuständigen deutschen Behörden entsprechende Vollmachten durch die deutsche Gesetzgebung erhalten haben und dadurch in Stand gesetzt sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte zu treffen, einschließlich der Fähigkeit, einer ernstlichen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu begegnen. Soweit diese Rechte weiterhin ausgeübt werden können, werden sie nur nach Konsultation mit der Bundesregierung ausgeübt werden, soweit die militärische Lage eine solche Konsultation nicht ausschließt, und wenn die Bundesregierung darin übereinstimmt, daß die Umstände die Ausübung derartiger Rechte erfordern. Im übrigen bestimmt sich der Schutz der Sicherheit dieser Streitkräfte nach den Vorschriften des Truppenvertrags oder den Vorschriften des Vertrags, welcher den Truppenvertrag ersetzt, und nach deutschem Recht, soweit nicht in einem anwendbaren Vertrag etwas anderes bestimmt ist.”

Artikel 6 Absatz 2 zweiter Satz Der Satz wird gestrichen.

Artikel 7 Absatz 1 Die Worte

die Bundesrepublik und die Drei Mächte” sind zu ersetzen durch die Worte “die Unterzeichnerstaaten”.

Artikel 7 Absatz 2 Der bisherige Wortlaut wird wie folgt ersetzt:

“(2) Bis zum Abschluß der friedensvertraglichen Regelung werden die Unterzeichnerstaaten zusammenwirken, um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen: Ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich-demokratische Verfassung, ähnlich wie die Bundesrepublik, besitzt und das in die Europäische Gemeinschaft integriert ist.”

Artikel 7 Absatz 3 Der Absatz wird gestrichen.

Artikel 7 Absatz 4 Das Wort “anderen” wird gestrichen.

Artikel 8

Der bisherige Wortlaut wird wie folgt ersetzt:

“(1) (a) Die Unterzeichnerstaaten haben die folgenden Zusatzverträge geschlossen: Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland; Finanzvertrag; Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen. (b) Der Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland und das am 26. Mai 1952 in Bonn unterzeichnete Abkommen über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der durch das Protokoll vom 26. Juli 1952 abgeänderten Fassung bleiben bis zum Inkrafttreten neuer Vereinbarungen über die Rechte und Pflichten der Streitkräfte der Drei Mächte und sonstiger Staaten, die Truppen auf dem Gebiet der Bundesrepublik unterhalten, in Kraft. Die neuen Vereinbarungen werden auf der Grundlage des in London am 19. Juni 1951 zwischen den Parteien des Nordatlantikpakts über den Status ihrer Streitkräfte unterzeichneten Abkommens getroffen, ergänzt durch diejenigen Bestimmungen, die im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse in Bezug auf die in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte erforderlich sind. (c) Der Finanzvertrag bleibt bis zum Inkrafttreten neuer Vereinbarungen in Kraft, über die gemäß Artikel 4 Absatz (4) jenes Vertrags mit anderen Mitgliedstaaten der Nordatlantikpakt-Organisation verhandelt wird, die Truppen im Bundesgebiet stationiert haben.

(2) Während der in Artikel 6 Absatz (4) des Ersten Teils des Vertrags zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vorgesehenen Übergangszeit bleiben die in jenem Absatz erwähnten Rechte der drei Unterzeichnerstaaten erhalten.”

Artikel 9 Absatz 1

Der bisherige Wortlaut wird wie folgt ersetzt:

“(1) Es wird ein Schiedsgericht errichtet werden, das gemäß den Bestimmungen der beigefügten Satzung tätig werden wird.”

Artikel 9 Absatz 2

Der bisherige Wortlaut wird wie folgt ersetzt:

“(2) Das Schiedsgericht ist ausschließlich zuständig für alle Streitigkeiten, die sich zwischen der Bundesrepublik und den Drei Mächten aus den Bestimmungen dieses Vertrags oder der beigefügten Satzung oder eines der Zusatzverträge ergeben und welche die Parteien nicht durch Verhandlungen oder auf eine andere zwischen allen Unterzeichnerstaaten vereinbarte Weise beizulegen vermögen, soweit sich nicht aus Absatz (3) dieses Artikels oder aus der beigefügten Satzung oder aus den Zusatzverträgen etwas anderes ergibt.”

Artikel 9 Absatz 3

Die Worte “angeführten Rechte der drei Mächte oder Maßnahmen auf Grund dieser Rechte oder die Bestimmungen der Absätze (1) bis (7) des Artikels 5″ sind zu ersetzen durch die Worte “, den ersten beiden Sätzen des Absatzes (1) des Artikels 4, dem ersten Satz des Absatzes (2) des Artikels 4 und den ersten beiden Sätzen des Absatzes (2) des Artikels 5 angeführten Rechte der Drei Mächte oder Maßnahmen auf Grund der Rechte

Artikel 10

Der bisherige Wortlaut wird wie folgt ersetzt:

“Artikel 10

Die Unterzeichnerstaaten überprüfen die Bestimmungen dieses Vertrags und der Zusatzverträge:

(a) auf Ersuchen eines von ihnen im Falle der Wiedervereinigung Deutschlands oder einer unter Beteiligung oder mit Zustimmung der Staaten, die Mitglieder dieses Vertrags sind, erzielten internationalen Verständigung über Maßnahmen zur Herbeiführung der Wiedervereinigung Deutschlands oder der Bildung einer europäischen Föderation, oder

(b) in jeder Lage, die nach Auffassung aller Unterzeichnerstaaten aus einer Änderung grundlegenden Charakters in den zur Zeit des Inkrafttretens des Vertrags bestehenden Verhältnissen entstanden ist. In beiden Fällen werden sie in gegenseitigem Einvernehmen diesen Vertrag und die Zusatzverträge in dem Umfang ändern, der durch die grundlegende Änderung der Lage erforderlich oder ratsam geworden ist.”

Artikel 11 Absatz 1 und 2

Die Absätze werden gestrichen. Hier nach: PA AA, Mult 276. Original.

Protokoll über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland

Die Bundesrepublik Deutschland, die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich von Grossbritannien und Nordirland und die Französische Republik kommen wie folgt überein:

Artikel l

Der Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten, der Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland, der Finanzvertrag, der Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen, die am 26. Mai 1952 in Bonn unterzeichnet wurden, das am 27. Juni 1952 in Bonn unterzeichnete Protokoll zur Berichtigung einiger textlicher Unstimmigkeiten in den vorstehend bezeichneten Verträgen und das am 26. Mai 1952 in Bonn unterzeichnete Abkommen über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der durch das am 26. Juli 1952 in Bonn unterzeichnete Protokoll geänderten Fassung, werden nach Massgabe der fünf Listen zu diesem Protokoll geändert und treten in der so geänderten Fassung zusammen mit den zwischen den Unterzeichnerstaaten vereinbarten ergänzenden Dokumenten bezüglich der vorstehend erwähnten Vertragstexte und gleichzeitig mit diesem Protokoll in Kraft.

Artikel 2

Bis zum Inkrafttreten der Abmachungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag gelten folgende Bestimmungen:

(1) Die bisher den Vereinigten Staaten von Amerika, dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland und der Französischen Republik zustehenden oder von ihnen ausgeübten Rechte auf den Gebieten der Abrüstung und Entmilitarisierung stehen ihnen weiterhin zu und werden von ihnen ausgeübt, und keine Bestimmung in einem der in Artikel l dieses Protokolls erwähnten Vertragstexte gestattet den Erlass, die Änderung, Aufhebung oder Ausserkraftsetzung von Rechtsvorschriften oder, vorbehaltlich der Bestimmungen in Absatz (2) dieses Artikels, Verwaltungsmassnahmen seitens einer anderen Behörde auf diesen Gebieten.

(2) Mit dem Inkrafttreten dieses Protokolls wird das Militärische Sicherheitsamt aufgelöst (unbeschadet der Gültigkeit der von ihm getroffenen Massnahmen oder Entscheidungen); die Kontrolle auf den Gebieten der Abrüstung und Entmilitarisierung wird in der Folge durch einen Gemeinsamen Viermächte-Ausschuss ausgeübt, in den jeder der Unterzeichnerstaaten einen Vertreter entsendet und der mit Stimmenmehrheit der vier Mitglieder entscheidet.

(3) Die Regierungen der Unterzeichnerstaaten schliessen ein Verwaltungsabkommen, das im Einklang mit den Bestimmungen dieses Artikels die Errichtung des Gemeinsamen Viermächte-Ausschusses, die Ernennung seines Personals und die Organisation seiner Arbeit regelt.

Artikel 3

(1) Dieses Protokoll ist von den Unterzeichnerstaaten in Übereinstimmung mit ihren verfassungsmässigen Verfahren zu ratifizieren oder zu genehmigen. Die Ratifikations- oder Genehmigungsurkunden sind von den Unterzeichnerstaaten bei der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu hinterlegen.

(2) Dieses Protokoll und die zwischen den Unterzeichnerstaaten vereinbarten ergänzenden Dokumente treten mit der gemäss Absatz (1) dieses Artikels erfolgten Hinterlegung der Ratifikations- oder Genehmigungsurkunden aller Unterzeichnerstaaten in Kraft.

(3) Dieses Protokoll wird in den Archiven der Regierung der Bundesrepublik Deutschland hinterlegt; diese übermittelt allen Unterzeichnerstaaten beglaubigte Abschriften und unterrichtet jeden Staat vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls. ZU URKUND DESSEN haben die unterzeichneten, gehörig bevollmächtigten Vertreter dieses Protokoll unterschrieben. Geschehen zu PARIS am dreiundzwanzigsten Tage des Monats Oktober 1954 in deutscher, englischer und französischer Sprache, wobei alle drei Fassungen gleichermaßen verbindlich sind. Für die Bundesrepublik Deutschland: gezeichnet: Adenauer Für die Vereinigten Staaten von Amerika: gezeichnet: John Foster Dulles Für das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland: gezeichnet: Anthony Eden Für die Französische Republik: gezeichnet: Pierre Mendes-France Hier nach: PA AA, Mult 276. Original.

Faksimile

Die 38 Faksimile werden nicht mit ausgedruckt.

Hier nach: PA AA, Mult 276. Original.

© Faksimile. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA), Berlin 2006.

Quelle: http://1000dok.digitale-sammlungen.de/dok_0018_par.pdf

Datum: 15. September 2011 um 18:43:55 Uhr CEST.

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Rede vor der Interparlamentarischen Union in Bern v. C. Adenauer (Bernauer Rede)

23. März 1949

REDE VOR DER INTERPARLAMENTARISCHEN UNION IN BERN

An die Spitze meiner Ausführungen möchte ich ein herzliches Wort des Dankes stellen für das, was die Schweizer im Frieden, im Kriege und im Nachkriege (denn Frieden können wir den gegenwärtigen prekären Zustand ja wohl auf absehbare Zeit hinaus nicht nennen) für die Deutschen getan haben. Ich denke da in erster Linie an die Wah­rung der deutschen Interessen im damals feindlichen Auslande durch die Schweiz als Schutzmacht. Das, was in dieser Hinsicht vom eidgenössischen politischen Departement geleistet worden ist in der Hilfe für die Wehrlosen, die keinen anderen Schutz hatten als den der Schutzmacht, füllt ein ehrenvolles Blatt Ihrer Geschichte. Die Kriegs­gefangenen, die den Schutz der Genfer Kriegsgefangenen-Konvention von 1929 und die Zivilinternierten, denen ein solcher Schutz nicht ausdrücklich zugesagt war, wissen von dem segensreichen Wirken der Schutz­macht zu berichten.

Ich gedenke in diesen Zusammenhang auch des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, dieser genialen Schöpfung, getragen vom Geist echter Humanität und in die Wirk­lichkeit umgesetzt in der Hauptsache von Schweizer Bürgern. Schließlich ist es mir ein Bedürfnis heute aller caritativer Hilfsorganisationen der Schweiz zu gedenken, die nach Einstellung der Feindseligkeiten in großzügiger Weise dem notleidenden Nachbarvolk Un­terstützung gewährt haben. Manche persönliche Tragödie ist durch dieses vom Geiste echter Menschlich­keit getragene Hilfswerk verhindert oder doch wenigstens erleichtert worden.

Ich spreche zu Ihnen nicht unter einem caritativen Gesichtspunkt. Ich spreche auch nicht zu Ihnen, um Hilfe zu erbitten. Ich will versuchen, Ihnen darzulegen, wie die Verhältnisse in Deutschland zurzeit sind. Es kann wohl der Schweiz nicht gleichgültig sein, was in dem immerhin noch 65 Millionen Einwohner zählenden Nachbarlande vor sich geht, zumal da ein erheblicher Teil der Schweizer durch gemeinsame Sprache und Kultur mit Deutschland verbunden ist.

Die Schweiz ist ein europäisches Land. Trotz ihrer Neutralität ist sie von der Entwicklung in Europa absolut abhängig. Die Entwicklung Europas ist aber, ich kann das sagen, ohne mich der Übertreibung schuldig zu ma­chen, abhängig von der Entwicklung in Deutschland, Unsere Zeit ist sehr verwirrt. Täglich tauchen neue Pro­bleme auf. Anscheinend zeigen sich immer wieder neue Phasen in der Entwicklung. Aber trotz dieser Fülle der Probleme muß sich jeder Verantwortung tragende Mensch darüber klar sein, daß es für die jetzige und die kommende Generation im Augenblick nur ein Hauptproblem gibt, und zwar das folgende:

Zwei große Mächtegruppen haben sich auf der Erde gebildet. Auf der einen Seite die im Atlantic-Pakt ver­einigte Mächtegruppe unter Führung der USA. Das ist die Gruppe, die die Güter der christlich-abendländischen Kultur, Freiheit und wahre Demokratie verteidigt. Auf der anderen Seite steht Sowjetrußland, das ist Asien, mit seinen Satelliten-Staaten.

Die Trennungslinie dieser beiden Mächtegruppen geht mitten durch Deutschland hindurch. 20 Millionen Deut­sche leben unter Sowjetherrschaft, etwa 43 Millionen Deutsche im Be­reich- des Atlantic-Blocks.

Diese 43 Millionen Deutsche, die im Bereich des Atlantic-Blocks liegen, sind im Besitz der wichtigsten Bo­denschätze des größten europäischen Industriepotentials. Dieses Land aber, die drei Westzonen Deutschlands, befindet sich in einem auf die Dauer nicht haltba­ren Zustand der Unordnung. Von seinen 43 Millionen Ein­wohnern lebt auch jetzt noch ein sehr erheblicher Teil unter Wohnverhältnissen so elender Art und im Grunde genommen rechtlich in einem Zustand solcher Unfreiheit, wie man ihn vielleicht vor einem Jahrhundert auf dem Balkan für möglich gehalten hätte, wie man ihn aber in Mitteleuropa seit Jahrhun­derten wohl nicht mehr für möglich halten würde. Wohin wird die Entwicklung West­deutschlands und seiner Bewohner schließlich führen? In die geregelten Zustände einer europäischen Ordnung oder in Unordnung? Das ist die Frage, die jetzt eine Entschei­dungsfrage für Europa und damit auch für die Schweiz ist. Ich bitte Sie, meine Ausführun­gen lediglich unter diesem Gesichtspunkt, dem Gesichtspunkt der Interessen der Zukunft der Schweiz und Europas, zu würdi­gen.

Ich werde versuchen, mit denkbar größter Objektivität Ihnen eine Schilderung zu geben. Die Zahlen, die ich Ihnen im Verlauf meiner Ausführungen nennen werde, sind möglichst zuverlässig ermittelt. Soweit es irgend wie zugängig war5 habe ich ausländische Que11en benutzt. Das Verständnis des gegenwärtigen Zustandes in Deutschland ist nicht möglich ohne einen kurzen historischen Überblick über das, was seit 1945 geschehen ist, zu ge­ben. Ich schicke diese Übersicht meiner Darlegung über die gegenwärtige Lage und eines Ausblic­kes in die Zukunft voraus.

Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai des Jahres 1945 ist von den Alliierten dahin ausgelegt worden, daß infolgedessen ein vollständiger Übergang der gesamten Regierungsgewalt auf die Alliierten stattgefun­den habe. Diese Auslegung war völkerrechtlich falsch. Praktisch haben die Alliierten damit eine für niemanden zu lö­sende Aufgabe übernommen. Meines Erachtens war diese Maßnahme der Alliierten ein schwerer Fehler. Sie konnten diese Aufgabe beim besten Willen nicht lösen. Es mußte ein Fehlschlag eintreten, der das An­sehen der Alliierten stark im deutschen Volk beeinträchtigt hat. Es wäre richtiger gewesen, wenn die Alliier­ten nach einem kurzen, infolge der kriege­rischen Wirren notwendigen Zwischenzustand den Deutschen selbst die Ordnung ihrer Verhältnisse und den Neubau ihres Staatswesens überlassen und sich auf die Kontrolle be­schränkt hätten. Der Versuch, dieses große desorganisierte Land von außen her und geleitet vielfach von eigenen politischen Gesichtspunkten zu regieren, konnte keinen Erfolg haben. So trat ein rapider wirtschaftli­cher, körperlicher und seelischer Verfall der Deut­schen ein, der sich vielleicht hätte vermeiden lassen. An­scheinend haben auch Intentio­nen, wie sie der Morgenthau-Plan geoffenbart hat, mitgewirkt. Eine Wen­dung kam erst durch den Marshall-Plan. Der Marshall-Plan wird immer ein Ruhmesblatt der Vereinigten Staaten von Amerika bleiben. Die Wendung kam aber nur sehr langsam und das Absinken Deutschlands, das seit der bedingungslosen Kapitulation auf wirtschaftlichem, körperli­chem, moralischem und politischem Gebiet eingetreten war, war nur schwer wieder aufzu­holen.

Der 5. Juni 1945 ist der historische Tag, an dem die vier Oberbefehlshaber der Alliierten verkündeten, daß sie die oberste Regierungsgewalt übernehmen, und zwar für alle Deutschland betreffenden Angelegenheiten zu­sammen im sogenannten Kontrollrat und jeder einzelne von ihnen in seiner Zone, in die sie das gesamte Gebiet aufteilten, d.h. die amerikanische, die britische, die französische und die russische Zone. Am gleichen Tage wurde für das Gebiet von Groß-Berlin eine besondere Leitung, aus 4 Militärkommandan­ten der 4 Alli­ierten bestehend, eingesetzt. Der Kontroll-Rat ist seit dem 2o. 3. 1948 arbeits­unfähig. Am 1. Juli 1948 erklärte der sowjetrussische Staatschef, daß die 4-Mächte-Kom­mandantur in Berlin nicht mehr bestehe.

1946 wurden durch Verfügung der Alliierten Länder gebildet. Es wurden politische Parteien zugelassen und im Herbst 1946 ordneten die Militärregierungen in den Ländern das Zu­sammentreten von Landtagen an, deren Mitglieder sie ernannten. Im Jahre 1947 fanden die ersten Wahlen zu diesen Landtagen statt. Aber trotzdem nunmehr die gewählten Landtage in Funktion traten, die die Länderregierungen bestellten, erhielten die Län­der sehr beschränkte Zuständigkeiten. Alle Beschlüsse der Landtage bedurften – und bedürfen zu ihrer Gül­tigkeit der Genehmigung der Militärregierung.

Um den weiter fortschreitenden wirtschaftlichen Verfall ein Ende zu bereiten, haben im Jahre 1947 die briti­schen und amerikanischen Militärregierungen für die britische und die amerikanische Zone einen Wirt­schaftsrat, dessen Mitglieder von den Landtagen gewählt wurden, eingesetzt. Dieser Wirtschaftsrat ist nur zuständig für wirtschaftliche Angelegen­heiten der beiden Zonen. Alle seine Beschlüsse unterliegen der Ge­nehmigung der Militär­regierung. Die französische Zone gehört nicht zu dem Gebiet und zur Zuständigkeit des Wirtschaftsrates. Sie gleicht aber ihr wirtschaftliches Leben, wenn auch langsam, dem Zu­stand, wie er in der britisch-amerikanischen Zone besteht, an. Im Jahre 1948 endlich wurde durch Verordnung der drei west­lichen Gouverneure, des amerikanischen, britischen und französischen, ein Parlamentarischer Rat ins Leben gerufen, dessen Mitglieder von den Landtagen der Länder der drei Zonen gewählt sind und dem die Aufgabe gestellt wurde, ein Grundgesetz für diese drei Zonen auf föderativer Grundlage zu schaffen. Der Parlamentari­sche Rat besteht aus 64 Mitgliedern. Über seine Arbeit werde ich nicht viel zu sagen brauchen, da mein Kollege, Herr Prof. Schmid, in seinem Vortrag diese Arbeit aus­führlich darstellen wird.

In der sowjetrussischen Zone entwickelten sich die politischen Verhältnisse anders. Auch das Maß an Freiheit, das den Ländern der drei Westzonen zugebilligt ist, besteht dort nicht. Der politische Zustand in den Ländern der sowjeti­schen Zone nähert sich in immer stärke­rem Maße den Verhältnissen in den sogenannten Volksdemokratien, den Satelliten-Staa­ten.

Ich habe erwähnt, daß politische Parteien zugelassen wurden. Aber diese politischen Par­teien erhielten keine oder nur sehr geringe Möglichkeiten zunächst zur praktischen Betäti­gung. Der Erfolg war, daß die Parteien sich in theoretischen Auseinandersetzungen ergin­gen und die Parteifronten dadurch sich versteiften. Wäre schon im Jahre 1945 den Par­teien die Möglichkeit praktischer Arbeit gegeben worden, so würde wahrscheinlich der Zwang gemeinsamer Arbeit die Parteien näher zusammengeführt haben.

Die Stärke der verschiedenen Parteien ersehen Sie aus den folgenden Ziffern über die abgegebenen Stimmen bei den Landtagswahlen 1946/47. Es erhielten in den drei Westzo­nen:

CDU 7.089.000 Stimmen
SPD 6.971.000 Stimmen
FDP 1.961.000 Stimmen
KPD 1.848.000 Stimmen
Zentrum 591.000 Stimmen.

Das Wesen der sozialistischen Partei und der kommunistischen Partei ist Ihnen wahl[sic] von früher her bekannt, das gleiche gilt von den freien Demokraten. Dagegen ist das Ziel der Christlich Demokratischen Union und der Christlich Sozialen Union – so heißt die Partei in Bayern – weiten Kreisen unbekannt, da es sich hier um eine neue Partei handelt. Diese Partei umfaßt Katholiken und Protestanten. Sie will, daß die christlichen Grundsätze, wie sie sich im Abendland im Laufe von Jahrhunderten entwickelt haben, bestimmend sein sollen für die Innen- und Außenpolitik und die Wirtschaft. Wir behaupten in der CDU/CSU nicht, daß wir allein Christen seien, geschweige denn, daß wir die guten Christen seien, aber wir wollen, daß die Werte des Christentums in Wirtschaft und im öffentlichen Leben, auch in der Außenpolitik, wie ich bereits sagte, bestimmend sein sollen. Die Freiheit und die Würde der Person sind unsere Grundforderungen. Wir sind der Auffassung, daß jeder Mensch unabdingbare Rechte gegenüber dem Staat und der Wirtschaft sein Eigen nennt. Wir bekennen uns zum föderali­stischen Gedanken. Wir sind gegen jede gefährliche Häu­fung -wirtschaftlicher und politischer Macht bei Einzel­personen, bei Korporationen irgend­welcher Art, auch beim Staate. Darum betonen wir das machtverteilende Prinzip.

Ich gehe nunmehr dazu über, Ihnen in kurzen Zügen die hauptsächlich jetzt schwebenden Probleme dar­zulegen. Ich beginne mit dem wirtschaftlichen Bereich. Bis Juni 1948 herrschte fast völlige Zwangswirtschaft, bis zu den Hosenknöpfen hinab. Sogar die sog. Pfenningsartikel[sic] wurden bewirtschaftet. Der Wirtschafts­rat in Frankfurt hat dann für die britisch-amerikanische Zone entschlossen das Steuer herumgeworfen und hat für die bei­den Zonen die soziale Marktwirtschaft stufenweise eingeführt. Immer mehr Wirtschaftsge­biete wer­den aus der Zwangswirtschaft befreit und die soziale Marktwirtschaft wird in ihnen eingeführt. Man kann nur jeden[sic] Volkswirtschaftler und auch jeden[sic] Politiker, der sich mit den Fragen der Wirt­schaftsordnung beschäftigt, das Studium der Dinge, die sich seit Juni 1948 in der britisch-amerikanischen Zone ereignet haben, dringend ans Herz legen. Wir haben in der Doppel­zone selbstverständlich keine völlig freie Wirtschaft. Eine völlig freie Wirtschaft hat es noch niemals in einem modernen Staat gegeben. Jeder Han­delsvertrag bedeutet ja schon eine gewisse Ordnung der Wirtschaft. Aber wir haben doch soweit irgend möglich wieder freies Angebot und freie Nachfrage unter Wahrung der so­zialen Gesichtspunkte eingeführt. Der Aufschwung, den das Wirtschaftsleben in der Dop­pelzone genommen hat seit dem Übergang zur sozialen Marktwirtschaft, ist eklatant. Die­ser wirtschaftliche Aufschwung ist nur zum kleineren Teil auf die im Jahre 1948 erfolgte Einführung der DM zurückzuführen, auch nicht zunächst auf die durch den Marshall-Plan gewährte Hilfe. Es zeigt sich das darin, daß in der französischen Zone, in der auch die RM durch die DM ersetzt wurde und der auch die Marshall-Hilfe zuteil wurde, nicht im entfern­testen die gleiche Erholung und der gleiche Aufschwung der Wirtschaft eingetreten ist.

Infolge Abkehr von dem Prinzip der Zwangswirtschaft ging die unter ihr eingerissene Kor­ruption stark zu­rück. Es fand ferner ein erheblicher Behördenabbau statt. Der Übergang einer Wirtschaft, die so lange Jahre gefesselt war, in größere Freiheit vollzog sich natur­gemäß nicht völlig reibungslos. Zurzeit[sic] macht uns das bestehende Mißverhältnis zwi­schen Preisen auf manchen Ge­bieten und den Löhnen Sorge. Aber die Preise haben sin­kende Tendenz und wir hoffen, daß diese Schwierig­keiten ohne größere Erschütterungen des Wirtschaftslebens gemeistert werden können.

Unsere wirtschaftliche Erholung wurde und wird schwer beeinträchtigt durch die Demonta­gen. Kein Mensch in Deutschland hatte und hat etwas dagegen, daß Kriegsindustrien restlos demontiert werden. Aber die Demontage, wie sie zum Teil betrieben worden ist, erfolgt auch unter anderen Gesichtspunkten. Das wirtschaftliche Potential Deutschlands soll auf einem Niveau gehalten werden, das mit den Zielen des Marshall-Planes nicht ver­einbar ist. Weiter macht sich offenbar auch das Bestreben hier und da geltend, die deut­sche Konkurrenz auf dem Weltmarkt auszuschalten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Fall der De­montage der Kammfabrik Kolibri, ein Fall, der in Deutschland sehr großes Auf­sehen erregt hat, und der auch im britischen Unterhaus zur Sprache gebracht wurde. Es hat sich herausgestellt, daß die Demontage dieser Fabrik trotz allem Widerspruch der deutschen maßgebenden Stellen erfolgt ist auf Betreiben eines britischen Offiziers, der ein Konkurrenzunternehmen in England betreibt. In diesem Zusammenhang muß ich auch erwähnen die Erklärungen, die nach englischen Zeitungsberichten auf der Generalver­sammlung des Vereins der englischen Uhrenfabriken abgegeben worden sind. Man hat dort dem Vorsitzenden dafür gedankt, daß es ihm gelungen sei zu erreichen, daß durch die Demontage die deutschen Uhrenfabriken noch unter den Produktionsstand von 1936 heruntergedrückt worden seien. Die deutschen Uhrenfabri­ken hätten jetzt nur noch Ma­schinen, die 10[?] Jahre und älter seien. Der britische Uhrenexport sei sehr erheblich ge­stiegen. Wenn es den Deutschen bei den alten Maschinen gelänge, auf dem Weltmarkt wieder dem eng­lischen Export unangenehm zu werden, müßte von neuem an das Problem der Demontage herange­gangen werden.

Für das Wirtschaftsleben insbesondere Deutschlands ist entscheidend das Ruhrstatut, das im Jahre 1948 erlassen worden ist. Durch dieses Ruhrstatut ist eine oberste Ruhrbehörde von 15 Personen, dar­unter 3 Deutschen eingesetzt worden, die das Recht bekommt, die gesamte Kohlen-, Eisen- und Stahlproduk­tion des Ruhrgebietes einschließlich der Preis­frage zu regeln. Die Produktionshöhe von Kohle, Stahl und Ei­sen, die Preise dieser Güter sind bestimmend für die gesamte Wirtschaft eines Landes. Infolgedessen be­steht die Mög­lichkeit, das gesamte deutsche Wirtschaftsleben entscheidend zu beeinflussen. Es wird ganz darauf ankommen, in welchem Geist dieses Ruhrstatut gehandhabt wird. Wenn es so ge­handhabt wird, daß dadurch die deutsche Wirtschaft niedergehalten wird, so ist der Marshall-Plan ein Unsinn. Es wird auch kein Volk sich auf die Dauer dann eine solche Be­schränkung seiner Wirt­schaft gefallen lassen können. Wenn aber das Ruhrstatut gehand­habt wird im deutschen und im europäischen Interesse, wenn es den Beginn einer Ord­nung der westeuropäischen Wirtschaft bedeutet, dann kann es ein viel verheißender An­fang für die europäische Zusammenar­beit werden.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch die Frage der deutschen Patente erwäh­nen. Sie wis­sen, daß alle deutschen Patente freigegeben worden sind. Der Direktor des USA Büros für technische Dienste, Mr. John Green, hat Ende 1948 der Presse einen Be­richt über seine Tätigkeit, die in der Verwertung der deut­schen Patent- und Industriege­heimnisse bestand, gegeben. Bemerkenswert daraus ist, daß als eifrigster Käufer die AM­TORG aufgetreten ist, das ist Moskaus ausländische Handelsorganisation. Die Russen haben allein in einem Monat über 2 000 verschiedene Berichte der Wehrmacht über ge­heime deutsche Kriegswaffen für insgesamt 6 000 Dollar gekauft. Die Patente von IG-Farben haben nach der Erklärung eines amerikanischen Sachverständigen der USA Farben-Industrie einen Vorsprung von wenigstens l0 Jahren gegeben. Der Schaden, der durch all das der deut­schen Wirtschaft entstanden ist, ist natürlich außerordentlich groß und in Zif­fern nicht zu schätzen. Außerordentlich bedauerlich ist, daß die neuen deutschen Erfin­dungen auch jetzt noch keinen Schutz genießen, da Deutschland nicht Mitglied der Patent-Union ist. Zwar hat England erklärt, daß es, gleichgültig was im Friedensvertrag bestimmt werde, die neuen deutschen Erfindungen achten werde. Amerika aber hat es abgelehnt, eine solche Erklärung abzugeben. Deutsche Erfin­der sind infolgedessen nicht in der Lage, ihre Erfindungen zu verwerten. Die deutsche Wirtschaft wird dadurch empfindlich ge­hemmt.

Ein besonders ernstes und wichtiges Kapitel, wichtig auch vom europäischen Standpunkt aus, ist das deutsche biologische Problem. Ich muß in diesem Zusammenhang zunächst von dem Problem der Vertriebenen sprechen. Es sind aus den östlichen Teilen Deutsch­lands, aus Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn usw. nach den von amerikanischer Seite ge­troffenen Feststellungen insgesamt 13,3 Millionen Deutsche vertrieben worden. 7,3 Mil­lio­nen sind in der Ostzone und in der Hauptsache in den drei Westzonen angekommen. 6 Millionen Deut­sche sind vom Erdboden verschwunden. Sie sind gestorben, verdorben. Von den 7,3 Mil­lionen, die am Leben geblieben sind, ist der größte Teil Frauen, Kinder und alte Leute. Ein großer Teil der arbeitsfähigen Männer und Frauen sind[sic] nach Sowjetrußland in Zwangsarbeit ver­schleppt worden. Die Austreibung dieser 13 bis 14 Millionen aus ihrer Heimat, die ihre Vorfahren zum Teil schon seit Hunderten von Jahren bewohnt haben, hat unendliches Elend mit sich gebracht. Es sind Un­taten verübt worden, die sich den von den deutschen Nationalsozialisten verübten Untaten würdig an die Seite stellen. Die Austrei­bung beruht auf dem Potsdamer Abkommen vom 2.August 1945. Ich bin überzeugt, daß die Weltgeschichte über dieses Dokument ein sehr hartes Urteil dereinst fällen wird. In­folge dieser Austreibung sind insbesondere in der britischen und amerikanischen Zone große Menschenmengen auf eng­stem Raum zusammengedrängt. Die Wohnungsnot ist zum Teil durch die Zerstörungen des Krieges, zum Teil durch das Hineinpressen der 7,3 Millionen Flüchtlinge in diese bereits unter Wohnungsnot leidenden Gebiete unerträg­lich. Es kommen im Durchschnitt auf jeden Wohnraum 2 Personen.

Die Zusammensetzung der Bevölkerung sowohl nach Geschlecht wie nach Altersklassen ist erschreckend. Auf 28,9 Mill. männliche Personen kommen 36,2 Mill. weibliche. Das Überwiegen der Frauen ist besonders stark in den Altersstufen zwischen 20 und 40 Jah­ren. Hier kommen auf 100 Männer etwa 160 Frauen. Die Mißver­hältnisse zwischen allein­stehenden Männern und Frauen sind besonders kraß. 100 30 jährigen Männern ste­hen über 300 unverheiratete Frauen im Alter von 26 Jahren gegenüber. Die Hungerjahre 1946/47 haben enormen Schaden in physischer und ethischer Hinsicht angerichtet. Die Ernährung hat sich zwar gegenüber dem Vorjahr erheblich gebessert. Sie ist aber noch immer keineswegs ausreichend. Die Tuberkuloseerkrankun­gen sind gestiegen von 53,5 auf je 10 000 Einwohner im Jahre 1938 auf 127,5 im Jahre 1948. Am 31.Oktober 1948 gab es in Nordrhein-Westfalen 159 055 Fälle Tuberkulose. Von diesen waren offen, also an­steckende Fälle 37 273. Für diese 37 273 Fälle offener Tuberkulose standen rund 14 000 Krankenbetten zur Verfügung. In rund 23 000 Fällen konnte also der Ansteckungsherd nicht beseitigt werden und es ist keine Seltenheit, daß in einer Familie ein Mitglied nach dem anderen an Tuberkulose erkrankt. Vor 1933 entfielen auf 10 000 Ein­wohner 20 – 22 Geschlechtskranke. Im Jahre 1948 waren es 51,74. Von Berlin liegen besonders zuverläs­sige statistische Zahlen vor. Dort betrug die Sterblichkeitsziffer im Jahre 1947 rund 29 pro 1000 der Bevölke­rung. Die Geburtenziffer betrug 10 pro 1000. Die Kindersterblichkeit be­trug im zweiten Quartal 1946 über 135 pro 1000. In New York z.B. 10,1 pro 1000. Nach den in “German Realities” von dem Amerikaner Dr. Gustav Stolper wiedergegebenen Be­rechnungen ist in Zukunft in Deutschland mit einer Geburtenzahl von höch­stens 600 000 pro Jahr zu rechnen, während im Jahre 1915 noch 1,5 Mill. Kinder pro Jahr geboren wur­den. Stolper führt aus, daß der biologische Niedergang Deutschlands so stark sei, daß schon vor 1980 die Zahl der lebenden Deutschen die 40 Millionen-Grenze unterschritten haben wird. Die französi­sche Angst vor der deutschen Überzahl und die Angst Englands vor dem Erstarken der deutschen Wirtschaft hält Dr. Stolper deswegen für völlig unbe­gründet.

Ich glaube, daß man die Frage des Sicherheitsproblems in Europa, das erklärlicherweise in Frankreich eine große Rolle spielt, einmal unter Berücksichtigung dieser biologischen Gesichtspunkte prüfen sollte. Ich bin ferner der Auffassung, daß die Tuberkuloseerkran­kungen in Deutsch­land unter Umständen eine Gefahr für ihre Nachbarländer werden kön­nen.

Was den geistigen Zustand in Deutschland angeht, so ist zunächst hervorzuheben, daß sich Deutschland in einer beispiellosen sozialen Umschichtung befindet. Vor dem Kriege entfielen etwa 40 der Einwohner auf eine Mittelschicht. Jetzt nur noch etwa 23 und diese 23 gehen ständig weiter herunter. Die Gefahr einer überstarken Proletarisierung des deutschen Volkes ist unmittelbar drohend, namentlich auch im Hinblick auf die nach Millionen zählende Schar der Ausgetriebenen und der ausgebombten Besitzlosen. Die Gefahr einer „Verostung”, wie ein deutscher Schriftsteller diese Proletarisierung nennt, entwickelt sich aus dem jetzigen Zustand des deutschen Volkes heraus von selbst. Die Bedeutung des Wohnungsproblems ist meines Erachtens von den Alliierten nicht genü­gend erkannt worden. Die Alliierten Stellen verteilen Kohle, verteilen Eisen. Die Baustoff­industrie ist während der ganzen Zeit zu gering mit diesen Grundstoffen bedacht worden. Es konnte daher bis jetzt nichts Durchgreifendes zur Abhilfe geschehen. Die Lösung des Wohnungsproblems ist aber das Fundament für jeden politischen, körperlichen, ethischen und moralischen Wiederaufbau.

Was die psychologische Lage in Deutschland angeht, so ist es sehr schwer, ein sicheres Urteil abzugeben. Der Krieg war zu grauenhaft, die Verwüstungen des Landes zu schreck­lich, die Not an Ernäh­rung und Kleidung bis 1948 zu groß, als dass[sic] das Volk sich schon von der Betäubung, in der es durch all das versetzt worden ist, erholt hat. Immerhin glaube ich, über die psychologische Verfassung der Deutschen doch einige Feststellungen machen zu können. Die Stimmung gegen So­wjetrußland ist infolge aller Delikte, die beim Vordringen der sowjetischen Truppen in Deutschland verübt wor­den sind, infolge der Schilderungen der aus Sowjetrußland, Jugoslawien, Polen zurückkommenden Kriegsge­fangenen so ablehnend, daß die kommunistische Partei, weil sie als eng verbunden mit Sowjetrußland angesehen wird, zurzeit ziffernmäßig nicht von großer Bedeutung ist. Aber trotzdem soll man den Ein­fluß, der durch die kommunistische Partei und durch die Infiltrie­rung vom Osten her auf wichtigste Indu­striezweige und ihre Arbeiterschaft ausgeübt wird, in keiner Weise unterschätzen. Anhän­ger des Nationalismus hitlerscher Prägung gibt es in Deutschland wohl verhältnismäßig wenig. Dagegen macht sich das Wiedererwachen eines Nationalgefühls deutlich bemerkbar. Man kann das Wieder­erwachen eines gesunden, sich in den richtigen Bahnen haltenden Nationalgefühls nur begrüßen, denn ein Volk, das kein Nationalgefühl mehr besitzt, gibt sich selbst auf. Man kann auch vom deutschen Volk nicht verlangen, daß es geistigen Widerstand gegen die Infiltration vom Osten her aufbringt, wenn es nicht national empfinden darf. Aber es kann meines Erachtens keine Rede davon sein, daß nationalistische Tendenzen irgendwie erheblich sich bemerkbar machen. Als vor einiger Zeit von französischen Zeitungen ausgehend eine Erörterung über die Aufstellung von 20 deutschen Divisionen in der Presse stattfand, fanden diese Absichten, soweit ich das habe feststellen können, überall bei der Jugend Ablehnung. Der Wunsch, die deutsche Einheit wieder herzustellen, Deutschland wieder aufzubauen, ist überall sehr stark. Ich halte die Grenzberichtigungen, die im Westen Deutschlands vorge­nommen werden sollen, für sehr unklug. Diese durch Diktat vorgenommenen Grenzberichtigungen verletzen ein Volk in seinen berechtigten nationalen Gefühlen. Technische Grenzberichtigungen hätten im Wege der Verhandlung mit den deutschen Ländern, wenn sie so dringlicher Natur sind, daß man nicht bis zum Friedensvertrag hätte warten können, vorgenommen Werden sol­len.

Die Öffentliche Meinung ist in Deutschland nicht frei. Insbesondere ist die Regelung des Pressewesens nicht zufriedenstellend. Es werden Lizenzen erteilt für Zeitungen. Die Li­zenzinhaberdie nicht unerhebliche Gelder investieren müssen in ih­ren Unternehmungen, sind der Militärregierung für das, was in der Zeitung geschieht haftbar. Trotzdem seit eini­ger Zeit die Übertragung von Lizenzen deutschen Ausschüssen übertragen ist, behält sich die Mil.Reg. vor, jeder­zeit eine Lizenz zu entziehen, ohne daß der Betroffene etwas dage­gen tun kann. Sie wer­den verstehen, daß ein Lizenzinhaber, für den der Entzug der Lizenz den Verlust nicht unerhebli­cher materieller Werte bedeutet, auch ohne Vorzensur dafür sorgt, daß nichts in der Zeitung steht, das ein zu er­hebliches Mißfallen der zuständigen Stellen der Mil.Reg. hervorrufen kann. Übrigens hat Goebbels in den er­sten Jahren des Nationalsozialismus ein ähnliches Verfahren beobachtet. Rundfunk und Nachrichtenbüros waren unter dem Einfluß der Mil.Reg. zunächst sehr einseitig parteipolitisch besetzt. Lang­sam tritt hier eine Wen­dung zum Besseren ein. Alles in allem genommen, glaube ich aber, daß die Berichte, die das Ausland über die Lage in Deutschland erhält, sich nicht durch besondere Klarheit auszeichnen.

Ein Wort muß ich Ihnen sagen über die Studenten. Unsere Studenten verdienen das größte Lob wegen ihres Fleißes. Unter denkbar ungünstigen äußeren Bedingungen legen sie sehr gute Examina ab. Sie sind zum großen Teil verheiratet. Ihre Aussichten nach be­standenem Examen sind sehr schlecht. Daher betreiben sie das Studium in erster Linie als Brotstudium. Sie interessieren sich für nichts anderes als für ihr Fach. Das ist natürlich sehr schade.

Die deutsche Wissenschaft ist, wie mir ein im wissenschaftlichen Leben Deutschlands be­kannter Wissen­schaftler vor einigen Tagen sagte, zurückgeblieben. Manche führenden Deutschen sind ausgewandert. Junge deutsche Wissenschaftler können nicht ins Ausland reisen, um sich weiter fortzubilden. Auch sind bei ihnen durch den Krieg Jahre der Arbeit und Ausbildung ausgefallen. Aber wie mir dieser Wissenschaftler sagte, gescheite Leute – und von ihnen gibt es eine ganze Anzahl nach seiner Meinung in unserem wis­sen­schaftlichen Nachwuchs – füllen die Lücke wieder aus, so daß wir damit rechnen können, daß die deut­sche Wissenschaft in absehbarer Zeit ihre frühere Höhe wieder wird einneh­men können.

Unsere Jugend ist arm. Wir sind alle in Deutschland arm geworden. Nur verschwindende Ausnahmen ha­ben ihr Vermögen retten, sich vielleicht sogar bereichern können. Wir ken­nen keinen Luxus, insbesondere unsere Jugend kennt keinen Luxus. Sie weiß um die harten Notwendigkeiten des Lebens. Sie ist nicht an­spruchsvoll. Wir hoffen, daß sie sich wieder emporarbeiten wird.

Ich komme zu den wichtigsten jetzt schwebenden politischen Problemen. Ich stelle an die Spitze hier die Arbeit des Parlamentarischen Rates in Bonn. Wie ich eingangs in meinen Ausführungen schon sagte, hat er die Aufgabe, ein Grundgesetz, das ist eine Verfassung föderativen Charakters, zu beschließen. Die Gouver­neure haben sich die Genehmigung des Grundgesetzes vorbehalten. Nach der Genehmigung durch die Mili­tärgouverneure wird das Grundgesetz entweder durch die Landtage oder durch ein Volksreferendum gebil­ligt werden müssen. Die Zusammensetzung des Parlamentarischen Rates ist eigenartig. Je 27 Mitglieder zählen die Fraktion der CDU/CSU und der SPD, 5 die Demokraten, je 2 Zentrum, Deutsche Partei und Kommunisten. Den Arbeiten des Parlamentarischen Rates kann man zurzeit nicht gerade eine gute Prognose stellen, aber wir hoffen doch, daß es gelingt, sie zu einem guten Ende zu führen.

Da es in absehbarer Zeit wegen der Uneinigkeit der vier Alliierten, auf der einen Seite So­wjetrußland, auf der anderen Seite die drei anderen, nicht zum Abschluß eines Friedens­vertrages mit Deutschland kommen wird, ist von den Alliierten der Erlaß eines Besat­zungsstatuts geplant, durch das Rechte und Pflichten sowohl der beset­zenden Mächte wie der Deutschen bestimmt und gesichert werden sollen. Grundgesetz und Besatzungs­statut stehen natürlich in engem Zusammenhang miteinander, da durch das Besatzungsstatut dem nach dem Grundgesetz zu schaffenden westdeutschen Parlament und Bundesregie­rung gewisse Rechte, die sonst ei­nem Staat zustehen, ganz oder zum Teil vorenthalten werden.

Die Errichtung des westdeutschen Staates ist ein Ziel, das so schnell wie möglich erreicht werden muß. Eine möglichst baldige Errichtung ist in erster Linie für uns Deutsche wichtig, in zweiter Linie aber auch für Europa, für den Wiederaufbau und für die europäische Föde­ration. Ich hoffe, daß das von mir erwähnte Besatzungsstatut tragbar sein wird. Es ist uns mitgeteilt worden, daß in ihm eine Bestimmung Platz finden würde, des Inhalts, daß es von Zeit zu Zeit den veränderten Verhältnissen angepaßt werden müsse. Es wird Aufgabe der neuen Bundesregierung sein, durch diese Nachprüfung die Verhältnisse zu bessern, daß sie uns nicht weiter bedrücken. Vom Osten, insbesondere aus der Ostzone, von der SED, werden diejenigen Männer, die in den drei Westzonen sich an der Arbeit des parlamentari­schen Rates beteiligen und die für die möglichst baldige Errichtung dieses Bundes eintre­ten, die “Spalter” Deutschlands genannt. Diese Beschimpfung ist völlig unbegründet. Lei­der Gottes ist die Spaltung Deutschlands in die Sowjetzone und in die drei übrigen Zonen seit langem vollzogen. In der Sowjetzone besteht ein anderes Regime, das keine persönli­che Freiheit kennt, wohl aber dafür gefüllte Konzentrationslager, das die Wirtschaft bol­schewisiert. Es besteht dort ein Regime, das den sogenannten Volksdemokratien ähnelt. Es gilt dort eine andere Währung. Die wirtschaftli­che Abtrennung, die jetzt eingetreten ist zwischen den beiden Hälften Deutschlands, hat diese Spaltung nur äußerlich sichtbar ge­macht. Vom Osten her sucht man die Bildung der westdeutschen Regierung und damit die Konsolidierung der drei Westzonen auf jede Weise zu stören. Der neueste Versuch ist die Einladung an die Parlamente der drei Westzonen, mit Vertretern des sogenannten Volks­rates in Braunschweig zusammen­zukommen, um gemeinsam au beraten, wie die Einheit Deutschlands wiederherzustellen sei und wie man dafür sorgen könne, daß alle Besatzun­gen aus Deutschland verschwinden. Die Parteien, die hinter dieser Einladung stehen, sind nicht frei. Sie stehen so stark unter sowjetischem Einfluß, daß, wie ich annehme, ihre Ein­ladung dementsprechend in den Westzonen behandelt werden wird.

Berlin ist schwer bedrängt. Trotz der Tapferkeit seiner Bevölkerung, trotz der starken Hilfe der Alliierten ist seine Lage ernst. Aber Berlin weiß, daß ganz Deutschland hinter ihm steht und wir nehmen an, daß keine weitere Verschlimmerung der Lage dort eintreten wird. Die Frage der östlichen Grenzen Deutschlands ist eine Lebensfrage für das gesamte deutsche Volk. Der Ostteil Deutschlands, der unter polnischer und sowjet­russischer Herrschaft steht und der früher so wesentlich zur Ernährung der viel stärkeren Bevölkerung der Westzonen beitrug, ist zum großen Teil versteppt und verödet. Wir werden den Anspruch auf die östli­chen Gebiete Deutschlands niemals aufgeben. Wir wollen eine Verständigung mit einem anderen Polen. Wir wollen, daß unsere Vertriebenen in ihre Heimat zurückkehren dürfen. Wir werden niemals die Oder/Neiße-Grenze anerkennen.

Die Zurückhaltung der Kriegsgefangenen und der Verschleppten Männer und Frauen und Mädchen in Ruß­land, die Unkenntnis, in der wir uns über ihr Geschick befinden – wir wis­sen in sehr vielen Fällen nicht, ob die Betreffenden noch am Leben sind oder nicht – ist ein Fall ständiger Sorge und ständiger Unruhe bei uns. Wir haben den dringenden Wunsch, daß wir wenigstens ein Verzeichnis aller derjenigen Gefangenen und Ver­schleppten erhalten, die noch am Leben sind. Die Vereinigten Staaten und England haben in Moskau ener­gische Vorstellungen wegen des Nichteinhaltens des Versprechens der Freigabe erhoben. Ob ihre Vorstel­lungen den gewünschten Erfolg haben werden, kann erst die Zukunft zeigen. Vielleicht könnte das Rote Kreuz hier in der Schweiz dafür eintre­ten, daß wenigstens ein solches Verzeichnis der noch nicht in Frei­heit gesetzten Personen aufgestellt und Deutschland zugängig[sic] gemacht wird.

Das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland ist eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Problem für Frankreich, für Deutschland, vielleicht auch für Europa. Seine Lösung wird entscheidend sein für den Frieden für lange Zeit. Das Verlangen Frankreichs nach Sicherheit ist im Hinblick auf die Vergangenheit durchaus verständlich. Ich glaube, daß diese Sicherheit zurzeit[sic] in einer Weise gewährleistet ist, daß Frankreich nicht mehr die geringste Sorge zu haben braucht. Deutschland ist entwaffnet, seine Wehrmacht zerschlagen, seine Kriegs-Industrie demontiert. Es ist besetzt, es wird kontrolliert, es ist in zwei Teile geteilt, es ist dadurch gelähmt. Ich habe eben schon über die biologische Lage des deutschen Volkes gesprochen, und in dieser sehr traurigen biologischen Lage ist für Frankreich ein Sicherheitsfaktor ersten Ranges gegeben. Ein Volk von alten Leuten und von Frauen, das sich in unaufhaltsamen Niedergang der Bevöl­kerungsziffern befindet, ist doch wirklich für Frankreich keine Gefahr. Es kommt hinzu die psychologische Einstellung der Deutschen. Man ist in weitesten Kreisen Deutschlands tief überzeugt davon, daß nur ein Zusammen­schluß der westeuropäischen Länder Europa vor Asien retten kann. Ich glaube, jeder Franzose, der diese Verhältnisse ruhig und unvoreingenommen prüft, wird zu der Überzeugung kommen, daß Frankreich nach menschlichem Ermessen niemals wieder etwas von Deutschland zu befürchten hat. Wenn Frankreich sich jetzt Deutschland gegen­über klug und großzügig erweist, wird es sich dadurch ein historisches Verdienst um Eu­ropa erwerben. Die höchste Anerkennung hat in Deutschland die Haltung der französi­schen Regierung zur Europa-Frage gefunden, und insbeson­dere hat die Haltung des französischen Außenministers Schumann in der Europa-Frage in Deutschland sehr große Befriedigung ausgelöst. Kaum ein Gedanke ist in Deutschland zurzeit[sic] so populär wie der des Europa-Zusammenschlusses. Man begrüßt es daher, daß die Benelux-Staaten den europäischen Zusammenschluß rück­haltslos[sic] bejahen. Die Haltung Englands in dieser Frage war zuerst nicht so, wie ein Europäer sie sich wün­schen möchte. Wir sehen aber in Deutschland mit Befriedigung, daß die Erkenntnis der europäischen Lage in der Welt, die Erkenntnis, daß England jetzt eine europäische Macht geworden ist und eine große europäi­sche Aufgabe zu erfüllen hat, sich in der öffentlichen Meinung durchsetzt.

Ich komme zum Schluß. Die Schweiz ist von zwei Kriegen verschont geblieben. Dank ihrer Klugheit, dank ihrer Entschlossenheit, unter allen Umständen ihre Neutralität zu bewahren und zu vertiefen. Ich wünsche von Herzen, daß sie verschont bleiben möge, auch dann, wenn – was Gott verhüten wolle – nochmals krie­gerische Ereignisse den Erdball erschüt­tern würden. Die Schweiz ist nach ihrer Lebenshaltung, ihrer Denk­art, dem Stamme ihrer Kultur eine Insel in einem unruhig hin und her wogenden Meer. Sie hat die geschicht­liche Aufgabe, in dieser umstürzenden Zeit das viele Gute, das die Vergangenheit hatte und in den Ländern, die sich im Kriege befunden haben, mehr oder weniger verloren gegangen ist, treu zu hüten und zu bewah­ren, um es, wenn wirklich einmal Frieden eingetreten ist, der Menschheit wiederzugeben. Die Schweiz scheint berufen zu sein, als Hüterin des Ge­dankens des Friedens:

Möge sie das ihr anvertraute Licht durchtragen durch das Dunkel dieser Jahre!

Quelle: StBKAH I/02.05. Teildruck: Konrad Adenauer. Erinnerungen Bd. I, S. 182-190.

– Protokoll der 1. Sitzung des Bundestages (1949).

 

Die Eröffnungsrede hält Alterspräsident Löbe (SPD). Die hat es in sich. Er sagt, Deutschland habe seine nationale Souveränität aufgegeben, um Teil der Vereinigten Staaten von Europa zu werden. Sehr interessant.

 

Quelle

 

1. Sitzung.
Bonn, Mittwoch, den 7. September 1949.

Eröffnungsansprache

des Alterspräsidenten Löbe . . . . 1 B
Namensaufruf der Abgeordneten und Wahl
des Präsidenten . . . … . . . . 3 A
Dr. Adenauer (CDU) . . 3B
Reimann (KPD) 3 B
Böhm (SPD) 3 C
Dr. Köhler übernimmt das Präsidium . . 3D
Wahl der Vizepräsidenten und der
Schriftführer . … . . . . . . 3 D
Ollenhauer (SPD) 4 A
Dr. Heuss (FDP) 4 A
Dr. Seelos (BP) 4 B
Reimann (KPD) 4 B
Dr.Schmid(SPD) 4 C

Ansprache des Präsidenten Dr. Köhler . . 4 C
Bildung eines Vorläufigen Geschäftsordnungsausschusses . . . . . . . . 6 A
Bildung und Einberufung des Ältestenrats . . 6 B
Nächste Sitzung:
Renner (KPD) 6 B, 7 A
Ollenhauer (SPD) 6 C

Die Sitzung wird um 16 Uhr 5 Minuten eingeleitet mit der Ouvertüre „Weihe des Hauses”, Opus 124 von Ludwig van Beethoven.

Alterspräsident Labe: Meine Damen und Herren! Abgeordnete des Deutschen Bundestags!

Nach einem alten Brauch wird die erste Sitzung eines neuen Parlaments durch das an Jahren älteste Mitglied des Hauses eröffnet. Ich bin geboren am 14. Dezember 1875. Ich frage, ob sich ein Mitglied im Hause befindet, das zu einem früheren Termin geboren ist. — Offenbar ist das nicht der Fall.

Dann erkläre ich die erste Sitzung des Bundestags der Bundesrepublik Deutschland für eröffnet.

Meine Damen und Herren! Der Zufall hat es gefügt, daß ich als Alterspräsident vor Ihnen stehe als einer der Vertreter der alten deutschen Hauptstadt Berlin. In der Entsendung der Berliner Abgeordneten kommt der einheilige Wunsch seiner Bewohner zum Ausdruck, in dieses neue Deutschland einbezogen zu sein, und die Hoffnung, daß dieser Wunsch durch Ihre Arbeit bald seine Erfüllung finde.
(Lebhafter Beifall.)

Aber nicht minder hoffnungsvoll, ich möchte sagen, Erlösung heischend sind heute die Augen jener Millionen deutscher Landsleute auf uns gerichtet, die in den deutschen Ostgebieten wohnen und deren Vertretern Besatzungsmacht oder fremde Verwaltung gewaltsam verwehrt, mit in diesem Saale zu sitzen und mit uns zu beraten. Indem wir die Wiedergewinnung der deutschen Einheit als erste unserer Aufgaben vor uns sehen, versichern wir gleichzeitig, daß dieses Deutschland ein aufrichtiges, von gutem Willen erfülltes Glied eines
geeinten Europa sein will.
(Bravorufe und Händeklatschen.)

Ich habe dieses Bekenntnis bereits als Präsiden der Deutschen Bewegung für die Vereinigten Staaten von Europa an die Konferenz in Straßburg gerichtet und wiederhole es in dieser historischen Stunde: Uns bewegt nicht, wie es früher geschehen ist, der Gedanke an irgendeine Form von Vorherrschaft; wir wollen mit allen anderen gleichberechtigt in den Kreis der europäischen Nationen treten.
(Erneuter lebhafter Beifall.)

Meine Damen und Herren! In dem Augenblick, in dem zum ersten Male wieder freigewählte Abgeordnete eines erheblichen Teils von Gesamtdeutschland zusammentreten, um eine deutsche Regierung einzusetzen und eine neue Gesetzgebung zu beginnen, schweifen die Gedanken von uns Älteren zurück zu jener letzten Sitzung des Deutschen Reichstags in der Berliner Krolloper, der wir beiwohnten und in der durch das Hitlersche Ermächtigungsgesetz die staatsbürgerlichen Freiheiten für lange Jahre begraben wurden. Das war ein illegaler Akt, durchgeführt von einer illegalen Regierung. Der Widerstand dagegen war eine patriotische Tat.
(Lebhafte Zurufe: Sehr richtig! — Abg. Reimann: Wieviele Abgeordnete sitzen hier, die dafür gestimmt haben! — Abg. Rische: Sehr richtig!)
Die Jüngeren unter uns aber, woher sie auch kommen mögen, haben auf ihrer Reise nach Bonn von Stadt zu Stadt noch einmal, vielleicht zum ersten Male in diesem Umfang, die erschütternden Zeugen der Zerstörung gesehen, die jene Machtergreifung schließlich herbeigeführt hat, die sichtbaren Zeugen nur, denn jeder einzelne von uns weiß dabei um die geistige und seelische Verwüstung, die mit der äußerlichen in unserem Volke angerichtet worden ist. Die Alten und die Jüngeren
sind nun hier vereint in der schweren Aufgabe, an die Stelle der Trümmer wieder ein wohnliches Haus zu setzen und in den Mutlosen eine neue Hoffnung zu wecken.
Was erhofft sich das deutsche Volk von der Arbeit des Bundestags? — Daß wir eine stabile Regierung, eine gesunde Wirtschaft, eine neue soziale Ordnung in einem gesicherten Privatleben aufrichten, unser Vaterland einer neuen Blüte und neuem Wohlstand entgegenführen. Schier unüberwindlich scheinen die Hindernisse, die auf diesem Wege liegen, und ungezählte Scharen unserer Landsleute sind es, die von unserer Arbeit eine Minderung ihrer Sorge erwarten. Es stehen vor unserer Tür die Millionen der Heimatvertriebenen von jenseits der Oder-Neiße-Grenze, die Verstümmelten und Verwaisten des Krieges, die ja auch ein Opfer des Nazismus sind, jene, die in den Bombenangriffen Hab und Gut verloren, die anderen Opfer des Naziregimes und der mehrfachen Währungsmaßnahmen. Welch mühevolle, beharrliche, wohlüberlegte und welch gutwillige Zusammenarbeit wird notwendig sein, um auch nur der geringsten dieser Aufgaben Herr zu werden!

(Alterspräsident Löbe)
Meine Damen und Herren! Wir werden es nicht schaffen aus eigener Kraft allein. Wir werden — geben wir uns keinem Irrtum darüber hin — dabei noch lange der Beihilfe des Auslandes bedürfen.
Wohlgemerkt: nicht in der Form und im Sinne von Almosen, sondern für den Aufbau unserer Wirtschaft, damit wir aus eigener Arbeit die Grundlagen unserer Existenz finden. Ich habe die Zuversicht: unser arbeitsames, tüchtiges, ordnungsliebendes, leider politisch so oft irregeführtes Volk wird es schaffen!
(Lebhafte Bravo-Rufe und Händeklatschen.)


Dabei sind uns in den letzten Jahren von draußen her oft Vorhaltungen gemacht worden, weil wir das Ausmaß der Schuld noch nicht erkannt haben, das Deutschland durch den europäischen Krieg auf seine Schultern geladen, weil wir undankbar geblieben seien gegenüber der großen jahrelangen Hilfe, die uns zuteil wurde, Vorhaltungen, daß wir
uns im Gegenteil im Räsonieren über schwer tragbare Lasten erschöpfen. Wir können offen über solche Vorwürfe sprechen. Ich als Berliner Abgeordneter würde mich für besonders undankbar halten, wollte ich nicht anerkennen, in welch unerhörtem Ausmaß die westlichen Besatzungsmächte unsern Freiheitskampf unterstützt, ja Berlin vor dem buchstäblichen Hungertode gerettet haben.
(Lebhafter Beifall.)


Wir verkennen auch keinen Augenblick, daß das westliche Deutschland, dem das agrarische Hinterland zur Zeit entzogen ist, zu einem erheblichen Teil sein Leben nur hat fristen können durch die großmütig gewährten Beihilfen aus Ländern, die nicht so hart getroffen waren.
Wir erkennen das dankbar an und bestreiten auch keinen Augenblick das Riesenmaß von Schuld, das ein verbrecherisches System auf die Schultern unseres Volkes geladen hat. Aber die Kritiker draußen wollen doch eines nicht übersehen: das deutsche Volk litt unter zwiefacher Geißelung. Es stöhnte unter den Fußtritten der eigenen Tyrannen und unter den Kriegs- und Vergeltungsmaßnahmen, welche die fremden Mächte zur Überwindung der Naziherrschaft ausgeführt haben. Wessen Haus an allen Ecken brennt, der sieht zunächst die eigene Not, ehe er die Fassung gewinnt, die Lage des Nachbarn voll zu würdigen.
Es sind auch Vorwürfe erhoben worden, weil das deutsche Volk sich nicht gegen den nationalsozialistischen Terror zur Wehr gesetzt habe. Wenn ich Ihnen sage, daß allein von den 94 sozialdemokratischen Abgeordneten, die gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt haben, da sie sich zu jener Zeit noch in Freiheit befanden, 24 ihren Widerstand mit dem Leben bezahlt haben, (die Abgeordneten erheben sich von den Sitzen.)
wenn Sie bedenken, welche Opfer — —(Unruhe. — Zuruf rechts: Auch von anderen Parteien sind Opfer gebracht worden; wir wollen keine Rechnungen aufmachen! — Weitere Zurufe rechts und von den Kommunisten.) — Meine Herren, lassen Sie mich nur weitersprechen. Wäre nicht die Unterbrechung erfolgt, so hätte ich das sowieso erwähnt. — Wenn Sie bedenken, daß große Opfer auch von der kommunistischen Fraktion gebracht worden sind, aber auch von Mitgliedern des früheren Zentrums und von Abgeordneten bis in die Rechtsparteien hinein, dann wird sich ergeben, daß auch dieser Vorwurf nicht aufrechterhalten werden kann. Die ersten fremden Botschafter waren noch nicht aus Deutschland abberufen, da lag die Mehrzahl dieser Opfer schon auf der Bahre.
Soweit solche Anklagen Berechtigung haben, bitten wir also, diese Ursachen mit zu berücksichtigen und auch bei den noch in Gang befindlichen Maßnahmen so zu verfahren, daß der Entwicklungsgang der deutschen Demokratie nicht aufs neue aufgehalten wird.
(Die Abgeordneten nehmen ihre Plätze wieder ein.)


In diesem Zusammenhang muß ich auch an das Schicksal unserer Kriegsgefangenen und verschleppten Menschen erinnern, jener unbekannten Zahl in der Fremde schmachtender, doch zumeist
unschuldiger Männer und Frauen, die schon über 5 Jahre von ihrer Heimat ferngehalten werden. (Sehr richtig! rechts.)


Das Leid der wartenden Frauen und Mütter, die die Hoffnung auf Wiederkehr ihrer Lieben nicht aufgeben können, ein Leid, das sie in tausend schlaflosen Nächten zermürbt, gehört zu jenen Grausamkeiten der Verschleppung, gegen die sich der Krieg unserer damaligen Gegner richtete, die aber immer noch fortwirken und Deutschland die innere Ruhe nicht finden lassen.
(Sehr richtig!)


Wir rufen es deshalb auch von dieser Stelle aus in die Welt: Helft diese schlimme Unmenschlichkeit beseitigen! Es genügt nicht, der Wiederkehr der mörderischen Kriege vorzubeugen — wobei zu helfen unsere erste Pflicht sein wird —, es müssen auch die schmerzlichen Reste dieser Vergangenheit endlich beseitigt werden. (Lebhafter Beifall.)


Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie uns eine Minute stillen Gedenkens all den Toten weihen, die als Opfer des Krieges von allen Völkern gefordert wurden, (die Abgeordneten erheben sich von den Sitzen)
all denen, die durch die Fortwirkung des Krieges ihr Leben verloren. (Minute des Schweigens.)


— Sie haben das Andenken geehrt; ich danke Ihnen.
Deutschland will — ich sagte es schon — ein aufrichtiges, friedliebendes, gleichberechtigtes Glied der Vereinigten Staaten von Europa werden. Wir haben im Staatsgrundgesetz von Bonn den Verzicht auf nationale Souveränitätsrechte schon im voraus ausgesprochen, um dieses geschichtlich notwendige höhere Staatengebilde zu schaffen, und werden uns auch durch Anfangsschwierigkeiten von diesem Ziel nicht abschrecken lassen.


In diesem Zusammenhang begrüße ich die Vertreter der Besatzungsmächte und aller fremden Missionen, die sich an diesem wichtigen Tage bei uns eingefunden haben.

Ich begrüße die Ministerpräsidenten der einzelnen Länder, ihre Minister
und Vertreter, vor allen Dingen die Mitglieder des Bundesrats, und bitte Herrn Ministerpräsidenten Arnold, unsern Dank all denen zu sagen, die in ungewöhnlich angestrengter Arbeit diese Räume für uns hergerichtet haben.(Lebhafter Beifall.)


Ich begrüße ferner alle auf unseren Tribünen, die als einfache Staatsbürger oder als Inhaber hoher Ämter sich in ihrem Geschick mit uns verbunden fühlen und deshalb hierhergekommen sind.
Ich begrüße auch die Vertreter der Presse, füge daran aber die Bitte, ihre Berichterstattung und ihre Kritik nicht in Sensationen und Zwischenfällen zu suchen, (sehr gut!) sondern die praktische Arbeit des Bundestags zu würdigen. (Lebhafter Beifall.)


Meine Damen und Herren! Mein letzter Appell gilt den Abgeordneten dieses Hauses selbst. Hinter uns liegt ein erbitterter Wahlkampf, dessen Formen oft das erträgliche Maß weit überschritten. (Sehr wahr! rechts.)
Mit der Fortsetzung dieser Ausbrüche ist dem deutschen Volke nicht gedient. (Sehr richtig! rechts.)


Es braucht nicht niederreißende Polemik, sondern aufbauende Tat. Wollen wir vor der deutschen Geschichte bestehen, dann müssen wir uns, ob in Koalition oder Opposition, soweit zusammenfinden, daß Ersprießliches für unser Volk daraus erwächst, (lebhafter Beifall)
damit wir uns auch die Achtung für unser deutsches Volk in der Welt draußen zurückgewinnen. —
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns die Arbeit mit diesem Vorsatz beginnen! (Anhaltender lebhafter Beifall.)


Wir treten numehr in die geschäftliche Tagesordnung ein. Sie haben sie vor sich: Namensaufruf der Abgeordneten und Wahl des Präsidenten.
Zur Vereinfachung unserer Arbeit möchte ich vorschlagen, daß wir diese beiden Funkte miteinander verbinden, indem wir bei der Wahl des Präsidenten, die ja in geheimer Abstimmung durch Zettel erfolgt, sowohl die Beschlußfähigkeit des Hauses feststellen als auch aus den abgegebenen Stimmen den gewählten Präsidenten bestimmen. Das wird uns einen Wahlgang ersparen, und ich glaube, es entsteht in keiner Richtung ein Nachteil daraus.
Dann erbitte ich zunächst zur Durchführung der Wahlhandlung einige Abgeordnete; vielleicht darf ich Herrn Abgeordneten Dr. Schlange-Schöningen, Frau Abgeordnete Louise Albertz, Herrn Abgeordneten Dr. Dehler und Herrn Abgeordneten Seebohm bitten, hier Platz zu nehmen, damit wir in die Wahlhandlung eintreten können. Der Namensaufruf erfolgt alphabetisch. Ich bitte Herrn Abgeordneten Schlange-Schöningen, die Liste nach dem Alphabet vorzulesen.
(Abg. Dr. Adenauer: Herr Präsident, darf ich ums Wort bitten!)


— Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Adenauer!
Dr. Adenauer (CDU): Namens der Fraktion der CDU/CSU schlage ich als Präsidenten vor den Herrn Abgeordneten Dr. Köhler. (Abg. Reimann: Ich bitte ums Wort!)


Alterspräsident Löbe: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reimann.
Reimann (KPD): Ich schlage im Namen der kommunistischen Fraktion vor, zum Präsidenten zu wählen den Abgeordneten Hans Böhm, Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion und Gewerkschaftssekretär.


Alterspräsident Löbe: Sie haben die Vorschläge gehört: Hans Böhm und Dr. Köhler. Ich bitte also Herrn Schlange-Schöningen, mit dem Buchstaben A beginnend, die Liste vorzulesen. Herrn Abgeordneten Dr. Dehler bitte ich, an der Urne die Stimmzettel entgegenzunehmen und sie im Beisein des aufgerufenen Abgeordneten in die Urne zu legen.
(Abg. Böhm: Zur Geschäftsordnung!)


— Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Böhm.
Böhm (SPD): Zu dem Vorschlag der kommunistischen Fraktion, meine Person zum Präsidenten zu wählen, muß ich erklären, daß ich eine derartige Wahl ablehne.
(Beifall. — Abg. Reimann: Ich wollte nur die „Opposition” der sozialdemokratischen Fraktion unterstreichen! — Lachen und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)


Alterspräsident Löbe: Die Abstimmung beginnt mit dem Namensaufruf.
(Zuruf.)


— Die Stimmzettel brauchen in keinen Umschlag gesteckt zu werden. Die Geheimhaltung ist trotzdem garantiert. Haben Sie keine Sorge!
Der Aufruf beginnt. (Namensaufruf)


Meine Damen und Herren, wir wiederholen jetzt die Buchstaben des Alphabets, damit diejenigen Damen und Herren sich melden, welche beim Aufruf gefehlt haben. Buchstabe A. (Zuruf.)


— Dann bitte ich vorzutreten. Lisa Albrecht — der Name fehlt in unserm Verzeichnis.
(Der Aufruf des Alphabets wird fortgesetzt.)


Dann erkläre ich die Wahlhandlung für geschlossen. Ich bitte nunmehr die Schriftführer, auf der einen Seite die Zahl der abgegebenen Zettel und auf der andern Seite die Aufschriften der Zettel festzustellen und die Wahl zu kontrollieren. (Das Ergebnis wird ermittelt.)


Darf ich bitten, die Plätze wieder einzunehmen.
Es sind 402 Stimmen abgegeben worden. Das Haus ist also beschlußfähig, ja sogar vollzählig.
Bei der W a h l haben erhalten: Herr Dr. Köhler 346 Stimmen, Herr Böhm 15 Stimmen. 41 Stimmzettel waren nicht beschrieben; das sind also Stimmenthaltungen. Der Herr Abgeordnete Dr. Köhler hat somit die erforderliche absolute Mehrheit erhalten. Ich bitte ihn, meinen Platz einzunehmen. (Beifall.)


Präsident Dr. Köhler: Meine Damen und Herren!
Ich übernehme das Amt des ersten Präsidenten des ersten deutschen Bundestags der Bundesrepublik Deutschland.
Wir fahren in der Tagesordnung fort und kommen zur Wahl der Vizepräsidenten und der Schriftführer. Ehe wir zu dieser Wahl schreiten, bin ich auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung ermächtigt,
folgende Feststellung zu treffen. Es werden, heute nur der erste und der zweite Vizepräsident gewählt.


Die endgültige Zahl der Vizepräsidenten wird durch die Geschäftsordnung festgestellt. Die Schriftführer werden heute von denjenigen Fraktionen und politischen Gruppen benannt — benannt! —, die bisher noch nicht im Präsidium vertreten gewesen sind. Auf der Basis dieser Vereinbarung soll die Wahl vollzogen werden.

 

……..………….

 

 

BRD – Legitimation durch West-Alliierte

Dokumente zu Deutschlands Rechtslage

 

  1. Konferenz der Außenminister der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs in Washington vom 6. bis 8. April 1949

 

a) Grundsätze der alliierten Besatzungspolitik nach Errichtung einer deutschen Bundesrepublik

Die drei Regierungen einigten sich auch auf die Grundsätze, nach denen sie ihre Befugnisse und Zuständigkeiten ausüben werden, und hielten diese in ihrer Niederschrift fest.
Grundsätze, nach denen ihre Befugnisse und Zuständigkeiten nach der nach der Errichtung einer deutschen Bundesrepublik ausgeübt werden.

Während der Besatzung die Besatzungsregierungen werden zwar die Oberhoheit über die ZI behalten, aber es ist beabsichtigt, die Militärregierung zu beenden und die Funktion der Besatzungsbeamten hauptsächlich auf die Aufsicht. Den deutschen Behörden wird es freistehen, Verwaltungs- oder Gesetzgebungsmaßnahmen zu ergreifen, und diese Maßnahmen werden gültig sein, sofern kein Veto der alliierten Behörden dagegen eingelegt wird.

Die Bereiche, in denen sich die Besatzungsbehörden das Recht vorbehalten, selbst direkt tätig zu werden einschließlich der Erteilung von Anordnungen an deutsche Bundes- und Kommunalbeamte werden auf ein Minimum beschränkt sein, und es wird erwartet, daß mit Ausnahme von Sicherheitsfragen, die Ausübung direkter Befugnisse vorübergehender und selbstauflösender Natur sein wird.

Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wird die Verwaltung für wirtschaftliche Zusammenarbeit die Verantwortung für die Überwachung der die Verwendung der von der Regierung der Vereinigten Staaten für die deutsche Wirtschaft bereitgestellten Mittel Wirtschaft für Zwecke der Entlastung und des Wiederaufbaus zur Verfügung gestellt werden. Es ist vorgesehen, dass die Bundesrepublik Deutschland Bundesrepublik dem Übereinkommen über die europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit beitritt und auch ein bilaterales Abkommen mit der Regierung der Vereinigten Staaten. Wenn die deutsche Republik errichtet und die Militärregierung beendet ist, werden die rein militärischen Funktionen der Besatzungsbehörden von einem Oberbefehlshaber und alle anderen Funktionen von einem Hiih Commissioner wahrgenommen, der alle alliierten Einrichtungen in Deutschland mit Ausnahme der Besatzungstruppen leitet. Es ist beabsichtigt, die Größe der Stäbe in Deutschland auf ein Minimum beschränkt werden. Ein Hauptziel der der drei alliierten Regierungen ist es, die engste Integration des deutschen Volkes auf einer für beide Seiten vorteilhaften Grundlage zu erreichen. Integration des deutschen Volkes in einem demokratischen Bundesstaat im Rahmen eines europäischen Rahmen eines europäischen Verbundes zu erreichen.

b) Abkommen über die Drei-Mächte-Kontrolle für die West-Zonen Deutschlands”) vom 8. April 1949

Die Regierungen des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Vereinigten Staaten kommen überein vor dem Inkrafttreten des Besatzungsstatuts ein trizonales Fusionsabkommen zu schließen.

Die Vertreter der drei Besatzungsmächte werden die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um einen dreigliedrigen Kontrollmechanismus für die Westzonen Deutschlands einzurichten, der zum Zeitpunkt der Einsetzung einer provisorischen deutschen Regierung in Kraft treten wird.

Die folgenden Bestimmungen wurden vereinbart von die Regierungen; Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Vereinigten Staaten bilden die Grundlage für diese Vereinbarungen: –

  1. Eine Alliierte Hohe Kommission, bestehend aus einem Hohen Kommissar jeder Besatzungsmacht oder ihrem Vertreter besteht, ist die oberste alliierte Kontrollinstanz.
  2. Art und Umfang der von der Alliierten Hohen Kommission ausgeübten Kontrollen stehen im Einklang mit dem Besatzungsstatut und internationalen Vereinbarungen.
  3. Um der Bundesrepublik Deutschland eine stärkere Verantwortung für die inneren Angelegenheiten zu ermöglichen und die Belastung durch Besatzungskosten zu verringern Kosten zu reduzieren, wird das Personal auf ein Minimum beschränkt.
  4. In Ausübung der den Besatzungsbehörden vorbehaltenen Befugnisse zur Änderungen der Bundesverfassung zu genehmigen, bedürfen die Beschlüsse der Alliierten Hohen Kommission Einstimmigkeit erforderlich.
  5. In Ausübung der den Besatzungsbehörden vorbehaltenen Befugnisse zur In Fällen, in denen die Ausübung oder Nichtausübung der Befugnisse. Absatz 2 (g) des Besatzungsstatuts den Bedarf an Unterstützung aus von der Regierung der Vereinigten Staaten bereitgestellten Mitteln erhöhen würde, wird ein System der Stimmengewichtung. Nach diesem System haben die Vertreter der Besatzungsbehörden eine, Besatzungsbehörden über eine Stimmkraft verfügen, die im Verhältnis zu den Deutschland von ihren jeweiligen Regierungen zur Verfügung gestellt werden. Diese Bestimmung soll jedoch nicht die derzeitige vorherrschende Stimme der Vereinigten Staaten in der Gemeinsamen Export-Import-Agentur und der Gemeinsamen Devisenstelle schmälern, solange diese Organisationen oder deren Nachfolgeorganisationen weiter bestehen und mit der Erfüllung mit der Wahrnehmung ihrer derzeitigen Aufgaben betraut sind. Keine der hiernach getroffenen Maßnahmen darf nicht im Widerspruch zu zwischenstaatlichen Vereinbarungen zwischen den Unterzeichnern oder gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung.
  6. In allen anderen Angelegenheiten wird mit Mehrheit abgestimmt.
  7. (a) Wird durch einen Mehrheitsbeschluß eine zwischenstaatliche Vereinbarung geändert, die sich auf einen der in Absatz 2 Buchstaben a) und b) des Besetzungsstatuts aufgeführt sind, so kann jeder abweichende Hohe Kommissar bei seiner Regierung Berufung einlegen. Dieser Einspruch dient der Aussetzung des Beschlusses bis zu einer Einigung zwischen den drei Regierungen.(b) Ist ein Hoher Kommissar der Auffassung, daß ein Mehrheitsbeschluß im Widerspruch steht zu einer zwischenstaatlichen Übereinkunft, die sich auf einen der in Absatz 2 a) und 2 b) des Besatzungsstatuts genannten Gegenstände bezieht, oder mit den Grundprinzipien für die Gestaltung der auswärtigen Beziehungen Deutschlands oder mit Angelegenheiten, die für die Sicherheit, des Ansehens und der Erfordernisse der Besatzungsmacht betreffen, kann er sich an seine Regierung wenden. Ein solcher Einspruch führt zu einer Aussetzung der Maßnahmen für 30 Tage und darüber hinaus, es sei denn, zwei der Regierungen erklären, daß die Gründe keine weitere Aussetzung rechtfertigen eine weitere Aussetzung.(c) Wird ein solcher Rechtsbehelf gegen eine Maßnahme der Alliierten Hohen Kommission eingelegt, die entweder die Ablehnung oder die Entscheidung über die Missbilligung deutscher Rechtsvorschriften, so werden diese Rechtsvorschriften für die Dauer der Beschwerdefrist vorläufig missbilligt.
  8. Ein Hoher Kommissar, der der Ansicht ist, dass eine Entscheidung, die mit weniger als Einstimmigkeit getroffenen Beschlusses, der eine andere, durch das Besatzungsstatut vorbehaltene Angelegenheit betrifft nicht im Einklang mit den grundlegenden dreiseitigen Politiken in Bezug auf Deutschland steht oder dass eine Landesverfassung oder eine Änderung derselben gegen das Grundgesetz verstößt, kann sich an seine Regierung wenden. Der Einspruch dient in diesem Fall der Aussetzung des Verfahrens für eine nicht mehr als 21 Tage ab dem Tag der Entscheidung, es sei denn, alle drei Regierungen etwas anderes vereinbaren. Richtet sich die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Alliierten Hohen Kommission, die entweder die Missbilligung deutscher Rechtsvorschriften ablehnt oder beschließt, diese zu missbilligen Rechtsvorschriften, so werden diese Rechtsvorschriften für die Dauer der Beschwerdefrist vorläufig der Berufungsfrist.
  9. Alle Befugnisse des Alliierten Hohen Kommissariats werden einheitlich ausgeübt in Übereinstimmung mit der dreiseitigen Politik und den Direktiven. Zu diesem Zweck wird in jedem Bundesland die Alliierte Hohe Kommission durch einen einzigen Landeskommissar vertreten, der ihr gegenüber für alle dreiseitigen Angelegenheiten allein verantwortlich ist. In jedem Land muss der Landeskommissar, Kommissar ein Staatsangehöriger der alliierten Macht sein, in deren Zone das Land liegt. Außerhalb seiner eigenen Zone wird jeder Hohe Kommissar einen Beobachter entsenden einen Beobachter zu jedem der Landeskommissare zu Konsultations- und Informationszwecken. Dieser Absatz; ist nicht so auszulegen, daß er die Funktionen von Gremien einschränkt die aufgrund eines zwischenstaatlichen Abkommens eingerichtet wurden.
  10. Alle Weisungen und sonstigen Kontrollinstrumente sind soweit wie möglich an die Bundes- und/oder Landesbehörden zu richten.
  11. Das trizonale Fusionsabkommen bleibt in Kraft, bis es durch eine Vereinbarung zwischen den Regierungen geändert wird.

e) Mitteilung der Außenminister an die Militärbefehlshaber zum Grundgesetz der Deutschen Bundesrepublik

An die Militärgouverneure, die Außenminister der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs übermitteln zu Ihrer Orientierung ihre Ansichten über das Grundgesetz. Es bleibt den Militärgouverneuren überlassen, die Art und Weise zu bestimmen, in der sie es für angemessen halten, diese Auffassungen dem Parlamentarischen Rat zu übermitteln.

Die Außenminister wünschen jedoch, dass sie übermittelt werden, bevor sich die Meinung im Parlamentarischen Rat herauskristallisiert hat, damit die nachstehenden Auffassungen in das Grundgesetz einfließen können:

(a) Die Außenminister können sich zur Zeit nicht darauf einigen, daß Berlin als Land in die Berlin als Land in die ursprüngliche Organisation der Bundesrepublik Deutschland einzubeziehen.

(b) Auf dem Gebiet der Finanzen werden alle Bestimmungen, die der Parlamentarische Rat vorschlägt, um sowohl den Ländern als auch dem Bund finanzielle Unabhängigkeit und ausreichende Mittel für die Tätigkeit in ihren jeweiligen Bereichen zu sichern, wohlwollend geprüft werden.

(c)In Bezug auf die Fragen des Artikels 36 (Artikel 95 [werden sie auch wohlwollend jede Formel berücksichtigen, die –

(I) eliminiert die durch das Londoner Abkommen definitiv ausgeschlossenen Angelegenheiten aus den föderalen Befugnissen;

(II) sichert den Ländern ausreichende Befugnisse zu, um sie in die Lage zu versetzen, unabhängige und tatkräftige Regierungsorgane zu sein;

(III) sichert der Bundesregierung ausreichende Befugnisse in den wichtigen Bereichen der Regierung, um sie in die Lage zu versetzen, die Bereiche wirksam zu behandeln in denen die Interessen mehrerer Länder; wesentlich und notwendig notwendigerweise betroffen sind.

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