– Geschichtlich und rechtlicher Ablauf zum RuStAG

I. Die Anfänge in den Deutschen Bundesstaaten

Ausgangspunkt der Entwicklung des Staatsangehörigkeitsrechts in Deutschland war die Gründung des Deutschen Bundes am 8. Juni 1815. Den politischen Verhältnissen entsprechend befaßte sich hiernach freilich nicht der Bund mit der Staatsangehörigkeit, sondern jeder einzelnender nunmehr souveränen Bundesstaaten . Auf diese Weise löste die Angehörigkeit zu den Bundesstaaten als politische Gebilde die Angehörigkeit zu den Fürsten ab.

Die Entwicklung soll anhand zweier Beispiele aufgezeigt werden: Eine der ersten Regelungen erging im Jahre 1818 in Bayern; ein fortgeschrittenes Stadium repräsentiert das preußische Regelungswerk von 1842.

Das preußische Gesetz über die Untertanenschaft von 1842

Wegweisend für die weitere Entwicklung des Staatsangehörigkeitsrechts war das „Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft als Preußischer Untertan, so wie über den Eintritt in fremde Staatsdienste“ vom 31. Dezember 1842. Nicht nur dessen systematische Gliederung in Erwerbs- und Verlustgründe diente der Regelung einer einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit später als Vorbild; auch die inhaltliche Ausgestaltung blieb lange Zeit bestimmend.

a) Der Erwerb der Untertanenschaft in Bezug auf den Erwerb der Untertanenschaft durch Geburt bekannte auch Preußen sich uneingeschränkt zum Ius-sanguinis-Prinzip: „Jedes eheliche Kind eines Preußen wird durch die Geburt Preußischer Untertan, auch wenn es im Auslande geboren ist.”
Uneheliche Kinder folgen der Mutter (§ 2). Uneheliche Kinder eines preußischen Vaters erwarben die Untertanenschaft durch Legitimation (§ 3). Während Ausländerinnen durch Verheiratung mit einem Preußen ihrerseits preußische Untertanen wurden (§ 4), hatte die Adoption für sich allein diese Wirkung nicht (§ 1 a.E. ).

Die Vorschrift des § 5 ermächtigte die Landes-Polizeibehörden zur Verleihung der preußischen Untertanenschaft durch Ausfertigung einer Naturalisationsurkunde. Allerdings sollte die Eigenschaft als Preuße gemäß § 7 nur solchen Ausländern verliehen werden, welche
1.) nach den Gesetzen ihrer bisherigen Heimat dispositionsfähig waren,
2.) einen unbescholtenen Lebenswandel geführt hatten,
3.) an dem Orte, wo sie sich niederlassen wollten, eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen fanden,
4.) an diesem Orte nach den daselbst bestehenden Verhältnissen sich und ihre Angehörigen zu ernähren imstande waren, und
5.) wenn sie Untertanen eines Deutschen Bundesstaats waren, die Militärpflicht gegen ihr bisheriges Vaterland erfüllt hatten oder davon befreit worden waren.

Das Ermessen der Behörden war also eingeschränkt. Die Verwaltungspraxis engte den Anwendungsbereich der Naturalisation noch weiter ein, indem sie – entgegen dem Wortlaut der Vorschrift, der schon die bloße Niederlassungsabsicht genügen ließ (Nr. 3) – von dem Ausländer verlangte, daß er sich bereits in Preußen niedergelassen hatte.

Dadurch wurden die Chancen eines dauerhaften Verbleibs verbessert. Die Regelungen in § 7 Nr. 3 und 4 zeigen das Anliegen, die Sozialkassen durch die Verleihung der Untertanenschaft nicht zu belasten.

Die Entstehung von Mehrstaatlichkeit stand der Naturalisation nicht zwingend entgegen, jedoch mußten die Bundesstaaten im Verhältnis zueinander darauf achten, daß es nicht zu Konflikten in Bezug auf die Militärpflicht kam (Nr. 5).

Die gleiche Wirkung wie eine Naturalisationsurkunde entfaltete gemäß § 6 die „Bestallung für einen in den Preußischen Staatsdienst aufgenommenen Ausländer“. Nach § 10 Satz 1 er- streckte sich die Verleihung der Eigenschaft als preußischer Untertan, die gemäß §§ 5 und 6 erfolgte, grundsätzlich zugleich auf die Ehefrau und die noch unter väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder. Zusammen mit den anderen Erwerbsgründen (Abstammung, Legitimation und Verheiratung mit einem Preußen) wirkte diese Regelung auf eine einheitliche Angehörigkeit innerhalb der Familie hin.

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Das Staatsangehörigkeitsrecht im Kaiserreich

Das Gesetz über die Bundes- und Staatsangehörigkeit von 1870

Die deutsche Nationalversammlung von 1848 scheiterte in ihrem Bemühen, die deutsche Einheit zustande zu bringen und ein „deutsches Reichsbürgerrecht“ zu schaffen (vgl. § 132 der Verfassung vom 28. März 1849).

Mit der Gründung des Norddeutschen Bundes am 1. Juli 1867 ging dann aber die Einführung einerBundesangehörigkeit“ einher, welche die in den einzelnen Gliedstaaten vorgefundenen Staatsangehörigkeiten überlagerte.


Lediglich zur Herstellung eines einheitlichen Rechtszustandes innerhalb des Bundes war denn auch das „Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit“ vom 1. Juni 1870 zunächst gedacht. 

Bei der Gründung des Deutschen Reiches wurde dieses Gesetz sogleich zum Reichsgesetz „befördert“.
Am 1. Januar 1871 trat es in den Staaten des Norddeutschen Bundes sowie in Württemberg, Baden und Hessen südlich des Mains in Kraft, am 13. Mai 1871 folgte Bayern nach.
Schwierigkeiten bereitete die spätere Einführung in Elsaß-Lothringen (28. Januar 1873) und auf der Insel Helgoland (1. April 1891).
Nach dem ersten Satz des vom föderalistischen Prinzip regierten Gesetzes knüpfte die Reichsangehörigkeit an die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate an (sogenanntes Vermittlungsprinzip); jene Gebiete hatten aber keine Staatsqualität und damit auch keine eigenen Staatsangehörigen.

Während diese Probleme mit mehr oder weniger überzeugenden Konstruktionen gelöst werden konnten, sprengte der Erwerb der Kolonien völlig den Rahmen des Regelungswerkes von 1870.
An der Schaffung einer unmittelbaren Reichsangehörigkeit führte hier kein Weg vorbei.

In der Sache brachte das Gesetz, das den Terminus der „Staatsangehörigkeit“ im modernen Sinne in die deutsche Rechtssprache einführte, kaum Neuerungen.
Das war aber auch nicht die Intention des Gesetzgebers.

Vielmehr galt es „einmal, das völkerrechtliche Band, das damals allein die Angehörigen der im Norddeutschen Bund zusammengeschlossenen Staaten vereinte, entsprechend den abgeschlossenen Bundesverträgen in ein staatsrechtliches Band zu verwandeln, und es handelte sich ferner darum, allen Angehörigen des Norddeutschen Bundes ein gemeinsames Indigenat dem Auslande gegenüber zu verschaffen“.

Bei der Verwirklichung dieser „große(n) nationale(n) Aufgabe“ beschränkte das Gesetz sich darauf, die Regeln wiederzugeben, die der Mehrzahl der Bundesstaaten nach den bisherigen Einzelgesetzgebungen gemeinsam waren.

Namentlich lehnte es sich unübersehbar an das preußische Regelungswerk von 1842 an, das den letzten Stand des Partikularrechts repräsentierte.

a) Der Erwerb der Staatsangehörigkeit

In § 3 sah das Gesetz zunächst den Staatsangehörigkeitserwerb durch Abstammung vor, so daß sich das Ius-sanguinis-Prinzip spätestens jetzt in ganz Deutschland durchsetzte.

Auch die Erwerbsgründe der Legitimation (§ 4) und der Verheiratung (§ 5) wurden aus Preußen übernommen.

……..

b) Der Verlust der Staatsangehörigkeit

Auch die Mehrzahl der in § 13 des Gesetzes von 1870 aufgezählten Verlustgründe ist in ihren Grundzügen bereits von Preußen her bekannt. Militärische Interessen standen einer Entlassung aus der Staatsangehörigkeit nach der Gründung eines einheitlichen Heeres freilich nicht mehr entgegen, wenn der Betreffende die Staatsangehörigkeit eines anderen Bundesstaates erwarb (vgl. § 15).

………

Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913

Nach der Errichtung des Deutschen Reiches entwickelten sich die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse rasant fort. Mit dieser Entwicklung konnte das Staatsangehörigkeitsgesetz von 1870 auf Dauer nicht Schritt halten. Insbesondere die letzten Anknüpfungen an den Wohnsitz entsprachen nicht mehr den Anschauungen der Zeit.

Hauptkritikpunkt war der Verlustgrund des zehnjährigen Auslandsaufenthalts (§ 21). Als die Zahl derjenigen Staatsangehörigen, die aus Deutschland auswanderten, jährlich in die Hunderttausende zu gehen begann, zeigten sich die unangenehmen Begleiterscheinungen dieser Bestimmung deutlicher als je zuvor. Auswanderer, welche ihre deutsche Staatsangehörigkeit ( Reichsangehörigkeit) verloren, ohne eine neue zu erwerben, wurden vom Schicksal der Staatenlosigkeit ereilt.
Hingegen behielt seine deutsche Staatsangehörigkeit, wer eine ausländische Staatsangehörigkeit erwarb. Auch das Phänomen der Doppel- bzw. Mehrstaatlichkeit breitete sich dadurch immer mehr
aus. Weder das eine noch das andere war bei den Staaten gern gesehen. Zur Mehrstaatlichkeit bemerkte der Staatssekretär des Reichsamtes des Innern, Delbrück, in den Reichstagsverhandlungen über ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz: „(…) der Mensch kann eben nicht zween Herren dienen, und es ist unzweckmäßig, ohne zwingenden Grund – ich werde auf die Ausnahmen kommen, die unter allen Umständen empfehlenswert sind – die Zahl der Subjekts mixtes ins Ungemessene anschwellen zu lassen“. 

Hinzu kam, daß der Auswanderung jetzt nicht mehr dieselbe Bedeutung beigemessen wurde wie früher. Hatte sie um 1870 noch – nicht zuletzt wegen der räumlichen Distanz – als unumkehrbar gegolten, so herrschte nun die Auffassung vor, daß die Beziehungen zum Vaterland im Ausland keineswegs abgebrochen werden müßten. Dies lag zum einen an den verbesserten technischen Möglichkeiten, in Kontakt mit der Heimat zu bleiben (Transportwege, Briefverkehr, Presse etc.).
Vor allem aber zeichnete das zwischenzeitlich erstarkte Nationalgefühl für den Wandel der Anschauungen verantwortlich. Zitat Staatssekretär Delbrück: „Das `civis Germanus sumí` hat aufgehört, ein leeres Wort zu sein. (…)

Das Bewußtsein, ein Deutscher zu sein, erschöpft sich nicht mehr in einem Bündel sentimentaler Erinnerungen“.

Dazu stand es in eklatantem Widerspruch, daß die Entscheidung über Verlust oder Fortbestand der Staatsangehörigkeit im Ausland von einer bloßen Formalität (Eintragung in die Matrikel eines Bundeskonsulats) abhing. Die Entwicklung entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Dadurch, daß das Gesetz von 1870 seine „große nationale Aufgabe“ erfüllte, büßte es seine Geltungsberechtigung teilweise auch wieder ein. Die nationale Einheit, die zur Zeit der Reichsgründung noch in den
Kinderschuhen gesteckt und daher eine behutsame Behandlung erfordert hatte, war inzwischen so gefestigt, daß sie nun sogar über territoriale Grenzen hinweg gepflegt werden konnte.

Diese Aufgabe fiel dem „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“ vom 22. Juli 1913 297 (RuStAG) zu, welches am 1. Januar 1914 in Kraft trat und bis zur Reform im Jahre 1999 – wenn auch mit zahlreichen Änderungen im Detail – die Hauptquelle des Staatsangehörigkeitsrechts der Bundesrepublik Deutschland bilden sollte.

Die Grundausrichtung des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts blieb weiterhin unangetastet.

Nicht zufällig fiel die Neuregelung aber mit einer Reform des Reichsmilitärgesetzes sowie des „Gesetzes, betreffend Änderungen der Wehrpflicht“ zusammen, begründete sie doch auch einen engeren Zusammenhang zwischen Militärdienst und Staatsangehörigkeit. Der Gedanke einer Verbindung von Staatsangehörigkeit und Wehrpflicht geht zurück auf die Französische Revolution, welche die Vaterlandsverteidigung zu einer Grundpflicht des Bürgers er-hob (Art. 9 der
Revolutionsverfassung von 1795).

a) Der Erwerb der Staatsangehörigkeit

An der ausschließlichen Geltung des Ius-sanguinis-Prinzips änderte sich – entgegen ursprünglicher Befürchtungen der Regierung – durch die Neufassung des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahre 1913 nichts. Dem lag eine ganz bewußte Entscheidung gegen das ius soli zugrunde. Sämtliche Anträge auf dessen Einführung – selbst einer, der nur eine abgeschwächte Form des Gebietsgrundsatzes
befürwortete – wurden in den Beratungen des Gesetzes verworfen, da sie den herrschenden Vorstellungen von der Zusammensetzung des deutschen Volkes fundamental widersprachen.

Das Staatsangehörigkeitsrecht in der Weimarer Republik

Die Regelung von 1913 erweckt in mancherlei Beziehung den Anschein, sie sei „auf den Kriegsfall geradezu zugeschnitten“ gewesen. Jedoch fehlen verläßliche Angaben darüber, inwieweit der deutsche Kaiser von den ihm eingeräumten Befugnissen – insbesondere von der Möglichkeit, sich im Ausland befindende Deutsche unter Androhung des Staatsangehörigkeitsverlustes zur Rückkehr aufzufordern (damals § 27 RuStAG) – dann im Ersten Weltkrieg Gebrauch machte.

Wichtiger ist denn auch die Erkenntnis, daß das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht aus einem so einschneidenden Ereignis wie dem Ersten Weltkrieg nahezu unverändert hervorging:

Für die Regelung der Staatsangehörigkeit verwies die Weimarer Reichsverfassung in Art. 110 Abs. 1 auf ein Reichsgesetz. Bei diesem Gesetz handelte es sich nach wie vor um das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913.

Allerdings bekam das Staatsangehörigkeitsrecht einen neuen Wirkungskreis. Der am 10. Januar 1920 in Kraft getretene Friedensvertrag von Versailles und die später mit den Erwerberstaaten geschlossenen Staatsangehörigkeits- und Optionsabkommen enthielten zahlreiche Bestimmungen über Staatsangehörigkeitsfragen im Zusammenhang mit Gebietszessionen. Infolge dessen verlor Deutschland nicht nur große Gebiete an die alliierten und assoziierten Mächte sowie an neu entstandene Staaten, sondern auch sechs Millionen Staatsangehörige und seine gesamte Kolonialbevölkerung.

Der Versailler Vertrag verbot zudem die allgemeine Wehrpflicht. Alle darauf bezogenen
Vorschriften des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (§§ 22, 26, 32) wurden dadurch
gegenstandslos.

In der Weimarer Republik zeichnete sich auch schon ab, in welchen Punkten sich die
Grundkonzeption des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts in Zukunft einer Reform nicht würde entziehen können. Zu nennen sind hier zum einen verschiedene Anläufe, an Stelle der bisherigen Konstruktion von Reichs- und Landesangehörigkeit eine einheitliche unmittelbare Reichsangehörigkeit zu setzen.
Die Realisierung dieses Vorhabens ließ freilich noch einige Zeit auf sich warten.

Analyse: Überkommene Prinzipien des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts

Das Ius-sanguinis-Prinzip

Kein anderes Prinzip ist so signifikant für das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht wie das Ius-sanguinis-Prinzip. Seit eh und je wird die Staatsangehörigkeit in der Familie „ weitervererbt“.
Nicht einmal ergänzend dazu tritt das ius -soli in der Geschichte des
Staatsangehörigkeitsrechts in Erscheinung. Vielmehr lehnte der Gesetzgeber eine
Anknüpfung an den Geburtsort bis zuletzt ganz bewußt.
Der Grundsatz staatsangehörigkeitsrechtlicher Familieneinheit Unübersehbar prägt ferner das Bemühen des Gesetzgebers, eine einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie herzustellen und zu bewahren, die Geschichte des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit nach dem Abstammungsgrundsatz ist dafür nur ein Beispiel.

Das Staatsangehörigkeitsrecht unter dem NS-Regime

In der Zeit von 1933 bis 1945 verkam das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht zum Spielball der nationalsozialistischen Rassenideologie. Geradezu pervertiert wurde dabei die eigentliche Aufgabe der Staatsangehörigkeit, ein festes, dauerhaftes Band zwischen Staat und Individuum zu statuieren.
Das NS-Regime setzte das Staatsangehörigkeitsrecht gezielt dazu ein, „unerwünschte“ Personen loszuwerden, indem es das Band der Staatsangehörigkeit zu ihnen willkürlich zerschnitt. Zahlreiche Gesetze und Verordnungen aus jener Zeit zeugen von dieser Vorgehensweise. Zwar sind die meisten davon längst außer Kraft getreten. Wegen ihrer ideologischen Einfärbung können sie auch nicht als traditionsbildender Bestandteil der Geschichte des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts angesehen werden . Indirekt hat der Umgang der Nationalsozialisten mit der Staatsangehörigkeit aber großen Einfluß auf die heutige Gestalt des Staatsangehörigkeitsrechts gehabt. So sind die Normen des Grundgesetzes, die von der Staatsangehörigkeit handeln, fast ausnahmslos als Reaktion auf die NS-Zeit zu verstehen. Daher sollen auch die nationalsozialistischen Maßnahmen auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts an dieser Stelle kurz skizziert werden, ohne daß dabei der Anpruch auf Vollständigkeit erhoben würde.
Systematische Konsequenzen für das Staatsangehörigkeitsrecht zeitigte der Übergang der
Nationalsozialisten zum Einheitsstaat. In § 1 Abs. 1 verfügte die Verordnung vom 5. Februar 1934 die Aufhebung der Staatsangehörigkeit in den Ländern. Folgerichtig bestimmte die Vorschrift des § 1 Abs. 2: „Es gibt nur noch eine deutsche Staatsangehörigkeit (Reichsangehörigkeit)“.

Seitdem hat das Vermittlungsprinzip ausgedient.

Trotz der Wiederherstellung der föderalistischen Ordnung ist es auch unter dem Grundgesetz nicht mehr reaktiviert worden.

Nicht minder bedeutsam ist das „Reichsbürgergesetz“ vom 15. September 1935.
Als Sonderkategorie innerhalb der Staatsangehörigkeit führte dieses Gesetz die „Reichsbürgerschaft“ ein, die allein gemäß § 2 Abs. 3 in Zukunft die vollen politischen Rechte vermitteln sollte, und beraubte die Staatsangehörigkeit so einer ihrer wichtigsten Funktionen: der – im positiven Sinne zu verstehenden – Nivellierungsfunktion. Nichtarier konnten nicht Reichsbürger sein (§ 2 Abs. 1 Reichsbürgergesetz).

Das Interim zwischen 1945 und 1949

Auf den Zweiten Weltkrieg folgte eine Übergangsphase, in der das Deutsche Reich mangels staatlicher Organe handlungsunfähig war. Nach der Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 und der Verhaftung der Regierung Dönitz in Flensburg am 23. Mai 1945 übernahmen die vier Siegermächte die Regierungsgewalt.

Für „Deutschland als Ganzes betreffende Maßnahmen“ war fortan der Alliierte Kontrollrat zuständig.

Auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts zählten dazu alle legislatorischen Maßnahmen, während Einzelakte von den deutschen Behörden mit Zustimmung der jeweiligen Besatzungskommandanten bzw. der Berliner Kommandantur erlassen wurden.

Die deutsche Staatsangehörigkeit als Rechtsinstitut berührten diese Ereignisse freilich nicht.

Lediglich die nationalsozialistische Gesetzgebung wurde in Teilen korrigiert.

So hob der Alliierte Kontrollrat unter anderem das Reichsgesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933 sowie das Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935 und sämtliche auf seiner Grundlage ergangenen Verordnungen durch das Gesetz Nr. 1 vom 20. September 1945 auf.

Nach dem Auszug der sowjetischen Vertreter am 20. März 1948 stellte das Gremium seine Tätigkeit aber auch schon wieder ein. Durch das Gesetz Nr. 12 vom 17. November 1949 erklärte die Alliierte Hohe Kommission dann noch die zwangsweise Übertragung der deutschen Staatsangehörigkeit auf französische und luxemburgische Staatsangehörige durch das nationalsozialistische Regime für von Anfang an nicht.

Auch die Bildung der Länder nach dem Zweiten Weltkrieg hat auf das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht keine Auswirkungen gehabt.

Die Entwicklung unter dem Grundgesetz

Das Grundgesetz knüpft an verschiedenen Stellen an die Staatsangehörigkeit an,
regelt sie aber selbst kaum.
Vielmehr setzt es eine Regelung im einfachen Recht voraus.
Hier galt auch unter dem Grundgesetz lange Zeit das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz fort.
Das höherrangige Recht hat eine Reihe von Änderungen des aus dem Jahre 1913 stammen- den Gesetzes erforderlich gemacht. Im großen und ganzen haben die Schöpfer des Grundgesetzes jedoch in bemerkenswerter Manier die Kontinuität des Staatsangehörigkeitsrechts gewahrt.
Bevor die Bedeutung der Änderungen für die überkommenen Prinzipien des Staatsangehörigkeitsrechts untersucht wird, soll daher erst einmal ein Blick auf die Hintergründe dieser Kontinuität geworfen werden.

Die Einheit der deutschen Staatsangehörigkeit

Im ursprünglichen Konzept des Grundgesetzes spielte die Staatsangehörigkeit eine wesentliche Rolle, die mit der „Offenhaltung eines personalen Bandes“ zwischen dem Ost- und dem Westteil Deutschlands treffend umschrieben worden ist.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG ging das Grundgesetz selbst – und „nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre!“ – davon aus, daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hatte und weder mit der Kapitulation noch auf Grund der Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen war.

Dies ergab sich aus der Präambel sowie aus Art. 23, 116 und 146 GG, sprich aus all jenen Passagen, die von den „Deutschen“, dem „deutschen Volk“ oder den „deutschen Staatsangehörigenhandelten, und nicht etwa von einem Volk oder von Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland.

Die Grundentscheidung des Parlamentarischen Rates bestand demnach darin, mit der Bundesrepublik Deutschland keinen neuen westdeutschen Staat zu gründen, sondern lediglich einen Teilbereich des fortbestehenden gesamtdeutschen Staates zu reorganisieren.

Die Bundesrepublik Deutschland war auch nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches.

Sie war mit dem Deutschen Reich identisch, wobei sich ihre Hoheitsgewalt staatsrechtlich allerdings auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes beschränkte, so daß in bezug auf die räumliche Ausdehnung zunächst nur von einer „Teilidentität“ die Rede sein konnte. In dem anderen Teil Deutschlands wurde die Deutsche Demokratische Republik errichtet.

Gleichzeitig fühlte die Bundesrepublik sich aber für das ganze Deutschland verantwortlich, im Sinne eines „Repräsentanten“, der die Interessen des Gesamtstaates wahrnimmt, solange dieser selbst nicht dazu in der Lage ist.

Die Deutsche Demokratische Republik wurde daher nie als Ausland angesehen.

Die Ausdrücke „Staatsangehörigkeit im Bunde“ (Art. 73 Nr. 2 GG) und „Staatsangehörigkeit in den Ländern“ (Art. 74 Nr. 8 GG) dienten allein zur Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern; dazu schon oben, N 342. – Besonders deutlich illustriert die Entstehungsgeschichte des Art. 16 Abs. 1 GG (dazu im einzelnen unten, Dritter Teil D. II. 3.b)) den
Bedeutungszusammenhang: Nachdem in den Beratungen zu dieser Vorschrift
zunächst eine Fassung kursierte, in der von einer „Staatsangehörigkeit des Bundes“ die Rede war, ersetzte der Grundsatzausschuß des Parlamentarischen Rates die Bezeichnung auf Vorschlag des Abgeordneten Bergsträßer später durch „ die deutsche Staatsangehörigkeit“.

Bergsträßer begründete die Änderung wie folgt: „Da wir die Verfassung für Deutschland machen – nach einem Satz unserer Präambel – wollen wir sagen: „die deutsche Staatsangehörigkeit“. Wir machen doch eine Verfassung, zu der wir die anderen Deutschen einladen.; JöR N. F. Bd. 1 (1951), S. 16

374 Bernhardt, in: HStR I, ß 8, Rn. 32 ff. weist in diesem Zusammenhang auf einen seiner Ansicht nach unauflösbaren Widerspruch in der Rechtsprechung des BVerfG hin:
Einerseits soll das Deutsche Reich (nur) aus dem Grund handlungsunfähig gewesen sein, daß es keine eigenen Organe hatte.
Andererseits soll die Bundesrepublik Deutschland mit ihm identisch gewesen sein.
Die Bundesrepublik verfügte aber zweifellos über Organe, die demnach eigentlich auch Organe des Deutschen Reiches hätten sein müssen.

Der Schlüssel zum Verständnis dürfte in der vom BVerfG verwendeten Figur der Teilidentität liegen. Denkbar ist schließlich, daß ein Teil des Deutschen Reiches (als Bundesrepublik Deutschland) handlungsfähig geworden ist und diese Handlungsfähigkeit im Sinne des übergreifenden Ganzen eingesetzt hat, ohne daß dadurch das Deutsche Reich „als Gesamtstaat“ Handlungsfähigkeit erlangt hätte.

Dem stand die – wie auch immer zu bewertende – Existenz der Deutschen Demokratischen Republik entgegen, die nicht gewillt war, als „Organ“ Gesamtdeutschlands zu fungieren.
Das Szenario erinnert an mögliche Konflikte in einem föderalistisch organisierten Staat: Die Handlungsfähigkeit eines Bundeslandes macht noch keine Handlungsfähigkeit des Bundesstaates aus, wenn die anderen Bundesländer nicht „mitmachen“ und dem Bundesstaat die Mittel fehlen, diese zu disziplinieren. Allerdings leugnet Bernhardt, daß eine „Teilidentität“ überhaupt Sinn macht.

Der Bundesrepublik waren insoweit die Hände gebunden. Wenn das Grundgesetz vom Fortbestand des (gesamt-)deutschen Staates und damit des (gesamt-)deutschen Staatsvolkes ausging, so verfolgte es damit das Ziel, eines Tages eine Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands durchzuführen. Das Wiedervereinigungsgebot war in der Präambel verankert.

Aus dem Wiedervereinigungsgebot leitete das BVerfG auch das Gebot ab, alles zu unterlassen, was die Wiedervereinigung hätte vereiteln können (sogenanntes Wahrungsgebot).
Danach war es der Bundesrepublik Deutschland strengstens untersagt, auf „einen Rechtstitel (eine Rechtsposition) aus dem Grundgesetz“ zu verzichten, mittels dessen (derer) sie auf die Verwirklichung der Wiedervereinigung und der Selbstbestimmung des deutschen Volkes hätte hinwirken können.

In diesem Zusammenhang erlangte die Staatsangehörigkeit besondere Bedeutung.

Deswegen war es so wichtig, den Fortbestand des einen deutschen Volkes durch die Staatsangehörigkeit zu dokumentieren und in den Köpfen der Menschen wach zu halten.

Wie gut der Bundesrepublik dies gelungen war, zeigte sich im Herbst 1989, als in Dresden, Berlin und Leipzig hunderttausendfach der Ruf erklang: „Wir sind das Volk“, und bald darauf: „Wir sind ein Volk“.

Das BVerfG verstand die Staatsangehörigkeit als rechtlichen Hebel zur Förderung der Wiedervereinigung und Selbstbestimmung des deutschen Volkes.
Das Wahrungsgebot verlangte danach, die Staatsangehörigkeit auch rechtlich zu verwirklichen.

Daß die Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland räumlich beschränkt war, hinderte sie zwar daran, einen Bürger der Deutschen Demokratischen Republik in Obhut zu nehmen, solange er sich im Ostteil Deutschlands auf hielt.
Sobald er aber irgendwie in den Schutzbereich der Bundesrepublik gelangte, hatte er gemäß Art. 116 Abs. 1 und Art. 16 GG einen Anspruch darauf, wie jeder Bürger der Bundesrepublik als Deutscher behandelt zu werden, d. h. er genoß den vollen Schutz der Gerichte und alle Garantien der Grundrechte des Grundgesetzes (vor allem auch der Deutschenrechte).

Deutsche im Sinne des Grundgesetzes waren eben nicht nur die Bürger der Bundesrepublik Deutschland.

Auf Grund der Rechtsprechung des BVerfG stellte sich alsbald auch die Frage, wie mit den Fällen umzugehen sei, in denen formal nur noch die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik erworben wurde.

Das BVerwG sah keinen Anlaß dazu, diesen Erwerb als Erwerb der deutschen
Staatsangehörigkeit anzuerkennen, wenn er nicht im Einklang mit den Erwerbsregeln des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes stand.

Daher maß das Gericht dem Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland
in den Grenzen des „ordre public“ die Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit bei.

Auf eine Entsprechung der Erwerbsregel im Recht der Bundesrepublik kam es ihm dabei grundsätzlich nicht an.

Staatsangehörigkeitsrechtliche Verlustgründe der Deutschen Demokratischen Republik führten hingegen nicht zum Verlust Demokratischen Republik führten hingegen nicht zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, da das Wahrungsgebot dies nicht erforderte.

Der Status des Deutschen ohne Staatsangehörigkeit, Art. 116 Abs. 1 GG
In Art. 116 Abs. 1 GG wird der Begriff des Deutschen definiert:
Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat“.

Die Besonderheit dieser Definition besteht darin, daß sie nicht allein auf die Staatsangehörigkeit rekurriert. Andernfalls hätte man auf eine ausdrückliche Regelung wohl ganz verzichtet.

Als weiteren Anknüpfungspunkt für die Deutscheneigenschaft nennt die Vorschrift des Art. 116 Abs. 1 GG die deutsche Volkszugehörigkeit der Flüchtlinge und Vertriebenen, soweit sie im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937, d. h. vor den Annexionen unter Hitler Aufnahme gefunden haben.

Damit wird ein Status begründet, der unabhängig von der deutschen Staatsangehörigkeit ist.

Die betroffenen Personen werden gemeinhin als „Statusdeutsche“ bezeichnet.
Sie sind den deutschen Staatsangehörigen weitgehend gleichgestellt.

Warum aber ist die Spezialregelung des Art. 116 Abs. 1 GG dann überhaupt in das Grundgesetzeingefügt worden?

Hintergrund war die besondere Nachkriegssituation. Flüchtlinge und Vertriebene, die in großer Zahl nach Deutschland kamen, besaßen vielfach nicht die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Wiedergutmachung der Zwangsausbürgerungen, Art. 116 Abs. 2 GG

Art. 116 Abs. 2 GG beinhaltet eine Regelung für die Personen, denen die deutsche Staatsangehörigkeit in der NS-Zeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen wurde.
Dies betrifft vor allem das Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933 sowie die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941.

Der Schutz des Bestandes der deutschen Staatsangehörigkeit, Art. 16 Abs. 1
Systematik und Regelungsgehalt.

Da die Entstehungsgeschichte des Art. 16 Abs. 1 GG sich relativ kompliziert ausnimmt, soll an dieser Stelle noch ein kurzer Überblick über Systematik und Regelungsgehalt der Endfassung gegeben werden.

Die Vorschrift enthält zwei Verbürgungen der deutschen Staatsangehörigkeit: einen absoluten Schutz vor der Entziehung (erster Satz) und einen eingeschränkten Schutz vor dem Verlust (zweiter Satz).

Hinsichtlich des Verlustes kann weiter danach differenziert werden, ob der Betroffene dadurch staatenlos würde oder nicht. Ist dies der Fall, so steht der Verlust gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG unter dem Vorbehalt, daß der Betroffene damit einverstanden ist.

 
Unabhängig davon muß der Verlust „auf Grund eines Gesetzes“ eintreten.
Diese Formulierung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG stellt nach allgemeiner Ansicht ein Redaktionsversehen dar. Insoweit besteht Einigkeit, darf der Verlust nicht unbedingt einen Akt der Exekutive voraussetzt, sondern auch unmittelbar an die Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandes anschließen kann.

Art. 16 Abs. 1 GG hat Grundrechtscharakter mit allen daraus folgenden Konsequenzen: Die Vorschrift statuiert ein subjektives Abwehrrecht im Sinne des status negativus und hat zugleich – wie jedes andere Grundrecht auch – teil an der objektiven Wertordnung des Grundgesetzes.

Auswirkungen des Grundgesetzes auf die Überkommenen Prinzipien des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts

Das Ius-sanguinis-Prinzip

Das Grundgesetz tastete das hergebrachte Prinzip des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt nicht an.

Im Gegenteil: In Art. 116 Abs. 1 und 2 GG bestätigte es die Geltung des Ius-sanguinis-Prinzips im einfachen Recht.
Offenbar richtet es sich in diesen Sonderregelungen an dem vorgefundenen Rechtszustand aus.
So erstreckt sich der Status des Deutschen ohne Staatsangehörigkeit nach dem ersten Absatz des Art. 116 GG auf die Abkömmlinge der Flüchtlinge oder Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit, die in dem Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden haben.

Nach dem zweiten Absatz der Bestimmung erfaßt der Wiedereinbürgerungsanspruch auch die Abkömmlinge der zwangsausgebürgerten Deutschen. Beide Rechtspositionen werden also ebenso in der Familie „weitervererbt“ wie die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts von 1999

Freilich kam die Reform nicht von heute auf morgen. Reformbestrebungen gab es schon seit geraumer Zeit, nur waren sie bis dahin allesamt gescheitert. Die Gründe dafür haben die Gestalt, welche das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht schließlich im Jahre 1999 erhalten hat, nachhaltig beeinflußt. Daher lohnt es sich, zunächst diejenigen Reformansätze zu betrachten, die nicht verwirklicht worden sind.

Die Reformbestrebungen von 1989 bis 1998

Reformbestrebungen grundlegender Art setzten danach erst wieder ein, als die Wiedervereinigung bereits in greifbare Nähe gerückt war. Von 1989 bis 1998 standen sich im wesentlichen zwei Positionen gegenüber, deren Gegensätzlichkeit das Zustandekommen einer Reform verhinderte: der Standpunkt der Opposition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf der einen sowie der Standpunkt der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP auf der anderen Seite.

Der Standpunkt der Opposition

aa) Erleichterung der Einbürgerung

Die mit der Änderung des Ausländergesetzes zu Beginn der 90er Jahre verbundene Erleichterung der Einbürgerung ging nicht so weit, wie die Opposition es gerne gesehen hätte.

bb) Einführung des ius soli

Neben einer Erleichterung der Einbürgerung strebte die Opposition auch eine Einführung des Ius-soli-Prinzips in das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht an. Das Ius-sanguinis-Prinzip, das den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt bis dato ausschließlich geregelt hatte, sollte dadurch zwar nicht verdrängt, aber wenigstens ergänzt werden. Zwei unterschiedliche Varianten des ius soli kristallisierten sich dabei heraus.

Das Zustandekommen der Reform im Jahre 1999

Mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte zur 14. Legislaturperiode bot sich den vormaligen Oppositionsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen plötzlich die Gelegenheit, ihre lange Zeit vergeblich gehegten Reformvorhaben endlich zu realisieren. Diese Gelegenheit ergriffen sie sogleich beim Schopfe. Weder bei der anvisierten Erleichterung der Anspruchseinbürgerung nach §§ 85 ff. AuslG noch bei der Einführung des Ius-soli-Prinzips nahm ein von Bundesinnenminister Otto Schily am 13. Januar 1999 geradezu blitzartig vorgelegter Arbeitsentwurf Rücksicht auf den Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatlichkeit. Nach dem Stillstand der letzten Jahre sollte der Entwurf vor allem Handlungsfähigkeit demonstrieren. Aussicht auf Erfolg hatte er freilich nicht. Zu groß war der Widerstand in der Bevölkerung. Mit Blick auf den hessischen Landtagswahlkampf initiierte die CDU eine Unterschriftenkampagne gegen die Hinnahme von Mehrstaatlichkeit. Die
Resonanz auf diese Kampagne wurde allgemein als (mit-)entscheidend für den anschließenden Wahlsieg der Partei angesehen.

B. Ziel der Reform

Für die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahre 1999 gab es im wesentlichen zwei Gründe:
Vermeintlichen Reformdruck erzeugte zunächst das hohe Alter des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes. Schon allein die Tatsache, daß dessen Gestalt sich seit 1913 kaum verändert hatte, genügte in den Augen vieler, um eine „Modernisierung“ des Rechtsgebiets zu rechtfertigen.
Auch im europiischen Vergleich galt das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz
als anachronistisch.
Stein des Anstoßes war insbesondere das Ius-sanguinis-Prinzip.
Vom deutschen „Blutrecht“, das noch immer einem Nationalismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts huldige, obwohl die Geschichte doch längst eines Besseren belehrt habe, war da – nicht ohne ein gerüttelt Maß Polemik – die Rede.
Als Relikt vergangener Tage gehöre das an der Abstammung orientierte Denken endgültig über Bord geworfen.

Das Bemühen des Reformgesetzgebers, alte Zöpfe des Staatsangehörigkeitsrechts abzuschneiden, ist schon an der Überschrift abzulesen:
Statt „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“ heißt es dort nunmehr schlicht
„Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)“. Allerdings ist das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz durch die Reform nicht abgeschafft, sondern lediglich abgeändert worden.

Insbesondere die Erwartung, alle die Staatsangehörigkeit betreffenden Vorschriften werden endlich in einem Gesetz konzentriert werden, hat der Gesetzgeber enttäuscht: Auch nach der Reform bleibt es bei der teilweisen Verlagerung der Einbürgerungsvorschriften in das Ausländergesetz.

Die Änderungen betreffen vor allem die Regelungen des Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch Geburt und des Verlusts der Staatsangehörigkeit. Eine völlig neue Gestalt hat zudem der Einbürgerungsanspruch in den §§ 85 ff. AuslG 1999 erhalten. Im Übrigen diente das Staatsangehörigkeitsreformgesetz dazu, alte Regelungen an die neue Rechtslage anzupassen.

Während einige Folgeänderungen anderer Gesetze nichtig waren, hat die Reform die Staatsangehörigkeitsverordnungen vom 5. Februar 1934 und vom 20. Januar 1942 gänzlich hinfällig gemacht und folglich außer Kraft gesetzt.

– Merkblatt zum Staatsangehörigkeitsausweis und -verfahren

Hier ist es empfehlenswert, die Worte die hier benutzt und entsprechend markiert wurden im Vollsinn zu verstehen.

So kann man auch am Inhalt erkennen, dass dieses Verfahren als auch der Staatsangehörigkeitsausweis eben nicht mit einer angeblichen “Deutschen Staatsangehörigkeit” eines Herrn A. Hitler 1934 durch eine Verordnung eingeführt zu tun hat und haben kann! Denn hier wird klar Bezug genommen auf die Auswirkungen zweier Weltkriege sowie die Prüfung sich bis auf das Jahr 1914 zurück erstreckt.

Bekanntlich gab es kein “Drittes Reich” zum 1. WK, als auch nicht 1914.

Wir danken dem Landkreis, für einen dieser tollen Beweise!!!

——– o ——–

Merkblatt zum Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit
– für Personen, die im Ausland leben –

1. Was ist das Feststellungsverfahren?

Im Verfahren zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit prüft das Bundesverwaltungsamt, ob Sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Es wird dabei geprüft, wann und wodurch Sie die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und ob Sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren haben.
Kann die deutsche Staatsangehörigkeit festgestellt werden, wird Ihnen als Nachweis ein Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt.

2. Was muss ich tun, wenn ich einen Feststellungsantrag stellen möchte?

Sie können Ihren Antrag direkt beim Bundesverwaltungsamt stellen. Wenn Sie ihn bei der für Sie zuständigen deutschen Auslandsvertretung einreichen, wird diese den Antrag an das Bundesverwaltungsamt weiterleiten.
Bitte verwenden Sie den vom Bundesverwaltungsamt bereitgestellten Antragsvordruck.
Sollten Sie Hilfe benötigen, wenden Sie sich bitte an die zuständige deutsche Auslandsvertretung.
Dort werden Sie auch persönlich beraten.

3. Welche Vordrucke gibt es?

Antrag F: Antragsvordruck für Personen ab 16 Jahre Minderjährige ab 16 Jahre werden in Fragen der Staatsangehörigkeit Volljährigen gleichgestellt; sie geben alle Erklärungen selbst ab.
Antrag F_K: Antragsvordruck für Kinder unter 16 Jahren
Der Antrag ist von allen sorgeberechtigten Personen als gesetzliche Vertreter zu unterzeichnen.
Anlage_V: für Angaben zu deutschen Vorfahren
Ergänzungsbogen bei Ableitung der deutschen Staatsangehörigkeit durch Abstammung bzw. Adoption.
Vollmacht: zur Bevollmächtigung einer anderen Person
Alle Vordrucke erhalten Sie über die Internetseite des Bundesverwaltungsamtes:
www.bundesverwaltungsamt.de, dort: Staatsangehörigkeit > Feststellung beantragen > Staatsangehörigkeitsausweis Bundesverwaltungsamt – Stand: Mai 2022 Seite 2 von 9

4. Wie ist der Antrag auszufüllen?

Füllen Sie den Antragsvordruck deutlich, sorgfältig, vollständig und in deutscher Sprache aus. Wir empfehlen, den Antrag direkt am PC, Smartphone oder Tablet auszufüllen und erst dann auszudrucken. Auch weiterer Schriftwechsel mit dem Bundesverwaltungsamt ist in deutscher Sprache zu führen.
Nachfolgend werden einzelne Punkte der Antragsvordrucke F und F_K erläutert. Sollten darüber hinaus Fragen bestehen, lassen Sie sich von der zuständigen deutschen Auslandsvertretung beraten.

Abschnitt 4: „Zuständige deutsche Auslandsvertretung“

Geben Sie Ihre zuständige deutsche Auslandsvertretung auch dann an, wenn Sie den
Antrag über eine bevollmächtigte Person oder direkt beim Bundesverwaltungsamt
einreichen.

Abschnitt 5: „Meine deutsche Staatsangehörigkeit“ (im Antrag F_K Abschnitt 6)
Zu den einzelnenwichtigsten Erwerbsgründen der deutschen Staatsangehörigkeit
wird auf die Übersicht am Ende des Merkblattes (Anhang) verwiesen.
„Sonstige Erwerbsgründe“ erläutern Sie bitte unter „sonstiges“ oder auf einem gesonderten Papier. Gleiches gilt, wenn Ihnen nicht bekannt ist, wie Sie die deutsche
Staatsangehörigkeit erworben haben, aber z. B. immer als Deutscher behandelt wurden.
Wenn Sie die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung (auch Legitimation)
oder Adoption von Ihren deutschen Eltern (oder einem deutschen Elternteil) bzw.
Adoptiveltern erworben haben, ist ergänzend die Anlage V auszufüllen [siehe hierzu
5. „Anlage V (Vorfahren) – Was muss ich beachten?“].

Abschnitt 6: „Weitere Angaben zu meiner deutschen Staatsangehörigkeit“
(im Antrag F_K Abschnitt 7) Anzugeben sind Staatsangehörigkeitsausweise, die als Einzelausweis für Sie selbst oder als gemeinschaftlicher Ausweis mit Ihren Eltern (auch von einer anderen deutschen Behörde) ausgestellt wurden.
Gleiches gilt, wenn für Sie bereits deutsche Passdokumente ausgestellt wurden (z. B.
Reisepass, Personalausweis, Kinderausweis, Diplomatenpass).
Sofern Sie bereits ein Verfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) in
Deutschland durchgeführt haben, machen Sie hier zur Unterstützung der Bearbeitung
Angaben. In Kenntnis des Aktenzeichens und der durchführenden Behörde kann das
Bundesverwaltungsamt die damaligen Verfahrensakten beiziehen und die dort vor-handenen Urkunden und Unterlagen nutzen. Diese Dokumente müssten Sie dann
nicht noch einmal einreichen.
Es ist jedoch möglich, dass aufgrund datenschutzrechtlicher Aufbewahrungsfristen
die Altakten nicht mehr vorhanden oder Unterlagen durch Zeitablauf nicht mehr beweiskräftig sind. Solche Unterlagen werden von uns nachgefordert.
Abschnitt 7: „Frühere Staatsangehörigkeiten“ (im Antrag F_K Abschnitt 8)
Es sind hier nur die Staatsangehörigkeiten anzugeben, die Sie aktuell nicht mehr besitzen, aber früher einmal besessen haben.
Bundesverwaltungsamt – Stand: Mai 2022 Seite 3 von 9
Beispiel: Sie haben diese Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung in einem anderen
Staat verloren. Geben Sie den Zeitraum, währenddessen Sie die frühere Staatsangehörigkeit besessen haben, so genau wie möglich an.

Abschnitt 11: „Meine Aufenthaltszeiten“
Bitte machen Sie hier so genau wie möglich Angaben zu Ihren Aufenthaltsorten und
–zeiten. Besuchsaufenthalte, Urlaubsreisen, Montageaufenthalte etc. bis zu drei Monaten müssen nicht angegeben werden.

Abschnitt 12: „Angaben zu meinen Militärzeiten“ (nur in F)
Wenn Sie im Militär, in einer Armee, Streitkraft oder in einem vergleichbaren bewaffneten Verband eines fremden Staates gedient haben, ist zu unterscheiden zwischen
dem Dienst als wehrpflichtige Person bzw. dem Grundwehrdienst (= gesetzlich vo rgeschriebener Militärdienst) und dem freiwilligen Dienst (z. B. als Zeitsoldat/ Zeitso ldatin oder Berufssoldat/ Berufssoldatin).
Ein freiwilliger Dienst liegt auch dann vor, wenn die gesetzlich vorgeschriebene
Wehrpflicht von Ihnen auch nur um einen Tag freiwillig verlängert wird/wurde.
Erläuterung zu nur im Antrag F_K für Kinder unter 16 Jahren vorhandene Abschnitte:
Abschnitt 5: „Angaben zur gesetzlichen Vertretung“
Eine gesetzliche Vertretung besteht aufgrund Gesetzes (z. B. gesetzliches Sorgerecht
für ein minderjähriges Kind) oder aufgrund gerichtlicher oder behördlicher Anordnung (z. B. Anordnung des Vormundschaftsgerichtes, Bestellung einer Betreuungsperson).
Für eine unmittelbare gesetzliche Vertretung ist kein Nachweis notwendig. Besteht
eine gerichtliche oder behördliche Anordnung fügen Sie bitte den Nachweis (z. B.
amtlichen Bescheid; Urteil mit gerichtliche Sorgerechtsentscheidung) bei.
Die Erklärung ist von allen gesetzlichen Vertretern zu unterschreiben.
Personen, die das 16. Lebensjahr erreicht haben, handeln in Staatsangehörigkeitsverfahren eigenständig und sind berechtigt, die Erklärungen selbst abzugeben (§ 37
Abs. 1 Satz 1 StAG). Sie werden in Staatsangehörigkeitsverfahren nicht gesetzlich vertreten und unterschreiben selbst.

5. „Anlage V“ (Vorfahren) – Was muss ich beachten?
Die Anlage V ist ergänzend auszufüllen, wenn Sie die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung (auch Legitimation) oder Adoption von deutschen Eltern (bzw. einem deutschen Elternteil, Vater und/oder Mutter) erworben haben.
Haben wiederum auch Ihre Eltern (der deutsche Elternteil) die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung, Legitimation oder Adoption von ihren Eltern (= Ihren Großeltern, Großvater und/oder Großmutter) erworben, so ist auch für Ihre Großelterngeneration die Anlage V auszufüllen.
Gleiches gilt (auch für die nächsten Generationen) bis zu der Person Ihrer Vorfahren,
 für die ein Staatsangehörigkeitsausweis/Heimatschein einer deutschen Behörde ausgestellt wurde,
 die vor 1914 in Deutschland geboren wurde oder zuvor als Deutscher bzw. Deutsche ausgewandert ist oder Bundesverwaltungsamt – Stand: Mai 2022 Seite 4 von 9
 die nicht durch Abstammung/Adoption die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat (z. B. durch Einbürgerung).
Die Anlage V ist für jede dieser maßgeblichen Personen einzeln auszufüllen. Bitte kennzeichnen Sie (Kreuzen Sie an!), um welchen Verwandten von Ihnen es sich dabei jeweils handelt.

Beispiel:
Beantragen mehrere Familienangehörige (Eltern und Kinder, Geschwister) gleichzeitig die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, so ist es ausreichend, die Angaben zu den gleichen Vorfahren (Anlage V) nur einem Antrag beizufügen. Die Angaben gelten dann für alle Anträge gleichermaßen.
6. Welche Unterlagen sind erforderlich und beizufügen?
Stets beizufügen sind:
 amtlich oder notariell beglaubigte Kopie Ihres letzten/aktuellen deutschen und (soweit vorhanden) ausländischen Reisepasses/Personaldokumentes (Seiten mit Passbild und Personalangaben). Unterlagen über Abstammung und Personenstand
 Geburts- oder Abstammungsurkunden, Heiratsurkunden, Familienbücher (soweit vorhanden) sind erforderlich für Sie und alle Personen, von denen Sie die deutsche Staatsangehörigkeit ableiten, zurück bis zu der Person Ihrer Vorfahren, die entweder

oder

oder

 Adoptionsunterlagen (Adoptionsurkunde, Gerichtsbeschluss, Unterlagen über die Anerkennung der Adoption in Deutschland)
 Scheidungsunterlagen (Scheidungsurteil mit Rechtskraftvermerk, gegebenenfalls Anerkennungsbescheid der Landesjustizverwaltung)
Bundesverwaltungsamt – Stand: Mai 2022 Seite 5 von 9
Unterlagen, die Rückschlüsse auf die deutsche Staatsangehörigkeit zulassen
Unterlagen über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit
Zum Beispiel: Einbürgerungsurkunden, Bescheinigungen/Urkunden über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Erklärung oder Option, Bescheinigung gem. § 15 Bundesvertriebenengesetz, Ernennungsurkunden bei Beamten oder Beamtinnen, Feststellungsbescheide über den Staatsangehörigkeitserwerb durch Dienst in der ehemaligen Deutschen Wehrmacht und anderen vergleichbaren Verbänden.
Unterlagen über die Zugehörigkeit zu dem Personenkreis, auf den sich eine Sammeleinbürgerung erstreckte.
Vertriebenenausweise, Volkslistenausweise, Volkstumsbescheinigungen oder andere Unterlagen über deutsche Volkszugehörigkeit, Nachweise über (früheres) Heimatrecht, Bürgerrecht oder Wohnsitz in den betreffenden Gebieten, Bescheinigungen über Verzicht auf das Ausschlagungsrecht Unterlagen über den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit oder frühere »Rechtsstellung als Deutscher« oder über »Behandlung als Deutscher«
Zum Beispiel: Staatsangehörigkeitsausweise, Heimatscheine, Urkunden/Ausweise über Rechtsstellung als Deutscher; Reisepässe, Personalausweise und andere Ausweispapiere (auch alte); Auszüge aus (früheren) Familienregistern, Bürgerlisten, Bürgerverzeichnissen; Unterlagen über geleisteten Militärdienst oder Tätigkeit als Beamter oder Beamtin; Meldebestätigungen; Urkunden über die Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit, Vertriebenenausweise, (alte) Flüchtlingsausweise, Registrierscheine in einfacher Kopie. weitere mögliche Unterlagen
Bei Bedarf können auch noch folgende weitere Unterlagen notwendig sein:
 Ihre Aufenthaltsberechtigung im Aufenthaltsstaat (z. B. Permanent Resident Card, Ausländerausweis)
 Unterlagen über den Nichterwerb einer anderen Staatsangehörigkeit (Nichterwerbsbe –
scheinigung)
Nachweise über den Erwerb/Besitz weiterer Staatsangehörigkeiten
 Namensänderungsurkunden/-bescheinigungen
 Lebenspartnerschaftsurkunde
 Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung bzw. Bundesamtes für Wehrverwa ltung zum Dienst in der ausländischen Armee
 Unterlagen zum Sorgerecht (bei Anträgen von Kindern unter 16 Jahren)
7. In welcher Form sind die Unterlagen vorzulegen?
Unterlagen (insbesondere Urkunden) – soweit nicht anders angegeben – müssen im Original oder in amtlich oder notariell beglaubigter Fotokopie des Originals vorgelegt werden. Fotokopien müssen vollständig sein, das heißt Vorder-und Rückseite des Dokuments müssen vorgelegt werden. Unbeglaubigte Fotokopien und Abschriften können grundsätzlich nicht anerkannt werden.
Beglaubigungen können nur durchgeführt werden von:
 (Staats-)Notarinnen beziehungsweise -Notaren oder
 Standesbeamtinnen beziehungsweise -beamten der Stelle, die den Eintrag in das Personenstandsregister vorgenommen hat oder
 deutschen Behörden (z. B. Meldeamt, Standesamt, Auslandsvertretung).
Bundesverwaltungsamt – Stand: Mai 2022 Seite 6 von 9
Beglaubigungen von anderen Stellen werden grundsätzlich nicht anerkannt.
Bei den Beglaubigungen ist darauf zu achten, dass die vollständige inhaltliche Übereinstimmung der Kopie mit dem Original beglaubigt wird.
Der Beglaubigungsvermerk muss im Original vorliegen, das heißt
 mit dem Originalstempel des Notariats oder Standesamtes und
 mit der Originalunterschrift des Notars/ der Notarin oder des Standesbeamten/ der Standesbeamtin.
Kopien von Beglaubigungsvermerken oder Beglaubigungsvermerke, welche lediglich die Unterschrift des Übersetzers/ der Übersetzerin beglaubigen, reichen nicht aus.
Ausländische öffentliche Urkunden (z. B. Personenstandsurkunden) sind in der Regel zu legalisieren bzw. mit einer Haager Apostille zu versehen.
Ausgenommen hiervon sind
 Personenstandsurkunden der EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz sowie
 internationale mehrsprachige Urkunden (Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Sterbeurkunde) aus: Bosnien-Herzegowina, Republik Moldau, Republik Nordmazedonien, Montenegro, Republik Serbien und der Republik Türkei
Informationen zum Legalisierungsverfahren erhalten Sie von Ihrer zuständigen deutschen Auslandsvertretung. Dort können Sie zusätzlich weitere Informationen darüber erhalten, in welcher Form (Art der Beglaubigung) Sie die Urkunden Ihres Heimatstaates einreichen können.
Allen fremdsprachigen Unterlagen ist eine Übersetzung eines/einer vereidigten Übersetzers/Übersetzerin so beizufügen, dass die Übersetzung dem Original zweifelsfrei zugeordnet ist. Übersetzungen von nicht vereidigten Personen werden nicht anerkannt.
8. Welche Gebühren werden erhoben?
Das Verfahren ist für Sie gebührenpflichtig.
Die Gebühr für die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit mit Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises beträgt 51,00 Euro und wird mit der Entscheidung über den Antrag erhoben. Die Gebühr für eine ablehnende Entscheidung beträgt – in Abhängigkeit vom entstandenen Verwaltungsaufwand – minimal 25,00 Euro und maximal 51,00 Euro.
Wird der Antrag zurückgenommen nachdem die Bearbeitung des Antrages bereits aufgenommen wurde, werden 38,00 Euro fällig.
Hinweis: Originaldokumente können regelmäßig erst nach Abschluss des gesamten Verfahrens auf besondere Anforderung zurückgegeben werden. Es wird empfohlen, nur beglaubigte Kopien zu übersenden. Sollte ausnahmsweise ein Original erforderlich sein, wird es ausdrücklich nachgefordert.
Hinweis: Bitte zahlen Sie erst dann, wenn das Bundesverwaltungsamt Sie ausdrücklich dazu auffordert.
Empfehlenswert ist eine Überweisung von einem deutschen Konto. Bei Überweisungen aus dem Ausland, sind die zusätzlich anfallenden Überweisungsgebühren zu beachten. Zahlungen per Scheck, bar, per Internetbezahldienst oder per Kreditkarten werden nicht akzeptiert.
Bitte zahlen Sie die Gebühren zeitnah nach Aufforderung. Die Aushändigung der Urkunde oder einer anderen Entscheidung kann grundsätzlich erst erfolgen, wenn die Gebühren eingegangen sind.
Bundesverwaltungsamt – Stand: Mai 2022 Seite 7 von 9
9. Hinweis zum Datenschutz nach Artikel 13 und 14 EU- Datenschutzgrundverordnung
(DSGVO)
Gemäß § 31 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) ist das Bundesverwaltungsamt als Staatsangehörigkeitsbehörde für Personen im Ausland berechtigt, personenbezogene Daten zu erheben, zu spe ichern, zu verändern und zu nutzen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgabe erforderlich ist (Zweck).
Ausführliche Informationen zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten nach Artikel 13 und 14 DSGVO erhalten Sie auf der Internetseite des Bundesverwaltungsamtes unter dem Thema: Staatsangehörigkeit sowie auf der weiterführenden Informationsseite zum jeweiligen Verfahren. Dort sind auch die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten bereitgestellt.

10. Kontaktdaten
Postanschrift

Bundesverwaltungsamt
50728 Köln
Deutschland
Internetadresse E-Mailadresse
www.bundesverwaltungsamt.de staatsangehoerigkeit@bva.bund.de
Telefonnummern
+49 22899358-44828 oder +49 221 758-44828
(Allgemeiner Auskunftsdienst für Personen aus: Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Estland, Frankreich, Geor-gien, Großbritannien, Kasachstan, Kirgisistan, Lettland, Litauen, Republik Moldau, Österreich, Polen, Russische Föderation, Tadschikistan, Tschechische Republik, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan)
+49 22899358-44833 oder +49 221 758-44833
(Allgemeiner Auskunftsdienst für Personen aus allen anderen Staaten)
zu unseren Servicezeiten:
Montag – Donnerstag 8:00 Uhr – 16:30 Uhr und
Freitag 8:00 Uhr – 15:00 Uhr
Faxnummern
+49 22899358-28446 oder +49 221758-28446

– Staatsangehörigkeit im geteilten Deutschland

 

 

Der Teso-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts
RainerHofmann*
A. Einleitung

 

Mit Beschluß vom 21. Oktober 1987 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, daß dem Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen ihres ordre public die Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes beizumessen ist. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik nach dortigen Vorschriften erfolgt ist, denen eine Entsprechung im Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 (RuStAG) fehlt. Mit diesem im Schrifttum der Bundesrepublik Deutschland stark beachteten Beschluß
hat der Zweite Senat aber nicht allein eine spezielle Problematik des Staatsangehörigkeitsrechts verbindlich gelöst; vielmehr enthält die Entscheidung auch grundsätzliche Ausführungen zur Staatsangehörigkeit im geteilten Deutschland und darüber hinaus zum rechtlichen Verhältnis zwischen Deutschem Reich, Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik. In mehrfacher Hinsicht erscheint sie daher als eine – notwendige – Ergänzung und Fortschreibung des Urteils zum Grundlagenvertrag vom 31.Juli 19733 und kann wohl als Formulierung der grundsätzlichen Konzeption des Gerichts zur Rechtslage Deutschlands und damit zusammenhängenden Fragen gesehen werden. Dies gilt vor allem für die Aussagen zur verfassungsrechtlichen Qualität des Wiedervereinigungsgebots und seines Inhalts sowie für die starke Betonung des im Völkerrecht verankerten Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes als essentiellen Faktoren rechtlichen und politischen Handelns in Fragen, die Deutschland als Ganzes betreffen oder in grundlegender Weise betreffen können. Es liegt auf der Hand, daß sich aus einer solchen Entscheidung Folgerungen über den Bereich des eigentlichen
Staatsangehörigkeitsrechts hinaus auf verfassungs- und völkerrechtliche Probleme der Rechtslage Deutschlands ergeben; angesichts der fortschreitenden Integration im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften könnte etwa die schon seit einiger Zeit diskutierte Frage der Vereinbarkeit von Westintegration und Wiedervereinigungsgebot im Lichte der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts neuerlich zu erörtern sein.

——– o ——–

B. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts
1. Sachverhalt und Prozeßgeschichte

Der Beschwerdeführer, Marco Teso, wurde 1940 in Meißen/Sachsen ehelich geboren. Sein Vater war italienischer Staatsangehöriger; seine Mutter hatte ihre deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund der damals geltenden Bestimmungen des RuStAG mit der Eheschließung verloren, erwarb sie aber nach Ehescheidung durch Einbürgerung, die sich nicht auf den Beschwerdeführer erstreckte, im Jahre 1944 zurück. Der Beschwerdeführer wuchs bei seiner Mutter in Sachsen auf. Nach Vollendung des 14. Lebensjahres erhielt er im Jahre 1954 einen Personalausweis der Deutschen Demokratischen Republik für deutsche Staatsangehörige, nachdem er schon 1948 in den Personalausweis seiner Mutter eingetragen worden war; später erhielt er dann einen Wehrpaß der Nationalen Volksarmee und endlich einen neuen Personalausweis der Deutschen Demokratischen Republik.
Im Jahre 1967 wandte sich der Beschwerdeführer an das italienische Generalkonsulat in Berlin (West), das ihm nach Feststellung seiner italienischen Staatsangehörigkeit einen italienischen Reisepaß erteilte. Mit diesem Reisepaß gelangte er 1969 in die Bundesrepublik Deutschland und erhielt hier 1970 einen Personalausweis.
In einem Verwaltungsverfahren auf Feststellung von Vermögensschäden nach dem Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz entschied die zuständige Behörde im Jahre 1974, daß der Beschwerdeführer weder deutscher Staatsangehöriger noch Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 116 Abs.1 GG sei. Das Verwaltungsgericht wies die Klage auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit Urteil vom 4. Februar 1976 ab. Auf Berufung änderte das Oberverwaltungsgericht Münster das erstinstanzliche Urteil ab und verpflichtete in seiner Entscheidung vom 5. September 1978 die zuständige Behörde, dem Beschwerdeführer einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen. In der Revision stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. November 1982 das erstinstanzliche Urteil wieder her.

 

II. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zerfällt in zwei deutlich voneinander unterschiedene Teile: Im ersten Abschnitt wird untersucht, ob aus dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland folgt, daß der Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik auch aufgrund einer Bestimmung, die im RuStAG keine Entsprechung findet, zugleich für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne der Art.16 Abs.1, 116 Abs.1 GG bewirkt und ob insoweit gegebenenfalls verfassungsrechtliche Grenzen zu beachten sind. Diese Frage wird vom Gericht grundsätzlich bejaht; die entscheidende Norm wird im Gebot der Wahrung der Einheit der deutschen Staatsangehörigkeit gesehen, das wiederum eine normative Konkretisierung des im Grundgesetz, nämlich seiner Präambel, verankerten Wiedervereinigungsgebots ist. Die grundsätzliche Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch den Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik unterliegt allerdings den Grenzen des ordre public der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland.
In einem Zweiten, wesentlich umfangreicheren Abschnitt wird dann dieses auf der Grundlage des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland gewonnene Ergebnis daraufhin überprüft, ob ihm Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus allgemeinem Völkerrecht oder aus ihren vertraglichen Bindungen zur Deutschen Demokratischen Republik entgegenstehen. Dabei macht das Gericht grundsätzliche Ausführungen zur Rechtslage Deutschlands, der rechtlichen Bedeutung des im Völkerrecht verankerten Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes und zur Wirkung des Grundlagenvertrags auf die rechtlichen Beziehungen zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik, aber auch zum Umfang verfassungsgerichtlicher Kontrolldichte von Beurteilungen völkerrechtlicher Sachverhalte durch die zur Ausübung der auswärtigen Gewalt zuständigen Staatsorgane. Auf diese Erwägungen stützt der Senat seinen Schluß, daß der verfassungsrechtlich gebotenen rechtlichen Behandlung eines Erwerbs der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik als des – in den Grenzen des ordre publicgleichzeitigen Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes die Bundesrepublik Deutschland bindende Normen weder aus Völkerrecht noch aus ihren rechtlichen Beziehungen zur Deutschen Demokratischen Republik entgegenstehen.

 

1. Die verfassungsrechtliche Prüfung

Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Ausführungen des Gerichts ist die Feststellung, daß der Beschwerdeführer weder durch Einbürgerung noch unmittelbar kraft einer Bestimmung des RuStAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, wohl aber im Besitz der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik war. Ihr Erwerb, den auch das Oberverwaltungsgericht angenommen und das Bundesverwaltungsgericht aus revisionsrechtlichen Gründen nicht in Frage gestellt hatte, sei während des entscheidungserheblichen Zeitraums entweder unmittelbar kraft Gesetz oder kraft Einzelakt von Behörden der Deutschen Demokratischen Republik erfolgt. Hinsichtlich der einschlägigen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsrechts der Deutschen Demokratischen Republik hat sich das Gericht auf eine Aufzählung der nach diesen Vorschriften im vorliegenden Fall, insbesondere auch nach Auffassung des Schrifttums in der Deutschen Demokratischen Republik, möglichen Erwerbstatbestände beschränkt; angesichts der gerade hier bestehenden Unklarheiten, die sich fast notwendig aus der Entwicklung der herrschenden Auffassung in der Deutschen Demokratischen Republik zum Institut der deutschen Staatsangehörigkeit und der erst seit 1967 gesetzlich verankerten, besonderen Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik ergeben, scheint dieses Vorgehen durchaus gerechtfertigt. Entscheidungserheblich war allein die Feststellung, daß der Beschwerdeführer die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik erworben hatte.
Wichtigste Grundlage für die Auffassung des Gerichts ist seine in Einklang mit seiner früheren Rechtsprechung stehende Haltung, der Präambel des Grundgesetzes rechtliche Bedeutung zuzumessen und in ihr insbesondere ein verfassungsrechtliches Wiedervereinigungsgebot verankert zu sehen. Allerdings komme den politischen Organen ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Entscheidung zu, mit welchen politischen Mitteln und auf welchen politischen Wegen sie dieses Ziel zu erreichen oder ihm näher zu kommen suchen. Für die Abgrenzung der Befugnisse zwischen Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht wichtig ist die wiederholte Aussage, daß das Gericht einer Maßnahme des Gesetzgebers erst dann entgegentreten könne, wenn diese rechtlich oder tatsächlich einer Wiedervereinigung in Freiheit offensichtlich entgegenstehe.
Gestützt auf das Urteil zum Grundlagenvertrag weist der Senat dann darauf hin, daß aus dem Wiedervereinigungsgebot auch ein Wahrungsgebot abzuleiten sei, nämlich alles zu unterlassen, was die Wiedervereinigung vereiteln würde. Dieses Wahrungsgebot, das für das Staatsangehörigkeitsrecht in Art. 116 Abs. 1, 16 Abs. 1 GG in der Verfassung selbst verankert sei, habe das Bundesverwaltungsgericht verkannt. Es beruhe auf der politischen Grundentscheidung des Verfassungsgebers, des Parlamentarischen Rates, nicht einen neuen (westdeutschen) Staat zu errichten, sondern das Grundgesetz als Reorganisation eines Teilbereiches des deutschen Staatesund somit seiner Staatsgewalt, seines Staatsgebietes und seines Staatsvolkes –
zu begreifen. Dieses Verständnis der historischen und politischen Identität der Bundesrepublik Deutschland liege dem Grundgesetz zugrunde; das Festhalten an der deutschen Staatsangehörigkeit in Art. 116 Abs. 1, 16 Abs. 1 GG und damit an der bisherigen Identität des Staatsvolkes des deutschen Staates sei normativer Ausdruck dieses Grundverständnisses.
Ausschlaggebend ist dann der Schluß des Gerichts, das Wahrungsgebot hinsichtlich des deutschen Staatsvolkes dynamisch zu sehen: Aus dem Wahrungsgebot folge namentlich die verfassungsrechtliche Pflicht, die Identität des deutschen Staatsvolkes zu erhalten; diese Pflicht sei jedoch nicht statisch auf den Kreis derjenigen Personen begrenzt, die bei Inkrafttreten des Grundgesetzes deutsche Staatsangehörige waren und jene, die später aufgrund der Bestimmungen des RuStAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben und noch erwerben werden. Die im Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes enthaltene Wahrungspflicht gebiete es auch, die Einheit des deutschen Volkes als des Trägers des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts nach Möglichkeit zukunftgerichtet auf Dauer zu bewahren. Die – vom Senat so bezeichnete – statische Betrachtungsweise des Bundesverwaltungsgerichts stelle diese Einheit des ganzen deutschen Volkes in seinem jeweiligen Bestand als des Trägers des Selbstbestimmungsrechts grundsätzlich in Frage und laufe dem genannten Wahrungsgebot des Grundgesetzes zuwider. Mithin bewirke der Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik grundsätzlich zugleich für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes. Mit anderen Worten: Um dem Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes in seiner staatsangehörigkeitsrechtlichen Ausprägung – nämlich dem Gebot der zukunftgerichteten Wahrung der Einheit des ganzen deutschen Volkes als des Trägers des völkerrechtlich-en Selbstbestimmungsrechts –
zu genügen, ist es verfassungsrechtlich geboten, daß für die
Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland der Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik, ungeachtet seiner Rechtsgrundlage, grundsätzlich den Erwerb auch der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes bewirkt.
Danach überwindet das Gericht unter Hinweis auf seine frühere
Rechtsprechung den Einwand, daß der genannten Rechtswirkung von Hoheitsakten der Deutschen Demokratischen Republik entgegenstehe, daß die hierbei-geübte Hoheitsgewalt nicht dem Grundgesetz unterworfen sei: Das Grundgesetz gehe einerseits vom Fortbestand des deutschen Staatsvolkes aus, berücksichtige aber auch, daß die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich Staatsgebiet und Staatsvolk nicht ganz Deutschland umfasse. Auch nach Abschluß des Grundlagenvertrags sei die Deutsche Demokratische Republik ein anderer Teil Deutschlands, seien ihre Gerichte deutsche Gerichte. Von größter Bedeutung ist dann der diese Überlegungen abschließende Satz, daß erst dann, wenn eine Trennung der Deutschen Demokratischen Republik von Deutschland durch eine freie
Ausübung des Selbstbestimmungsrechts besiegelt wäre, sich die in der Deutschen Demokratischen Republik ausgeübte Hoheitsgewalt aus der Sicht des Grundgesetzes als eine von Deutschland abgelöste fremdstaatliche Gewalt qualifizieren ließe.
Das Ergebnis des Gerichts beruht letztlich auf zwei ineinander verschränkten Begründungen: Das Staatsvolk Deutschlands, das deutsche Volk, ist aus der Sicht des Grundgesetzes nicht auf die Bürger der Bundesrepublik Deutschland mit deutscher Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes beschränkt, sondern umfaßt wegen des Gebots der Wahrung der Einheit des deutschen Staatsvolkes grundsätzlich auch alle Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik als eines anderen Teiles Deutschlands. Solange ferner eine Trennung der Deutschen Demokratischen Republik von Deutschland nicht durch eine freie Ausübung des Selbstbestimmungsrechts eben des ganzen deutschen Volkes besiegelt ist, läßt sich die in der Deutschen Demokratischen Republik ausgeübte Hoheitsgewalt –
jedenfalls aus der Sicht des Grundgesetzes und auf die allein kommt es für die hier anstehende verfassungsrechtliche Prüfung an – nicht als eine von Deutschland abgelöste fremdstaatliche Gewalt qualifizieren.
Die Organe der Bundesrepublik Deutschland sind also von Verfassungswegen verpflichtet, für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschlanddenn nur über diese können sie verfügendem Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik grundsätzlich die  Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit beizumessen; so wird die verfassungsrechtlich gebotene Einheit des deutschen Staatsvolkes gewährleistet.
In einem letzten Schritt setzt der Senat dann der genannten Rechtswirkung eine verfassungsrechtliche Grenze: den ordre public der Bundesrepublik Deutschland. Als Stütze der Heranziehung und Geltung des ordre public der Bundesrepublik Deutschland als verfassungsrechtlicher Maßstab für eine gewisse Einschränkung der Anerkennung von Hoheitsakten der Deutschen Demokratischen Republik im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts bezieht sich der Senat auf zwei Entscheidungen aus dem Gebiet der innerdeutschen Rechtshilfe. Hinsichtlich der inhaltlichen Bestimmung der Grenzen, die der ordre public der Bundesrepublik Deutschland dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zufolge des Erwerbs der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik setzt, beschränkt sich das Gericht in erster Linie auf die zutreffende Feststellung, daß im zu entscheidenden Fall kein Anlaß bestand, auf diese sicherlich schwierige Problematik in den Gründen des Beschlusses näher einzugehen. Immerhin findet sich der Hinweis, daß im Zusammenhang des Staatsangehörigkeitsrechts Inhalt und Wirkungsweise des ordre public sich vor allem aus den Grundwertungen dieses Rechtsbereiches und insbesondere aus dem Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes bestimmen. Wenn auch in der staatsangehörigkeitsrechtlichen Praxis im geteilten Deutschland die Fälle selten sein dürften, in denen ein Eingreifen des ordre public der Bundesrepublik Deutschland in Frage kommt, so ist auf diese jedenfalls grundsätzlich wichtige Problematik später noch einzugehen.

 

2. Die völker- und deutschlandrechtliche Prüfung

Im zweiten, umfangreicheren Teil seines Beschlusses überprüft der Senat, ob seinem auf der Grundlage des Verfassungsrechts gefundenen und insoweit gebotenen Ergebnis Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus allgemeinem Völkerrecht oder ihren vertraglichen Bindungen mit der Deutschen Demokratischen Republik entgegenstehen. Die für eine Entscheidung eines Verfassungsgerichts in Staatsangehörigkeitsfragen auf den ersten Blick vielleicht überraschende Ausführlichkeit dieser Prüfung dürfte sich nicht zuletzt aus zwei miteinander verbundenen, verfassungs- und völkerrechtspolitischen Erwägungen erklären lassen: Dem Urteil zum Grundlagenvertrag war häufig vorgehalten worden, es habe das rechtliche Verhältnis zwischen den beiden Staaten in Deutschland zu sehr aus der Sicht des bundesdeutschen Verfassungsrechts gewürdigt und dabei die völkerrechtliche Komponente vernachlässigt. Zum anderen spricht in der Tat einiges dafür, daß im Bereich der internationalen Rechtsbeziehungen, wo es im Hinblick auf die völkerrechtliche Rechtsquellenlehre auf eine stete und einheitliche Praxis der zuständigen Staatsorgane ganz besonders ankommt, die von der für die Ausübung der auswärtigen Gewalt zuständigen Exekutive geführte Politik gerade auch nach außen, im völkerrechtlich relevanten Bereich, vom Bundesverfassungsgericht als einem hierzu aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Stellung in erheblichem Umfange berufenen Staatsorgans auf ihre Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Völkerrecht und vertraglichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland überprüft wird; in den in der Praxis wohl ganz deutlich überwiegenden Fällen, in denen eine solche Prüfung zum Ergebnis führt, daß die völkerrechtlich relevante Politik nicht dem Völkerrecht widerspricht, wird eine verfassungsgerichtliche Entscheidung, so sie völkerrechtlichen Qualitätsansprüchen genügt, die Beachtlichkeit der völkerrechtlich relevanten Bekundungen der für die Ausübung der auswärtigen Gewalt in erster Linie zuständigen Staatsorgane stärken. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei klargestellt, daß selbstverständlich weder eine verfassungswidrige noch eine offensichtlich völkerrechtswidrige auswärtige Politik vom Bundesverfassungsgericht mit der Begründung gebilligt werden darf, die Bundesrepublik Deutschland müsse im Völkerrechtsverkehr mit einer Stimme sprechen. Hinzuweisen ist aber schon an dieser Stelle auf einen erheblichen Unterschied in der Kontrolldichte des Bundesverfassungsgerichts: Im Hinblick auf die Auslegung der Verfassung ist es gegenüber allen anderen Staatsorganen mit der Befugnis ausgestattet, verfassungsrechtliche Fragen abschließend und für alle bindend zu entscheiden; dies beruht nicht zuletzt darauf, daß eine nationale Rechtsordnung ein mit abschließender Entscheidungsgewalt ausgestattetes Organ benötigt. Die Besonderheit der völkerrechtlichen Ordnung, in der es bekanntlich kein alle Rechtssubjekte bindendes, übergeordnetes internationales Organ gibt, bedingt nun, daß in vielen rechtlich umstrittenen Situationen eine eindeutige Einschätzung eines völkerrechtlich beachtlichen Akts als völkerrechtswidrig oder völkerrechtsgemäß nicht zu treffen ist. Dieser Befund rechtfertigt, unter verfassungs- wie völkerrechtlichem Blickwinkel, die Auffassung des Senats, den für die Ausübung der auswärtigen Gewalt zuständigen Staatsorganen bei der Prüfung ihrer Handlungen am Völkerrecht einen weiteren Beurtellungsspielraum zuzumessen als bei der Prüfung am Verfassungsrecht.
a) Die Prüfung des aus dem Verfassungsrecht gewonnenen Ergebnisses beginnt der Senat mit der Feststellung, daß die Bestimmung des Kreises der Staatsangehörigen durch einen Staat bestimmten Grenzen unterliege, die sich aus der Existenz und der Personalhoheit anderer Staaten ergeben; insbesondere dürfe die Staatsangehörigkeit nicht an sachfremde, mit dem jeweiligen Staat nicht in hinreichender Weise verbundene Sachverhalte geknüpft werden. Diese vom Völkerrecht gesetzten und von der Bundesrepublik Deutschland daher zu beachtenden Grundsätze würden nicht verletzt, wenn die Bundesrepublik Deutschland die Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik als zum Kreis der deutschen Staatsangehörigen im Sinne des Grundgesetzes zählend betrachtet, den damit gegebenen Status aber immer erst dann aktualisiert, wenn diese in den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland gelangen und die Aktualisierung hinnehmen oder begehren. Eine solche Anknüpfung, die das aus der Staatsangehörigkeit folgende Rechte- und Pflichtenverhältnis gegenüber den in der Deutschen Demokratischen Republik lebenden deutschen Staatsangehörigen in keiner Weise aktualisiert,. ist der Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich jedenfalls nicht verwehrt. Als Begründung hierfür nennt das Gericht die Rechtslage Deutschlands, die nicht nur durch die fortbestehenden Rechte und Verantwortlichkeiten der vier Hauptsiegermächte, sondern vor allem auch durch den Umstand gekennzeichnet ist, daß dem deutschen Volk seit der Niederlage des deutschen Staates im Zweiten Weltkrieg versagt geblieben ist, in freier Selbstbestimmung über seine politische Form zu entscheiden.
aa) Die Ausführungen des Senats zur Rechtslage Deutschlands gründen sich eindeutig auf das Urteil zum Grundlagenvertrag, das jedoch in völkerrechtlicher Hinsicht klärend ergänzt wird. Danach ist der im Jahre 1871 gegründete deutsche Staat nicht untergegangen, sondern besteht fort; die Bundesrepublik Deutschland ist identisch mit dem Völkerrechtssubjekt Deutsches Reich. Zur Stützung dieser sich aus dem Grundgesetz nach der verfassungsrechtlich ausschlaggebenden und bindenden Auslegung des Bundesverfassungsgerichts ergebenden Auffassung im Hinblick auf das Völkerrecht – und damit die völkerrechtliche Zulässigkeit des verfassungsrechtlich Gebotenen – führt der Senat aus, daß der im Jahre 1871 gegründete deutsche Staat weder mit der Kapitulation seiner Streitkräfte, der Auflösung der letzten Reichsregierung im Mai 194526, noch durch die Inanspruchnahme der obersten Gewalt in Bezug auf Deutschland, einschließlich der Befugnisse der deutschen Staatsgewalt, durch die vier Hauptsiegermächte am 5.Juni 1945 völkerrechtlich erloschen sei; vielmehr hätten die Vier Mächte ausdrücklich erklärt, daß die Inanspruchnahme dieser Gewalt nicht die Annektierung Deutschlands bewirke.
Auch bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik im Jahre 1949 sei dieser deutsche Staat nicht untergegangen; dies werde belegt etwa durch die Beschlüsse auf der Potsdamer Konferenz vom August 1945, die Ausübung der obersten Gewalt in bezug auf Deutschland als Ganzes in dessen auswärtigen Angelegenheiten etwa beim Abschluß völkerrechtlicher Verträge oder der Wahrnehmung der Rechtsstellung Deutschlands im Rahmen von internationalen Organisationen, denen Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg beigetreten war.
bb) Am Fortbestehen des deutschen Staates habe das Inkrafttreten der Verfassungen der beiden Staaten in Deutschland im Jahre 1949 nichts geändert, da beide Vorgänge nicht einen völkerrechtlichen Tatbestand eines Staatsuntergangs erfüllten.
Weder das Grundgesetz noch die auf seiner Grundlage gebildeten Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland hätten das Inkrafttreten des Grundgesetzes als Untergang des deutschen Staates gewertet; vielmehr habe sich die Bundesrepublik Deutschland von Beginn an als mit dem Völkerrechtssubjekt Deutsches Reich identisch betrachtet. An dieser Subjektsidentität habe nichts zu ändern vermocht, daß sich die gebietsbezogene Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland auf den räumlichen Anwendungsbereich des Grundgesetzes beschränke, da selbst eine endgültige Statusänderung von Teilen seines Staatsgebietes die Identität eines staatlichen Völkerrechtssubjekts nicht ändere
Diese Identität der Bundesrepublik Deutschland – in ihren gebietsbezogenen Grenzen – mit dem deutschem Staat sei auf der völkerrechtlichen Ebene auch von zahlreichen Staaten anerkannt worden. Als wichtigstes Beispiel wird genannt das Londoner Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953, aufgrund dessen die Bundesrepublik Deutschland die Verbindlichkeiten Deutschlands schuldet und nicht etwa eine Schuld- oder gar nur Haftungsübernahme für die Verbindlichkeiten eines untergegangenen Schuldners vereinbart worden sei. Auch, die Praxis der Wiederanwendung zahlreicher Vorkriegsverträge belege dies: Es handele sich nämlich um die Fortführung desselben, lediglich suspendierten Vertragsverhältnisses zwischen denselben ursprünglichen Parteien und nicht um einen Neuabschluß von Verträgen mit einem Rechtsnachfolger auf deutscher Seite, weshalb auch die Wiederanwendungserklärungen von den Staatsorganen der Bundesrepublik Deutschland nicht nach den verfassungsrechtlichen Regeln des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge, nämlich Art.59 GG, behandelt worden seien.
Anhand grundlegender Bestimmungen der am 7. Oktober 1949 in Kraft getretenen Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik zeigt der Senat, daß – zumindest damals – auch die Deutsche Demokratische Republik vom Fortbestand des deutschen Staates ausging. Dies gelte auch für die Sowjetunion, wie sich aus dem Erlaß des Präsidiums des Obersten Sowjet der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 15.Januar 1955 über die Beendigung des Kriegszustands zwischen der Sowjetunion und Deutschland ergebe. Im gleichen Erlaß und vielen anderen völkerrechtlich beachtlichen Akten habe sich, die Sowjetunion im übrigen ihre Rechtspositionen aus dem Viermächtestatus in bezug auf Deutschland als Ganzes und Berlin sowie in bezug auf eine Friedensregelung für Deutschland vorbehalten. Aus der New Yorker Erklärung der westlichen Hauptsiegermächte vom 18. September 1950 und insbesondere einer zugleich übermittelten, unveröffentlichten  “interprätative minute”; folge, daß auch sie vom Fortbestand des deutschen Staates ausgingen; so haben denn auch die Westmächte im Jahre 1951 den Kriegszustand mit Deutschland beendet. Ihre Rechtsauffassung, daß Deutschland als Völkerrechtssubjekt fortbestehe, habe sich in zahlreichen weiteren Vorgängen bekundet, von denen eine im Jahre 1985 abgegebene Erklärung des britischen Außenministers besondere Beachtung verdient. Auch hätten die Westmächte, gegenüber der Sowjetunion wie gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, bis in die Gegenwart an ihren Rechtspositionen in bezug auf Deutschland als Ganzes und Berlin festgehalten.
cc) Für die Jahre nach 1949 beschränkt sich der Senat im übrigen auf die allerdings entscheidende – Feststellung, daß wie auch immer die statusrechtliche Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik seither – etwa im Hinblick auf ihren Beitritt zu den Vereinten Nationen und den Abschluß des Grundlagenvertrags – zu werten sei, dies jedenfalls völkerrechtlich nichts an der Subjektsidentität der Bundesrepublik Deutschland mit dem deutschen Staat zu ändern vermocht hätte. Selbst wenn es sich bei der von der Deutschen Demokratischen Republik durchlaufenen Entwicklung um eine vollendete völkerrechtliche Sezession aus dem deutschen Staatsverband gehandelt hätte, was allein schon wegen des fortbestehenden Viermächtestatus Deutschlands als Ganzen ausgeschlossen sei, hätte das den Fortbestand des deutschen Staates nicht beenden können: Die Sezession eines Teilgebietes beendet nicht die Subjektsidentität des verbleibenden Teils, sofern dessen Staatlichkeit – was bei der Bundesrepublik Deutschland unstreitig ist – erhalten bleibt.
Von ausschlaggebender Bedeutung ist nach Ansicht des Senats jedoch nicht der Viermächtestatus Deutschlands als Ganzen, sondern der Umstand, daß eine endgültige Spaltung Deutschlands, d. h. eine völkerrechtliche Sezession der Deutschen Demokratischen Republik, nicht vom Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes gedeckt sei. Vielmehr halte das deutsche Volk in seiner überwiegenden Mehrheit sowohl in der Bundespublik Deutschland als auch in der Deutschen Demokratischen Republik an dem Willen fest, die Spaltung Deutschlands auf friedliche Weise zu überwinden und die volle staatliche Einheit wiederherzustellen.
Das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Volkes sei nach dem Zweiten Weltkrieg als Grundsatz des universalen Völkerrechts anerkannt worden; dies bekunde sich. in zahlreichen vertraglichen Festlegungen -und Äußerungen der Staatenpraxis außerhalb vertraglicher Rahmen. Die Bundesrepublik Deutschland habe von Anbeginn an das Selbstbestimmungsrecht des ganzen deutschen Volkes geltend gemacht, nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Abschluß der sogenannten Ostverträge; sie habe auch nach Abschluß des Grundlagenvertrags mit der Deutschen Demokratischen Republik am Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes festgehalten.
Auf dieser rechtlichen und tatsächlichen Grundlage gelangt der Senat dann zum Ergebnis, daß es nach Maßgabe des Völkerrechts keine sachwidrige und damit auch keine völkerrechtswidrige Anknüpfung darstellt, wenn durch staatsangehörigkeitsrechtliche Regelungen der Bundesrepublik Deutschland die rechtliche Form und Gestalt des deutschen Volkes als Trägers des Selbstbestimmungsrechts im Sinne des allgemeinen universalen Völkerrechts bis zudem Zeitpunkt gewahrt bleiben soll, zu dem ihm die freie Ausübung dieses Rechts möglich wird. Der Senat läßt dann ausdrücklich offen, auf welche Art und Weise dieses Recht wahrzunehmen sei, um den Anforderungen an seine freie Ausübung zu genügen.
b) Nach dieser Prüfung am allgemeinen Völkerrecht wendet sich das Gericht der Frage zu, ob das verfassungsrechtlich gebotene und völkerrechtlich zulässige Ergebnis vertragliche Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik verletzt. Dabei kommt es zum Ergebnis, daß es weder der Protokollerklärung der Bundesrepublik Deutschland anläßlich der Unterzeichnung des Grundlagenvertrags noch ihrem Brief zur deutschen Einheit widerspreche, dem Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland die Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes beizumessen. Der Deutschen Demokratischen Republik sei bei Vertragsschluß bekannt gewesen, daß das Grundgesetz an der einen deutschen Staatsangehörigkeit festgehalten habe. Aber auch ungeachtet dieser Protokollerklärung und des Briefes verletze die genannte Rechtswirkung keine Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus dem Grundlagenvertrag: Sie widerspreche nicht der nach Maßgabe des Grundlagenvertrags zu respektierenden Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Deutschen Demokratischen Republik. Sie bedeute auch nicht Ausübung von Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland auf dem Staatsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik und hindere oder beeinträchtige diese nicht darin, die Staatsangehörigkeit ihrer Bevölkerung zu regeln; schließlich ergebe sich aus ihr auch nicht, daß die Bundesrepublik Deutschland Pflichten der deutschen Staatsangehörigen aus diesem Status in Anspruch nehmen dürfe, solange jene sich im Hoheitsbereich der Deutschen Demokratischen Republik befinden.
Bei Abschluß des Grundlagenvertrags war der Deutschen Demokratischen Republik die unterschiedliche Auffassung der Bundesrepublik Deutschland zur nationalen Frage ebenso bekannt wie deren Auffassung vom Bestehen zweier Staaten in Deutschland, die für einander nicht Ausland sind. Vor wie nach Abschluß des Grundlagenvertragg haben die Bundesregierungen wiederholt erklärt, daß im Abschluß dieses Vertrages eine völkerrechtliche Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik in dem Sinne, daß beide Staaten zueinander Ausland wären, nicht gesehen werden könne. Diese Bekundungen, etwa auch beim gleichzeitigen Beitritt der beiden Staaten zu den Vereinten Nationen, stellten nicht bloße Verbalvorbehalte dar, die am faktisch zu bemessenden Tatbestand einer
völkerrechtlichen Anerkennung nichts zu ändern vermochten; vielmehr verwahrten sie den Rechtsstandpunkt der Bundesrepublik Deutschland, daß sich ihr Rechtsverhältnis zur Deutschen Demokratischen Republik nicht ausschließlich nach Völkerrecht bemesse. Hiervon werde die Souveränität beider Staaten im Verhältnis zu dritten Staaten nicht berührt oder in Frage gestellt.
c) Im letzten Abschnitt des Urteils finden sich dann die anfangs angesprochenen Ausführungen des Senats zum Umfang seiner Kontrolle der völkerrechtlichen Beurteilung der Rechtslage Deutschlands und seiner Teile; diese möge zwar zwischen den Staaten umstritten sein, der völkerrechtlichen Beurteilung durch die zuständigen Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland könne das Bundesverfassungsgericht aber nur entgegentreten, wenn sie offensichtlich völkerrechtswidrig wäre. Davon könne jedoch keine Rede sein.

 

III. Würdigung des Beschlusses

Wie anfangs schon bemerkt, hat der Beschluß des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts beträchtliche Auswirkungen über den Bereich des Rechts der Staatsangehörigkeit hinaus auf das rechtliche Verhältnis zwischen den beiden Staaten in Deutschland. Angesichts der neuerlichen Aussagen zu Inhalt und rechtlicher Qualität des grundgesetzlichen Wiedervereinigungsgebots wird er aber auch im Rahmen des fortschreitenden Integrationsprozesses innerhalb der Europäischen Gemeinschaften zu beachten sein.

 

1. Grundsätzliche Vorbemerkung

Für die wegen der zunehmenden internationalen Verflechtung der Bundesrepublik Deutschland sicherlich zahlreicher werdenden verfassungsgerichtlichen Verfahren mit internationalrechtlichen Bezügen ist die Vorgehensweise des Gerichts bedeutsam, das auf dem Boden der Verfassung gewonnene Ergebnis an den Bindungen der Bundesrepublik Deutschland aus dem Völkerrecht zu überprüfen. Zwar ist in diesem Ansatz sicher nicht eine Hinwendung zu einem monistischen Verständnis des Verhältnisses von Völkerrecht und bundesdeutschem Verfassungsrecht zu sehen, in welchem dem Völkerrecht grundsätzlich der Vorrang zukäme, da sich aus anderen Entscheidungen der jüngeren Zeit vielmehr deutliche Hinweise
auf ein dualistisches Verständnis ergeben, zufolge dessen Normen des Völkerrechts nicht in das nationale Recht der Bundesrepublik Deutschland
transformiert und somit als nationale Normen anwendbar werden, sondern den deutschen Rechtsanwendern vom nationalen Recht der Befehl zur
Anwendung der völkerrechtlichen Norm als solcher erteilt wird; zutreffend scheint jedoch die Einschätzung, daß eine auf dem nationalen Recht der Bundesrepublik Deutschland – namentlich ihrer Verfassung – beruhende, von ihm möglicherweise zwingend gebotene Rechtsauffassung zu Sachverhalten mit internationalen Bezügen nur dann als sinnvoll erscheint, wenn sie Normen des Völkerrechts nicht widerspricht, da eine solche Auffassung nur unter diesen Voraussetzungen begründete Aussichten auf internationale Anerkennung und ;Beachtung finden kann.
Ein weiterer Grund für die sorgfältige Berücksichtigung gegebenenfalls
entgegenstehender völkerrechtlicher Bindungen der Bundesrepublik
Deutschland durch ihre Staatsorgane liegt in der vom Gericht in mehreren
Entscheidungen gerade aus jüngster Zeit betonten Aufgabe, das Entstehen
völkerrechtlicher Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihr zurechenbarer völkerrechtswidriger Handlungen ihrer Staatsorgane nach Möglichkeit zu vermeiden. Andererseits ist zu beachten, daß das Gericht hinsichtlich der völkerrechtlichen Beurteilung jedenfalls der
Rechtslage Deutschlands den zuständigen Staatsorganen der Bundesrepublik Deutschland, d. h. in erster Linie Regierung und Parlament, einen
verhältnismäßig weiten Freiraum zugesteht: Erst wenn eine solche Handlung offensichtlich völkerrechtswidrig wäre, könnte das Bundesverfassungsgericht ihr entgegentreten60. Hinsichtlich der Beachtlichkeit des Völkerrechts als Prüfungsmaßstab des Gerichts ergibt sich hieraus folgende Unterscheidung: In den Fällen, in denen eine eindeutige völkerrechtliche Bindung der Bundesrepublik Deutschland besteht, die auf Völkervertrags-oder Völkergewohnheitsrecht beruhen kann, behält sich das Bundesverfassungsgericht zwecks Vermeidung des Entstehens einer völkerrechtlichen Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland eine umfassende Prüfung vor; insofern besteht also kein Beurteilungsspielraum für Regierung, Parlament und Gerichte, der über das hinausgeht, was im Rahmen der Auslegung von Normen notwendig gegeben ist. In den in der Praxis sicher
zahlreichen Fällen, in denen sich eindeutige völkerrechtliche Regeln wegen
der besonderen Struktur des Völkerrechts nicht feststellen lassen, genießt
die Bundesregierung als das in erster Linie zur Wahrnehmung der auswärtigen Beziehungen befugte Staatsorgan einen wesentlich größeren Freiraum: Erst bei offensichtlich völkerrechtswidrigen Rechtsauffassungen wird das Bundesverfassungsgericht einschreiten. Hierin darf jedoch nicht eine Unterwerfung des Gerichts unter ein politisches Staatsorgan in Rechtsfragen gesehen werden; vielmehr trägt eine solche Haltung dem Umstand Rechnung, daß das Völkerrecht eine Rechtsordnung ist, in der mangels umfassend befugter, zentraler Entscheidungsinstanzen Rechtsbehauptungen eine ganz erhebliche Rolle bei der Herausbildung oder Festigung einer Norm oder einer Rechtslage spielen. Letztlich steht hinter der dargestellten Grundhaltung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts wohl auch ein Verständnis der Gewaltenteilung im Beder Handhabung auswärtiger Politik,- das der Exekutive eine ganz eindeutige Vorrangstellung gegenüber Legislative und judikative zuspricht.

 

2. Die staatsangehörigkeitsrechtlichen Auswirkungen

Wenn auch die staatsangehörigkeitsrechtlichen Ausführungen des Beschlusses notwendig eng mit den Aussagen zur Rechtslage Deutschlands verbunden sind, sollen doch seine wichtigsten staatsangehörigkeitsrechtlichen Auswirkungen getrennt aufgezeigt werden. Wichtig ist hierfür zunächst, daß das Gericht offenbar unterscheidet zwischen denjenigen Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik, auf welche auch die Erwerbstatbestände des RuStAG von 1913 zutreffen und die auch ganz überwiegend als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes angesehen wurden und werden, und solchen Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik, welche die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik aufgrund von dortigen Vorschriften erworben haben, die keine Entsprechung in den Erwerbstatbeständen des RuStAG oder sonstigen gesetzlichen Bestimmungen der im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsordnung finden.
a) Hinsichtlich der ersten Gruppe, welche die ganz überwiegende
Mehrheit der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik darstellt, ist auch weiterhin davon auszugehen, daß  diese Personen, die also die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik aufgrund eines Erwerbstatbestandes des dortigen Rechts erworben haben, der eine Entsprechung im RuStAG findet, die deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes unmittelbar erlangt haben und nicht etwa – wie der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall – kraft einer Akzeptanznorm der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsordnung.
Diese Auffassung läßt sich zu Recht aus Art. 123 Abs. 1 GG begründen,
wonach das RuStAG fortgilt, soweit es nicht dem Grundgesetz widerspricht. Dies bedeutet, daß die Bestimmungen des RuStAG ungebrochen als fortgeltend anzusehen sind und Art. 123 Abs. 1 GG nicht etwa einen neuerlichen Geltungsgrund oder Geltungsbefehl darstellt. Andererseits bedarf es aber für eine Rechtsfolgenanordnung, nämlich des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes, die nicht in dem nach Art. 123 Abs.1 GG fortgeltenden Recht enthalten war, einer eigenen Geltungsgrundlage im Recht der Bundesrepublik Deutschland, falls sie in deren Hoheitsbereich bindend sein soll. b) Diese Akzeptanznorm findet das Bundesverfassungsgericht – im Unterschied zum Bundesverwaltungsgericht – im Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes, dem es ein staatsangehörigkeitsrechtliches Wahrungsgebot entnimmt.
Dies bedeutet zunächst, daß das Gericht, was angesichts mancher Diskussionen der jüngeren Zelt durchaus beachtlich ist, ausdrücklich seine frühere Rechtsprechung bestätigt, wonach der Präambel des Grundgesetzes rechtliche Bedeutung zuzumessen und in ihr insbesondere ein verfassungsrechtliches Wiedervereinigungsgebot verankert sei. Dieses Wiedervereinigungsgebot bedinge nicht nur die Pflicht aller Verfassungsorgane, im Rahmen eines grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraums in ihrer Politik auf die Erreichung dieses Ziels hinzuwirken, sondern führe auch zu einem Wahrungsgebot, nämlich alles zu unterlassen, was die Wiedervereinigung vereiteln würde; für den Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts sei dieses Wahrungsgebot in Art. 116 Abs. 1, 16 Abs. 1 GG von der Verfassung selbst konkretisiert. Aus der Präambel und Art. 146 GG folge eindeutig der Wille des Verfassungsgebers, die Bundesrepublik Deutschland als
Reorganisation eines Teilbereiches des deutschen Staates, seiner Staatsgewalt, seines Staatsgebietes und seines Staatsvolkes, zu begreifen. Das Festhalten an der einen deutschen Staatsangehörigkeit in Art.116 Abs.1, 16 Abs.1 GG und damit an der Identität des Staatsvolkes des deutschen Staates wird als deutlichstes Zeichen des Verständnisses von der Subjektsidentität der Bundesrepublik Deutschland mit dem deutschen Staat gewertet.
Aus einer Verknüpfung dieser Subjektsidentität mit dem Wahrungsgebot folgert der Senat, daß es Aufgabe aller Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland sei, die Einheit des deutschen Staatsvolkes nach Möglichkeit zukunftgerichtet auf Dauer zu erhalten. Dies ist deshalb entscheidend, weil das Gericht schon an dieser Stelle vom deutschen Volk als Träger des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts spricht, des Rechts, das für die Begründung seiner Auffassung zur Rechtslage Deutschlands von ausschlaggebender Bedeutung ist. In der Tat wird allein dadurch, daß grundsätzlich jeder Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik, ungeachtet der Qualität des Erwerbsgrundes, zugleich den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes bewirkt, verhindert, daß eine möglicherweise in der Zukunft noch zunehmende Zahl von Staatsbürgern der Deutschen Demokratischen Republik nicht zugleich auch deutsche Staatsangehörige im Sinne des Grundgesetzes sind; eine solche Entwicklung führte zweifellos zu einer erheblichen Schwächung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Einheit des deutschen Volkes und damit der rechtlichen Wirkkraft seines Anspruches auf Beachtung seines völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts. Wichtig er-; scheint auch der Umstand, daß das Bundesverfassungsgericht mehrfach äußert und damit zugleich wohl auch betont, daß die grundsätzliche Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes durch den Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland eintritt; dem dürfte die zutreffende völkerrechtliche Erwägung zugrundeliegen, daß es der Bundesrepublik Deutschland, wegen der dargestellten Besonderheiten der Rechtslage Deutschlands, von Völkerrechts wegen zwar gestattet ist, grundsätzlich alle Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik als deutsche Staatsangehörige im Sinne des Grundgesetzes zu behandeln, sofern diese es wünschen, andererseits aber nicht etwa Drittstaaten in ihrem Rechtsverkehr mit der Deutschen Demokratischen Republik an diese Auffassung der Bundesrepublik Deutschland von Völkerrechts wegen gebunden sind, wobei es fraglosvorrangiges Ziel ihrer Politik bleiben muß, die Beachtung dieser Rechtsauffassung durch solche Drittstaaten zu erreichen.
Im Ergebnis führt dies dazu, daß die Staatsorgane der Deutschen Demokratischen Republik, obwohl in der Ausübung ihrer Hoheitsgewalt nicht dem Grundgesetz unterworfen, durch bestimmte Rechtsakte den Status eines deutschen Staatsangehörigen im Sinne des Grundgesetzes vermitteln.
Diesen Umstand hinnehmen zu müssen, erscheint in der Tat als die allein mögliche Rechtsfolge der im Grundgesetz nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verankerten Grundlage des Staatsverständnisses, daß die Bundesrepublik Deutschland, was Staatsvolk und Staatsgebiet angeht, nicht ganz Deutschland umfaßt, sondern auch die Deutsche Demokratische Republik ein anderer Teil Deutschlands ist und damit auch alle ihre Staatsbürger grundsätzlich deutsche Staatsangehörige im Sinne des Grundgesetzes sind. Schon an dieser Stelle findet sich der für die deutschlandrechtlichen Problemkreise grundlegende Satz, daß erst die in freier Ausübung des Selbstbestimmungsrechts vollzogene Abtrennung der Deutschen Demokratischen Republik von Deutschland die in der Deutschen Demokratischen Republik ausgeübte Hoheitsgewalt aus der Sicht des Grundgesetzes als fremdstaatliche Gewalt qualifizierte. Dies hätte zur, Folge, daß staatsangehörigkeitsrechtlichen Hoheitsakten dieser dann fremdstaatlichen Gewalt auch nicht mehr die grundsätzliche Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes zugemessen werden könnte; ferner wäre es dann äußerst fraglich, ob die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland weiterhin in völkerrechtlich zulässiger Weise wenigstens diejenigen Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik als deutsche Staatsangehörige im Sinne des Grundgesetzes ansehen dürfte, welche die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik aufgrund von Vorschriften erworben haben, die eine Entsprechung im RuStAG finden. Das Ergebnis, daß grundsätzlich alle Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik zugleich auch deutsche Staatsangehörige im Sinne des Grundgesetzes sind,nerweist sich somit als folgerichtiger Schluß des dem Staat Bundesrepublik Deutschland zugrundeliegenden Ziels, alle rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für eine freie Ausübung des Selbstbestimmungsrechts des ganzen deutschen Volkes nach Möglichkeit zu erhalten bzw. zu schaffen.
Die Erhaltung gerade der rechtlichen Einheit des deutschen Volkes als
Trägers des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts erscheint als essentielle Voraussetzung für ein aussichtsreiches Bemühen um die Anerkennung und Durchsetzung des Anspruches auf freie Ausübung dieses Selbstbestimmungsrechts. Dieser Umstand verlangt und rechtfertigt es, staatsangehörigkeitsrechtlichen Hoheitsakten der Staatsorgane der Deutschen Demokratischen Republik als zwar nicht dem Grundgesetz unterworfene, aber gleichwohl als deutsche Hoheitsgewalt zu qualifizierende Staatsgewalt grundsätzlich Rechtswirkung für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland beizumessen.
c) Diese Rechtswirkung gilt aber nicht ausnahmslos, sondern nur
grundsätzlich, und findet ihre verfassungsrechtliche Grenze am ordre public der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland.
aa) Auf den ersten Blick fällt auf, daß der Senat den ordre public der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und nicht des Deutschen Reiches heranzieht. Dies wäre damit zu begründen gewesen, daß es sich bei der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes eben nicht allein um die Staatsangehörigkeit der Bürger der Bundesrepublik Deutschland handelt, sondern von ihr alle diejenigen Personen umfaßt werden, die staatsangehörigkeitsrechtlich mit dem Deutschen Reich verbunden und Angehörige des deutschen Volkes als seines Staatsvolkes sind.
Die (gesamt-)deutsche Staatsangehörigkeit stellte dabei einen der Restbestände fortgeltenden Reichs- oder gesamtdeutschen Verfassungsrechts dar. Der Grund der Entscheidung des Gerichts für die Heranziehung des ordre public der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland mag darin gesehen werden, daß dies eher mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats vereinbar ist; ist die Bundesrepublik Deutschland mit dem Rechtssubjekt Deutsches Reich identisch, so läßt es sich auch begründen, den ordre public ihrer Rechtsordnung als Maßstab für die Akzeptanz staatsangehörigkeitsrechtlicher Hoheitsakte der Behörden der Deutschen Demokratischen Republik als zwar deutscher, aber nicht der Rechtsordnung des Grundgesetzes unterworfener Staatsgewalten heranzuziehen.
Schließlich ist zu betonen, daß jedenfalls im Hinblick auf Fragen der deutschen Staatsangehörigkeit zwischen beiden Vorstellungen, denen es letztlich vor allem um die Erhaltung der Einheitlichkeit der deutschen Staatsangehörigkeit als essentielle Voraussetzung der weitestmöglichen Bewahrung der Einheit des deutschen Staatsvolkes gehen muß, inhaltlich keine großen Unterschiede bestehen. Angesichts des deutlich pragmatischen Ansatzesdes Senats, der sich, was angesichts der Auseinandersetzungen im Schrifttum nur als bewußter Schritt zu verstehen ist, jeglicher ausdrücklicher Stellungnahme zum sogenannten Theorienstreit enthält, erscheint es folgerichtig, eine für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserhebliche Frage in den Gründen des Beschlusses nicht näher zu erörtern.
Letztlich nicht völlig zu überzeugen vermag schließlich der Einwand,
die Heranziehung des ordre public der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland sei systemwidrig, weil auf dieses Rechtsinstitut dann zurückzugreifen sei, wenn die Anwendung fremden Rechts Grundwertungen der eigenen Rechtsordnung, insbesondere der Verfassung widerspreche. Nach der Entscheidung des Senats ergebe sich aber die Beachtlichkeit bestimmter staatsangehörigkeitsrechtlicher Hoheitsakte der Deutschen Demokratischen Republik aus dem Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes; weshalb sich die Anwendung des ordre public letztlich gegen die eigene Verfassung richte. Diese Auffassung übersieht, daß der Senat mehrfach betont hat, daß es sich bei der in der Deutschen Demokratischen Republik
ausgeübten Hoheitsgewalt zwar nicht um fremdstaatliche, sondern um
deutsche, aber nicht dem Grundgesetz unterworfene Staatsgewalt handelt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Bundesrepublik Deutschland sich mit dem Rechtssubjekt Deutschland hinsichtlich des Staatsvolkes nicht als völlig identisch sieht und im Interesse der weltestmöglichen Wahrung der Einheit des deutschen Staatsvolkes die Beachtlichkeit bestimmter staatsangehörigkeitsrechtlicher Hoheitsakte der Deutschen Demokratischen Republik hinnimmt, bedeutet die Lösung des Senats, daß das Rechtsinstitut des ordre public, präziser als bisher zumeist
formuliert, bei der Anwendung nicht nur fremdstaatlichen Rechts, sondern jedes nicht unter der Geltung des Grundgesetzes gesetzten Rechts eingreifen kann.
bb) Durchaus in Einklang mit dem erwähnten pragmatischen Vorgehen
enthält der Beschluß keine umfangreichen Darstellungen zum Inhalt des ordre public der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf von der Deutschen Demokratischen Republik gesetzte staatsangehörigkeitsrechtliche Hoheitsakte. Dies war im zu entscheidenden Fall in der Tat nicht notwendig. Immerhin findet sich in Übereinstimmung mit einem Verständnis des ordre public als eines funktionalen, auf den jeweiligen Bereich des betroffenen Rechtsgebietes bezogenen Begriffs der Hinweis, daß sich der Inhalt. des ordre public der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in Fragen des Staatsangehörigkeitsrechts vor allem an den grundlegenden Wertungen dieses Rechtsgebiets, namentlich am Wiedervereinigungsgebot zu orientieren hat.
Für Einbürgerungen in der Deutschen Demokratischen Republik, die
aufgrund von Vorschriften erfolgen, die im RuStAG keine Entsprechung
finden, und deren Beachtlichkeit daher auf der Grundlage der Akzeptanznorm Wiedervereinigungsgebot beruht, folgt im Hinblick auf das grundlegende Ziel, die Einheit des deutschen Staatsvolkes weitestmöglich zu wahren, daß solche Einbürgerungen grundsätzlich zu akzeptieren sind, sie also zugleich den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit im: Sinne des Grundgesetzes bewirken. Ausnahmen sind Wohl nur dann denkbar, wenn sich im Einzelfall deutlich zeigt, daß die eingebürgerte Person über keinerlei Bindungen an Deutschland, an das deutsche Staätsvolk verfügt.
Problematisch erscheinen vor allem die Fälle, in denen der Eingebürgerte durch sein Verhalten nachhaltig gegen das, Wiedervereinigungsgebot als Kriterium der inhaltlichen Bestimmung des ordre public verstoßen hat.
Die Frage der Beachtlichkeit von in der Deutschen Demokratischen
Republik vorgenommenen Ausbürgerungen läßt sich einmal dadurch lösen, daß man die Wirkkraft der grundgesetzlichen Akzeptanznorm Wiedervereinigungsgebot auf solche Hoheitsakte nicht erstreckt; eines Rückgriffes auf den ordre public der Rechtsordnung der Bundesrepublik
Deutschland bedarf es dann nicht76. Aber auch bei Anwendung des staatsangehörigkeits- und grundrechtlich bestimmten ordre public käme Ausbürgerungen durch Hoheitsakte der Deutschen Demokratischen Republik wegen der grundlegenden Bestimmung des Art. 16 Abs.1 GG nur dann Rechtswirkung im Hinblick auf die deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes zu, wenn die zugrundeliegende- Norm des Staatsbürgerschaftsrechts der Deutschen Demokratischen Republik in Inhalt und Anwendung eine Entsprechung im RuStAG fände. Der Senat mußte zu der Frage von Ausbürgerungen im zu entscheidenden Fall nicht Stellung nehmen; ob aus der Formulierung, daß dem Erwerb der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen des ordre public die Rechtswirkung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit beizumessen ist, gefolgert werden kann, daß der Senat die Akzeptanznorm Wiedervereinigungsgebot nur auf den Erwerb, nicht aber auf Verlust und Entzug der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik angewendet wissen will, was der ersten Lösung entspräche, muß offen bleiben. Immerhin ist zu unterstreichen, daß sich hinsichtlich der Behandlung von Entlassungen aus der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik für die Praxis der Behörden der Bundesrepublik Deutschland aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Änderungen ergeben.
d) Ferner ist darauf hinzuweisen, daß der Senat betont, daß eine Aktualisierung der Rechte und Pflichten aus der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes gegenüber Staatsbürgern der Deutschen Demokratischen Republik nur dann nicht gegen völker- und deutschlandrechtliche Bindungen der Bundesrepublik Deutschland verstößt und somit rechtmäßig ist, wenn sich die Berechtigten im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und die Inanspruchnahme dieses Status begehren oder jedenfalls hinnehmen. In diesem Fall handelt es sich eindeutig nicht um einen Eingriff in die Hoheitsgewalt der Deutschen Demokratischen Republik. Die einschlägige Praxis der Behörden der Bundesrepublik Deutschland scheint, nach anfänglichen Unklarheiten und abgesehen von einigen Einzelfällen, diesen vom Bundesverfassungsgericht bestätigten  Vorgaben zu entsprechen Hinsichtlich der vor allem politisch immer wieder umstrittenen Frage der Anerkennung der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik ergibt sich aus dem Beschluß, daß eine solche Anerkennung in dem – von der Deutschen Demokratischen Republik in der Vergangenheit immer wieder geforderten – Sinne, daß der Besitz der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik ein gleichzeitiges Innehaben der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Grundgesetzes ausschließe, wegen Verstoßes gegen das Wiedervereinigungsgebot in seiner Ausformung des staatsangehörigkeitsrechtlichen Wahrungsgebotes verfassungswidrig wäre. In diesem Bereich hat das Bundesverfassungsgericht den für die Deutschlandpolitik zuständigen Staatsorganen eine klare Richtschnur gegeben. Im Ergebnis haben also grundsätzlich alle Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik, jedenfalls für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, zwei Staatsangehörigkeiten: die Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik und die unter be- …………………………………

…..völkerrechtlich als occupatio bellica, nicht als eine den völkerrechtlichen Untergang bewirkende debellatio anzusehen, was sich nicht zuletzt aus den einschlägigen, völkerrechtlich beachtlichen Handlungen und Aussagen der vier Hauptsiegermächte ergibt: Einmal stellten diese klar, daß die Inanspruchnahme der obersten Gewalt in bezug auf Deutschland nicht dessen Annektierung bedeute zum anderen haben sie sich bis zum heutigen Tag ihre Rechte in bezug auf Deutschland als Ganzes und Berlin vorbehalten.

Die Bundesrepublik Deutschland ist als Völkerrechtssubjekt identisch
mit dem im Jahre 1871 gegründeten deutschen Staat, was im Grundgesetz deutlich zum Ausdruck kommt und im völkerrechtlichen Verkehr von vielen Staaten anerkannt wurde. Diese Subjektsidentität wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß sich die gebietliche Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland auf den räumlichen Anwendungsbereich des Grundgesetzes beschränkt, da selbst eine endgültige Statusänderung von Teilen seines Staatsgebiets nach Völkerrecht die Identität eines staatlichen Völkerrechtssubjekts nicht verändert.

Selbst wenn man in der von der Deutschen Demokratischen Republik
seit dem Jahre 1949 durchlaufenen rechtlichen Entwicklung eine vollendete völkerrechtliche Sezession aus dem deutschen Staatsverband sähe, was schon allein wegen des fortbestehenden Viermächtestatus Deutschlands als Ganzen ausgeschlossen ist, bewirkte dies in keinem Fall den Untergang des deutschen Staates. Da selbst eine vollendete, völkerrechtlich wirksame Sezession eines Teilgebietes nicht die völkerrechtliche Subjektsidentität des verbleibenden staatlichen Teils verändert85, kann die von der Deutschen Demokratischen Republik durchlaufene Entwicklung die genannte Subjektsidentität der Bundesrepublik Deutschland mit dem fortbestehenden deutschen Staat nicht beeinträchtigen.
– Die im Rahmen der auf diese Sezession der Deutschen Demokratischen Republik zielende Politik erfolgte Aufnahme der beiden Staaten in Deutschland in die Vereinten Nationen bewirkt, daß die Deutsche Demokratische Republik spätestens seit diesem Zeitpunkt als Staat im Sinne des Völkerrechts anzusehen ist. Die Spaltung Deutschlands in diese beiden Staaten ist jedoch nicht vom völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrecht gedeckt, dessen Träger das ganze deutsche Volk ist.

Der Umstand, daß dem deutschen Volk der ihm in seiner Gesamtheit
zustehende Anspruch auf freie Ausübung des vom allgemeinen Völkerrecht mittlerweile als essentielle Grundlage der internationalen Rechtsordnung anerkannten Selbstbestimmungsrechts vorenthalten wurde, erlaubt es der Bundesrepublik Deutschland, in ihrem Verhältnis zur Deutschen Demokratischen Republik vom Fortbestand auch staatsrechtlicher Bindungen auszugehen. Es ist der Bundesrepublik Deutschland auf dieser Rechtsgrundlage vom Völkerrecht nicht untersagt, die Deutsche Demokratische Republik im bilateralen Verhältnis nicht als Ausland, sondern als nicht dem Grundgesetz unterworfenen Teil Deutschlands anzusehen. Dieser Umstand gestattet ihr von Völkerrechts wegen auch das Festhalten an der einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit.

Das gleiche Ergebnis läßt sich auch auf den fortbestehenden Viermächte-Status Deutschlands als Ganzen und Berlins stützen, der einem einseitigen Ausscheiden der Deutschen Demokratischen Republik aus diesem Status und damit dem fortbestehenden deutschen Staatsverband entgegensteht. –
Die von den zuständigen Staatsorganen der Bundesrepublik Deutschland durchgängig bis auf den heutigen Tag befolgte, völkerrechtlich relevante Praxis, die Deutsche Demokratische Republik im Rechtsverhältnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht völkerrechtlich anzuerkennen gestattet es dieser vor dem Völkerrecht, ihr Verhältnis zur Deutschen Demokratischen Republik als nicht ausschließlich vom allgemeinen Völkerrecht bestimmt anzusehen.

Die von den zuständigen Staatsorganen der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Abschluß des Grundlagenvertrags zwischen den beiden Staaten in Deutschland abgegebenen, völkerrechtlich beachtlichen Bekundungen und Erklärungen bewirken, daß das Festhalten am Fortbestand der einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit die nach Maßgabe der Bestimmungen. des Grundlagenvertrages von der Bundesrepublik Deutschland zu achtende Selbständigkeit; und Unabhängigkeit der Deutschen Demokratischen Republik nicht verletzt. Dies steht unter der Voraussetzung, daß die Bundesrepublik Deutschland Pflichten aus diesem staatsangehörigkeitsrechtlichen Status nicht im Hoheitsbereich der Deutschen Demokratischen Republik in Anspruch nimmt, sondern die aus diesem Status folgenden Rechte und Pflichten immer erst dann aktualisiert, wenn die Betroffenen in den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland gelangen und die Aktualisierung hinnehmen oder begehren. – Im Hinblick auf die Sicherung der effektiven Möglichkeit der freien Ausübung des vom allgemeinen Völkerrecht verbrieften Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes ist eine auf die Wahrung der Einheitlichkeit der deutschen Staatsangehörigkeit als völkerrechtlich ausschlaggebendes Bestimmungsmerkmal der Zugehörigkeit zum deutschen Volk als
des Trägers des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts zielende
Rechtsauffassung auch in der vom Grundgesetz geforderten, auf die Zukunft bezogenen Ausrichtung von Völkerrechts wegen zulässig.
Unter den deutschlandrechtlichen Aussagen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts verdient, insbesondere im Vergleich mit dem Inhalt des Urteils zum Grundlagenvertrag, die Heranziehung des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts des ganzen deutschen Volkes als Grund für die völkerrechtliche Zulässigkeit der Rechtsauffassung der Bundesrepublik Deutschland zu den mit der Rechtslage Deutschlands zusammenhängenden Rechtsfragen besondere Beachtung und Zustimmung. Zum einen trägt der Senat damit der jüngeren völkerrechtlichen Entwicklung Rechnung und stützt sich hierbei auf ein Rechtsinstitut, dessen deutschlandrechtliche Auswirkungen sich den für den Völkerrechtsverkehr zuständigen Organen dritter Staaten gut vermitteln lassen sollten. Zum anderen steht zu befürchten, daß mehr als 40 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die deutschlandrechtliche Rechtsauffassung der Bundesrepublik Deutschland, wenn sie ausschließlich auf den fortbestehenden Viermächtestatus Deutschlands als Ganzen und Berlins gestützt würde, Gefahr liefe, im Völkerrechtsverkehr als zunehmend unbeachtlich angesehen zu werden, weil sie im Rahmen einer allein auf die Effektivität bezogenen Sichtweise nicht mehr stichhaltig erschiene. Es überzeugt daher, daß der Senat für die völkerrechtliche Zulässigkeit der dargestellten Rechtsauffassung der Bundesrepublik Deutschland die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes und nicht den fortbestehenden Viermächtestatus Deutschlands als Ganzen als ausschlaggebend erachtet.

 

4. Europarechtliche Auswirkungen

Ausgelöst durch die Vereinbarung der Verwirklichung des Binnenmarktes innerhalb der Europäischen Gemeinschaften und die an Intensität zunehmenden Bemühungen um eine stärkere politische und rechtliche Integration ihrer Mitgliedstaaten hat in jüngster Zeit die Diskussion um die bisweilen in Frage gestellte Vereinbarkeit von Westintegration und Wiedervereinigung eine deutliche politische und publizistische Belebung erfahren. Eine gründliche Untersuchung, ob sich insoweit aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere aus dem hier dargestellten Beschluß, klare verfassungsrechtliche Vorgaben und Grenzen ableiten lassen, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Immerhin sollen jedoch zumindest einige für die künftige Europapolitik einer jeden Bundesregierung beachtliche Grundaussagen zueinander in Bezug gesetzt werden.
Für den Prozeß der europäischen Einigung ist zunächst von Bedeutung,
daß sehr vieles dafür spricht, daß die Bezugnahme auf ein vereintes Europa in der Präambel des Grundgesetzes keineswegs auf die früheren oder jetzigen Mitglieder der Europäischen Gemeinschaften oder auch des Europarats beschränkt ist. Insoweit bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse die in Gang gekommene gedankliche und auch tatsächliche Wandlung in den nicht dem Europarat angehörenden Staaten Europas hervorbringen wird.
Für die fortschreitende Integration im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften ist aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts von Bedeutung, daß das Bundesverfassungsgericht gerade in jüngster Zeit zum einen wiederholt hat, daß die Mitgliedstaaten auch weiterhin die Herren der Gemeinschaftsverträge sind und daß ferner den Europäischen Gemeinschaften weder eine Rechtsprechungsgewalt zur unbegrenzten Kompetenzerweiterung noch die territoriale Souveränität noch die Gebiets- und Personalhoheit der Mitgliedstaaten übertragen worden ist; auch beträfen ihre auswärtigen Kompetenzen begrenzte Bereiche. Im Zusammenhang mit den deutschlandrechtlichen Aussagen im Urteil zum Grundlagenvertrag und im Teso-Beschluß wird hieraus zu Recht gefolgert, daß der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Ziel ihrer Politik, dem ganzen deutschen Volk durch eine entsprechende Ausübung seines Rechts auf freie Selbstbestimmung auch die Wiedervereinigung zu ermöglichen, ein gewisser europarechtlicher Rahmen gesetzt wird. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der im Teso-Beschluß bestätigten früheren Rechtsprechung, daß bei der Verfolgung des Wiedervereinigungsgebots den politischen Organen ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, und aus diesem Gebot nicht gefolgert werden könne, es müßten bestimmte Handlungen zu diesem Zwecke vorgenommen werden. Das Gericht hat auch wiederholend betont, daß es dem Gesetzgeber erst dann entgegentreten könnte, wenn eine seiner Maßnahmen, im vorliegenden Bereich also die Ratifizierung auf die weitere Integration innerhalb der Europäischen Gemeinschaften bezogener Verträge, rechtlich oder tatsächlich einer Wiedervereinigung in Freiheit offensichtlich entgegenstünde.
Es wäre nun sicher nicht zutreffend, zwischen dem Wiedervereinigungsgebot und dem ebenfalls in der Verfassung verankerten Ziel der Schaffung eines vereinten Europas einen -unvereinbaren Gegensatz herzustellen.
Die Entscheidung darüber, welches der beiden Ziele sich aufgrund der
jeweiligen politischen Gegebenheiten gerade mit mehr Aussicht auf Erfolg vorantreiben läßt, bleibt grundsätzlich den für die Ausübung der auswärtigen Gewalt zuständigen Staatsorganen vorbehalten. Die Grenzen des genannten Gestaltungsspielraums wären wohl erst dann überschritten, wenn die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der europäischen Integration rechtliche Bindungen einginge, die der Verwirklichung der auf einer freien Ausübung des Selbstbestimmungsrechts des ganzen deutschen Volkes beruhenden Wiedervereinigung der beiden Staaten in Deutschland rechtlich
oder tatsächlich eindeutig. entgegenstünden. Es erscheint daher angezeigt, daß die Bundesregierung zunächst im Rahmen aller auf eine fortschreitende europäische Integration zielenden Verhandlungen auf diese spezifisch deutschlandrechtlichen Aspekte hinweist und sie soweit als möglich in die künftige Politik der Europäischen Gemeinschaften. gegenüber den europäischen Nicht-Mitgliedstaaten einzubringen sucht. Erforderlich erscheint jedenfalls, bei der Unterzeichnung und Ratifikation eines weiteren europarechtlichen Integrationsinstruments durch die Abgabe entsprechender Vorbehalte oder Erklärungen völkerrechtlich verbindlich zu bekunden, daß die Bundesrepublik Deutschland davon ausgeht, daß die europäische Integration einer auf die freie Ausübung des Selbstbestimmungsrechts des ganzen deutschen Volkes gestützten Wiedervereinigung nicht entgegensteht und in einem solchen Falle eine entsprechende Überprüfung und
gegebenenfalls Erweiterung der Gemeinschaftsverträge nicht ausgeschlossen ist. Die bei der Unterzeichnung der Gründungsvertrage von Europäischer Wirtschaftsgemeinschaft und Europäischer Atomgemeinschaft in Rom im Jahre 1957 zu Protokoll gegebene einschlägige Erklärung der Bundesregierung hat den bisherigen Integrationsprozeß offenkundig nicht behindert; es ist nicht einzusehen, warum gleiches nicht auch für die künftige Entwicklung, auch unter Berücksichtigung einer neuerlichen klarstellenden Bekundung durch die Bundesregierung, gelten sollte. Ohnehin
muß eine auf europäische Integration zielende Politik, die sich auf die
bisherigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften oder die des Europarats beschränkt und nicht gleichzeitig, wenigstens als mittelfristiges Ziel, die Überwindung der Teilung Europas und eine möglichst weitgehende Einbindung der anderen europäischen Staaten anstrebt, als europapolitisch verfehlt angesehen werden.
Nur hingewiesen werden soll abschließend auf eine aktuelle Auswirkung
der verfassungsrechtlichen Bindungen aus dem Wiedervereinigungsgebot auf die bevorstehende Verwirklichung des Binnenmarktes in bezug auf den innerdeutschen Handel. Bisher besitzen die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften die auch tatsächlich mit einiger Aussicht auf Erfolg durchsetzbare Möglichkeit, in der Deutschen Demokratischen Republik produzierte Waren, die im Rahmen des innerdeutschen Handels in die Bundesrepublik Deutschland gelangt waren, an ihren Grenzen entweder einer Nachverzollung zu unterwerfen oder ihre Einfuhr ganz zu untersagen. Mit dem vorgesehenen Wegfall der Kontrollen an den Binnengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften könnte die Gefahr eines zunehmenden und nurmehr schwer zu unterbindenden Mißbrauchs des innerdeutschen Handels entstehen. Ob etwa die grundsätzliche Belegung von Waren aus der Deutschen Demokratischen Republik bei ihrer Einfuhr in die Bundesrepublik Deutschland an der innerdeutschen Grenze als der Außengrenze der Europäischen Gemeinschaften mit einer – gegebenenfalls dem Endverbraucher in der Bundesrepublik Deutschland zu erstattenden –
Einfuhrabgabe mit den Grundprinzipien des innerdeutschen Handels vereinbar wäre, der immerhin im Urteil zum Grundlagenvertrag ausdrücklich erwähnt wurde, erscheint jedenfalls zweifelhaft; ob eine solche Maßnahme daher im Hinblick auf das Wahrungsgebot des
Grundgesetzes verfassungsrechtlich zulässig wäre, läßt sich ebenfalls nicht ohne weiteres bejahen. Außerdem erscheint es fraglich, ob eine solche Maßnahme, die auch mit nicht unerheblichen Verwaltungskosten verbunden wäre, dem befürchteten Mißbrauch tatsächlich entscheidend entgegenwirken könnte.

 

C. Ausblick

Fast 15 Jahre nach seinem Urteil zum Grundlagenvertrag hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts mit dem Teso-Beschluß die Auffassung des Gerichts zur Rechtslage Deutschlands inhaltlich weitgehend bestätigt und um die seinerzeit nicht erforderlichen Ausführungen zur Problematik der Staatsangehörigkeit im geteilten Deutschland ergänzt. Wie auch immer man zur juristischen Richtigkeit des Beschlusses stehen mag, ist doch zu begrüßen, daß in einer so zentralen Frage deutschen Verfassungsrechts den zuständigen politischen Staatsorganen der Bundesrepublik Deutschland mit dieser neuerlichen Entscheidung eine: aktuelle Leitlinie gegeben, ein Stück mehr an in diesem delikaten Problemfeld so notwendiger Rechtssicherheit geschaffen wurde. Vor allem erscheint wichtig daß die verfassungsrechtliche Würdigung um umfangreiche Darlegungen zur völkerrechtlichen Zulässigkeit der nach Auffassung des Senats verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsauffassung der Bundesrepublik
Deutschland vervollständigt wurde; dieser schon grundsätzlich überzeugende Ansatz erfährt weiteres Gewicht durch die herausragende Bedeutung, die dem Umstand beigemessen wird, daß dem ganzen deutschen Volk bislang sein ihm von Völkerrechts wegen zustehender Anspruch auf freie Ausübung des Selbstbestimmungsrechts vorenthalten wurde. In der Tat liegt hier, und nicht so sehr im alleinigen Verweis auf den fortbestehenden Viermächtestatus Deutschlands als Ganzen und Berlins, die aussichtsreichste Chance, dem Ziel der Schaffung der Möglichkeit einer freien Entscheidung zur Wiedervereinigung der beiden Staaten in Deutschland auch auf internationaler Ebene näher zu kommen. Gerade in einer Zeit, die in Europa von sich ankündigenden tiefgreifenden Veränderungen – zumal im Verhältnis von (Völker-)Recht und Politik –
gekennzeichnet ist, erscheint es notwendig, politische Optionen in einen zumindest nachvollziehbaren rechtlichen Rahmen zu stellen.

RuStAG erläuterung

 

 

Das RuStAG 1913 – Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913, , RGBl. 583, Inkrafttreten am 01. Januar 1914. Ein bis heute immer noch gültiges und anzuwendendes Staatsangehörigkeitsgesetz, bezogen auf die Staatsangehörigkeit der Deutschen,
gemäß (ius sanguinis) – Geburt und Abstammungsprinzip.

“Mit dem RuStAG wurde erstmals die völkerrechtliche Rechtsstellung als Deutsche(r) gesetzlich definiert.” 

Weitergeleitet aus Lautgedacht fürs Heimathland
Deutscher gemäß RuStaG 1913

Deutscher ist“, beginnt das Gesetz und bekundet mit diesen Worten, dass der Bürger des Deutschen Reichs aufgehört hat, ein namenloser „Bundesangehöriger“ zu sein. Der Wechsel des Ausdrucks kennzeichnet den Werdegang, den der innere Zusammenschluss der Glieder einer Volksgemeinschaft und die Festigung ihrer Stellung nach außen in vier Jahrzehnten vollbracht hat.

In Anerkennung, des Art. 3 der Verfassung von 1871 (Deutsches Reich) und der Erweiterung des Art. 3 der Verfassung von 1867 (Norddeutscher Bund) galten die bis dahin eigenständigen (souveränen) Staaten mit jeweils eigenen rechtlichen Zugehörigkeitsregelungen nunmehr als Gliedstaaten (eingeschränkter Souveränität) in Folge einer staatsrechtlichen Verschmelzung durch die jeweiligen Verfassungen 1867 und 1871, womit entsprechend der Verfassungen “ein gemeinsames Indiginat” geschaffen wurde.

Hieraus entstand ein neues Staatswesen das Deutsche Reich als Bundesstaat zudem nach der Drei-Elementenlehre auch ein eigenes Staatsvolk gehört, welches sich von den Gliedstaatenangehörigkeiten z.B. KgR. Preußen, KgR. Bayern usw. rechtlich abgrenzte. Womit 1870 die “Bundesangehörigen” zum “Norddeutschen Bund” eingeführt wurde, dessen namentlicher Begriff Januar 1871 in “Reichsangehöriger” änderte in Folge der Erweiterung vom “Norddeutschen Bund” zum “Deutschen Reich”.

Da das “Deutsche Reich” als Staatsform eines Bundesstaates (Zweiebenen-Staat) gegründet wurde, musste es auch im Bezug auf die Staatsangehörigen zwei Ebenen geben. Das eine waren die innerstaatlichen Angehörigkeiten zu den Gliedstaaten und das andere die Staatsangehörigkeit zum Überstaat (Völkerrechtssubjekt) = Reichsangehörigkeit. Das das “Deutsche Reich ein deutscher Gesamtstaat ist, ist die “Reichsangehörigkeit” ein deutsches Rechtsverhältnis, als eine deutsche Staatsangehörigkeit, mit kleinem “d” geschrieben. Somit ist die Reichsangehörigkeit ein Rechtsverhältnis, welches alle Gliedstaatenangehörigkeiten umfasst und dessen Gesamtheit sich rechtlich von den einzelnen Gliedstaatenabgehörigkeiten unterscheidet.

Längst weiß das Ausland, was ein Deutscher ist und fragt nicht mehr, ob er aus Preußen oder Bayern, Sachsen oder Hessen stammt. In aller Welt ist das Bild der Eigenart seiner Volksgenossen und der Bedeutung seines Heimatlands fest umrissen. So ist der Wandel des „Bundesangehörigen“ zum „Deutschen“ ein Markstein auf dem Wege der Erstarkung des Reichs. An die Stelle der Gleichgültigkeit gegen die Mitbürger, die in die Fremde gezogen und der ängstlichen Sorge, um die Lasten, die dem Mutterlande für die hilfesuchenden Söhne in der Ferne erwachsen könnten, ist das Pflichtbewusstsein gegenüber den Vorkämpfern für das Deutschtum im Auslande und der Weltmachtgedanke getreten, dessen Verwirklichung auf der Erhaltung und Stärkung deutscher Kraft jenseits der heimatlichen Grenzpfähle beruht.

Damit ist das Recht, sich Deutscher zu nennen, zu höherem Werte erhoben und zum Ehrenrecht geworden. Sein dauernder Besitz ist nicht mehr an die Beachtung von Förmlichkeiten geknüpft, von nun an bleibt Deutscher, wer seine Pflichten gegen das Vaterland erfüllt. Als oberste Pflicht aber nennt das Gesetz die Wehrpflicht. Wer sie verletzt, ist des deutschen Namens unwert und wird aus der Volksgemeinschaft ausgestoßen. Der Nichtdeutsche aber, der dem Reiche zu Wasser oder zu Land unter Waffen gedient hat, soll zum Lohne dem Volke angehören, auf dessen Fahne er geschworen hat.

So durchweht das Gesetz, das hundert Jahre nach Deutschlands Erhebung beschlossen ist, ein Hauch des Geistes, der 1813 die deutschen Stämme mit Urgewalt aufrüttelte und zusammenführte. In Zeiten entstanden, da ganz Europa die Waffen schärfte und seine Völker um Festigung ihrer Stellung rangen, da Deutschland durch Ausbau seiner Wehr in allen Landen dem Frieden ein gewaltiges Bollwerk schuf, möge das Gesetz in allen Landen dem deutschen Namen dienen, dass immer häufiger und kraftvoller das Wort erklingt:

ICH BIN EIN DEUTSCHER entsprechend § 1 RuStaG!

⬛⬜🟥=🌍🕊️

Quelle: Alex – im Februar des Jahres 2023

RuStAG 1913

 

Das Reichs- und Staatangehörigkeitsgesetz für das Deutsche Reich

RuStAG 1913 vom 22. Juli 1913

 

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Erster Abschnitt.
Allgemein Vorschriften

§ 1

Deutscher ist, wer die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat (§§ 3 bis 32) oder die unmittelbare Reichsangehörigkeit (§§ 33 bis 35) besitzt.

§ 2

[1] Elsaß-Lothringen gilt im Sinne dieses Gesetzes als Bundesstaat.
[2] Die Schutzgebiete gelten im Sinne dieses Gesetzes als Inland.
[3] Deutschösterreich gilt im Sinne dieses Gesetzes als Bundesstaat.

Zweiter Abschnitt.
Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate.

§ 3

Die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate wird erworben
1. durch Geburt (§ 4),
2. durch Legitimation (§ 5),
3. durch Eheschließung (§ 6),
4. für einen Deutschen durch Aufnahme (§§ 7, 14, 16),
5. für einen Ausländer durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16).

§ 4

[1] Durch die Geburt erwirbt das eheliche Kind eines Deutschen die Staatsangehörigkeit des Vaters, das uneheliche Kind einer Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter.
[2] Ein Kind, das in dem Gebiet eines Bundesstaates aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweise des Gegenteil als Kind eines Angehörigen dieses Bundesstaats.

§ 5

Eine nach den deutschen Gesetzen wirksame Legitimation durch einen Deutschen begründet für das Kind die Staatsangehörigkeit des Vaters.

§ 6

Durch die Eheschließung mit einem Deutschen erwirbt die Frau die Staatsangehörigkeit des Mannes.

§ 7

[1] Die Aufnahme muß einem Deutschen von jedem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, auf seinen Antrag erteilt werden, falls kein Grund vorliegt, der nach den §§ 3 bis 5 des Gesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867 (Bundes-Gesetzbl. S. 55) die Abweisung eines Neuanziehenden oder die Versagung der Fortsetzung des Aufenthalts rechtfertigt.

[2] Der Antrag einer Ehefrau bedarf der Zustimmung des Mannes; die fehlende Zustimmung kann durch die Vormundschaftsbehörde ersetzt werden. Für eine unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehende Person wird, wenn sie das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, der Antrag von dem gesetzlichen Vertreter gestellt; hat sie das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so bedarf ihr Antrag der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.

§ 8

[1] Ein Ausländer, der sich im Inland niedergelassen hat, kann von dem Bundesstaat, in dessen Gebiete der Niederlassung erfolgt ist, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er
1. nach den Gesetzen seiner bisherigen Heimat unbeschränkt geschäftsfähig ist oder nach den deutschen Gesetzen unbeschränkt geschäftsfähig sein würde oder der Antrag in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 2 von seinem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung gestellt wird,
2. einen unbescholtenen Lebenswandel geführt hat,
3. an dem Orte seiner Niederlassung eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und
4. an diesem Orte sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist.

[2] Vor der Einbürgerung ist über die Erfordernisse unter Nr. 2 bis 4 die Gemeinde des Niederlassungsorts und, sofern diese keine selbständigen Armenverband bildet, auch der Armenverband zu hören.

§ 9

[1] Die Einbürgerung in einem Bundesstaat darf erst erfolgen, nachdem durch den Reichskanzler festgestellt worden ist, daß keiner der übrigen Bundesstaaten Bedenken dagegen erhoben hat; erhebt ein Bundesstaat Bedenken, so entscheidet der Bundesrath. Die Bedenken können nur auf Tatsachen gestützt werden, welche die Besorgnis rechtfertigen, daß die Einbürgerung des Antragstellers das Wohl des Reichs oder eines Bundesstaats gefährden würde.

[2] Die Vorschriften des Abs. 1 finden keine Anwendung
1. auf ehemalige Angehörige des Bundesstaats, bei dem der Antrag gestellt wird, auf deren Kinder oder Enkel sowie auf Personen, die von einem Angehörigen des Staates an Kindes Statt angenommen sind, es sei denn, daß der Antragsteller einem ausländischen Staate angehört,
2. auf Ausländer, die im Deutschen Reiche geboren sind, wenn sie sich in dem Bundesstaate, bei dem der Antrag gestellt wird, bis zur Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs dauernd aufgehalten haben und die Einbürgerung innerhalb zweier Jahre nach diesem Zeitpunkt beantragen.

§ 10

Die Witwe oder geschiedene Ehefrau eines Ausländers, die zur Zeit ihrer Eheschließung eine Deutsche war, muß auf ihren Antrag von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet sie sich niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn sie den Erfordernissen des § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 entspricht. Über das Erfordernis unter Nr. 2 ist vor der Einbürgerung die Gemeinde des Niederlassungsorts zu hören.

§ 11

Ein ehemaliger Deutscher, der als Minderjähriger die Reichsangehörigkeit durch Entlassung verloren hat, muß auf seinen Antrag von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn er den Erfordernissen des § 8 Abs. 1 entspricht. Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 findet Anwendung.

§ 12

Ein Ausländer, der mindestens ein Jahr wie ein Deutscher im Heere oder in der Marine aktiv gedient hat, muß auf seinen Antrag von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn er den Erfordernissen des § 8 Abs. 1 entspricht und die Einbürgerung nicht das Wohl des Reichs oder eines Bundesstaats gefährden würde. Die Vorschriften des § 8 Abs. 2 und des § 9 finden Anwendung.

§ 13

Ein ehemaliger Deutscher, der sich im Inland niedergelassen hat, kann von dem Bundesstaate, dem er früher angehört hat, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er den Erfordernissen des § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 entspricht; dem ehemaligen Deutschen steht gleich, wer von einem solchen abstammt oder an Kinder Statt angenommen ist. Vor der Einbürgerung ist dem Reichskanzler Mitteilung zu machen; die Einbürgerung unterbleibt, wenn der Reichskanzler Bedenken erhebt.

§ 14

[1] Die von der Regierung oder der Zentral- oder höheren Verwaltungsbehörde eines Bundesstaats vollzogene oder bestätigte Anstellung im unmittelbaren oder mittelbaren Staatsdienst, im Dienste einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes, im öffentlichen Schuldienst oder im Dienste einer von dem Bundesstaat anerkannten Religionsgemeinschaft gilt für einen Deutschen als Aufnahme, für einen Ausländer als Einbürgerung, sofern nicht in der Anstellungs- oder Bestätigungsurkunde ein Vorbehalt gemacht wird.

[2] Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf die Anstellung als Offizier oder Beamter des Beurlaubtenstandes.

§ 15

[1] Die im Reichsdienst erfolgte Anstellung eines Ausländers, der seinen dienstlichen Wohnsitz in einem Bundesstaate hat, gilt als Einbürgerung in diesen Bundesstaat, sofern nicht in der Anstellungsurkunde ein Vorbehalt gemacht wird.

[2] Hat der Angestellte seinen dienstlichen Wohnsitz im Ausland und bezieht er ein Diensteinkommen aus der Reichskasse, so muß er von dem Bundesstaate, bei dem er den Antrag stellt, eingebürgert werden; bezieht er kein Diensteinkommen aus der Reichskasse, so kann er mit Zustimmung des Reichskanzlers eingebürgert werden.

§ 16

[1] Die Aufnahme oder Einbürgerung wird wirksam mit der Aushändigung der von der höheren Verwaltungsbehörde hierüber ausgefertigten Urkunde oder der Urkunde über die unter den Voraussetzungen des § 14 oder des § 15 Abs. 1 erfolgte Anstellung.

[2] Die Aufnahme oder Einbürgerung erstreckt sich, insofern nicht in der Urkunde ein Vorbehalt gemacht wird, zugleich auf die Ehefrau und auf diejenigen Kinder, deren gesetzliche Vertretung dem Aufgenommenen oder Eingebürgerten kraft elterlicher Gewalt zusteht. Ausgenommen sind Töchter, die verheiratet sind oder verheiratet gewesen sind.

§ 17

Die Staatsangehörigkeit geht verloren

1.durch Entlassung (§§ 18 bis 24),

2. durch den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit (§ 25),
3. durch Nichterfüllung der Wehrpflicht (§§ 2629), 4. durch Ausspruch der Behörde (§§ 27 bis 29),
5. für ein uneheliches Kind durch eine von dem Angehörigen eines anderen Bundesstaats oder von einem Ausländer bewirkte und nach den deutschen Gesetzen wirksame Legitimation,
6. für eine Deutsche durch Eheschließung mit dem Angehörigen eines anderen Bundesstaats oder mit    einem Ausländer.

 § 18

Die Entlassung einer Ehefrau kann nur von dem Manne und, sofern dieser ein Deutscher ist, nur zugleich mit seiner Entlassung beantragt werden. Der Antrag bedarf der Zustimmung der Frau.

§ 19

[1] Die Entlassung einer Person, die unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, kann nur von dem gesetzlichen Vertreter und nur mit Genehmigung des deutschen Vormundschaftsgerichts beantragt werden. Gegen die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts steht auch der Staatsanwaltschaft die Beschwerde zu; gegen den Beschluß des Beschwerdegerichts ist die weitere Beschwerde unbeschränkt zulässig.

[2] Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ist nicht erforderlich, wenn der Vater oder die Mutter die Entlassung für sich und zugleich kraft elterlicher Gewalt für ein Kind beantragt und dem Antragsteller die Sorge für die Person des Kindes zusteht. Erstreckt sich der Wirkungskreis eines der Mutter bestellten Beistandes auf die Sorge für die Person des Kindes, so bedarf die Mutter zu dem Antrag auf Entlassung des Kindes die Genehmigung des Beistandes.

§ 20

Die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate bewirkt zugleich die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit in jedem anderen Bundesstaate, soweit sich der Entlassene nicht die Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundesstaate durch eine Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde des entlassenden Staates vorbehält.
Dieser Vorbehalt muß in der Entlassungsurkunde vermerkt werden.

§ 21

Die Entlassung muß jedem Staatsangehörigen auf seinen Antrag erteilt werden, wenn er die Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundesstaate besitzt und sich diese gemäß § 20 vorbehält.

§ 22

[1] Fehlt es an den Voraussetzungen des § 21, so wird die Entlassung nicht erteilt
1. Wehrpflichtigen, über deren Dienstverpflichtung noch nicht endgültig entschieden ist, sofern sie nicht ein Zeugnis der Ersatzkommission darüber beibringen, daß nach der Überzeugung der Kommission die Entlassung nicht in der Absicht nachgesucht wird, die Erfüllung der aktiven Dienstpflicht zu umgehen,
2. Mannschaften des aktiven Heeres, der aktiven Marine oder der aktiven Schutztruppen,
3. Mannschaften des Beurlaubtenstandes der im § 56 Nr. 2 bis 4 des Reichsmilitärgesetzes bezeichneten Art, sofern sie nicht die Genehmigung der Militärbehörde erhalten haben,
4. sonstige Mannschaften der Beurlaubtenstandes, nachdem sie eine Einberufung zum aktiven Dienste erhalten haben,
5. Beamten und Offiziere, mit Einschluß derer des Beurlaubtenstandes, bevor sie aus dem Dienste entlassen sind.

[2] Aus anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Gründen darf in Friedenszeiten die Entlassung nicht versagt werden. Für die Zeit des Krieges oder einer Kriegsgefahr bliebt dem Kaiser der Erlaß besonderer Anordnungen vorbehalten.

§ 23

[1] Die Entlassung wird wirksam mit der Aushändigung einer von der höheren Verwaltungsbehörde des Heimatstaats ausgefertigten Entlassungsurkunde. Die Urkunde wird nicht ausgehändigt an Personen, die verhaftet sind oder deren Verhaftung oder Festnahme von einer Gerichts- oder Polizeibehörde angeordnet ist.

[2] Soll sich die Entlassung zugleich auf die Ehefrau oder die Kinder des Antragstellers beziehen, so müssen auch diese Personen in der Entlassungsurkunde mit Namen aufgeführt sein.

 § 24

[1] Die Entlassung gilt als nicht erfolgt, wenn der Entlassene beim Ablauf eines Jahres nach der Aushändigung der Entlassungsurkunde seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Inland hat.

[2] Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Entlassene sich die Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundesstaate gemäß § 20 vorbehalten hat.

§ 25

[1] Ein Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat, verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder den Antrag des Ehemanns oder des gesetzlichen Vertreters erfolgt, die Ehefrau und der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach den §§ 18, 19 die Entlassung beantragt werden könnte.

[2] Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde seines Heimatstaats zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat.
Vor der Erteilung der Genehmigung ist der deutsche Konsul zu hören.

[3] Unter Zustimmung des Bundesraths kann von dem Reichskanzler angeordnet werden, daß Personen, welche die Staatsangehörigkeit in einem bestimmten ausländischen Staate erwerben wollen, die im Abs. 2 vorgesehene Genehmigung nicht erteilt werden darf.

§ 26

Ein militärpflichtiger Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat, verliert seine Staatsangehörigkeit mit der Vollendung des einunddreißigsten Lebensjahrs, sofern er bis zu diesem Zeitpunkt noch keine endgültige Entscheidung über seine Dienstverpflichtung herbeigeführt hat, auch eine Zurückstellung über diesen Zeitpunkt hinaus nicht erfolgt ist.

Ein fahnenflüchtiger Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat, verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Ablauf von zwei Jahren nach der Bekanntmachung des Beschlusses, durch den er für fahnenflüchtig erklärt worden ist (§ 360 der Militärstrafgerichtsordnung). Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf Mannschaften der Reserve, der Land- oder Seewehr und der Ersatzreserve, die für fahnenflüchtig erklärt worden sind, weis sie einer Einberufung zum Dienste keine Folge geleistet haben, es sei denn, daß die Einberufung nach Bekanntmachung der Kriegsbereitschaft oder nach Anordnung der Mobilmachung erfolgt ist.

Wer auf Grund der Vorschriften des Abs. 1 oder 2 seine Staatsangehörigkeit verloren hat, kann von einem Bundesstaate nur nach Anhörung der Militärbehörde eingebürgert werden. Weist er nach, daß ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt, so darf ihm die Einbürgerung von dem Bundesstaate, dem er früher angehörte, nicht versagt werden.

§ 27

[1] Ein Deutscher, der sich im Ausland aufhält, kann seiner Staatsangehörigkeit durch Beschluß der Zentralbehörde seines Heimatstaats verlustig erklärt werden, wenn er im Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr einer vom Kaiser angeordneten Aufforderung zur Rückkehr keine Folge leistet.

[2] Gehört er mehreren Bundesstaaten an, so verliert er durch den Beschluß die Staatsangehörigkeit in allen Bundesstaaten.

§ 28

[1] Ein Deutscher, der ohne Erlaubnis seiner Regierung in ausländische Staatsdienste getreten ist, kann seiner Staatsangehörigkeit durch Beschluß der Zentralbehörde seines Heimatstaats verlustig erklärt werden, wenn er einer Aufforderung zum Austritt nicht Folge leistet.

[2] Gehört er mehreren Bundesstaaten an, so verliert er durch den Beschluß die Staatsangehörigkeit in allen Bundesstaaten.

§ 29

Der Verlust der Staatsangehörigkeit in den Fällen des § 26 Abs. 1, 2 und der §§ 27, 28 sowie der Wiedererwerb der Staatsangehörigkeit in den Fällen des § 26 Abs. 3 Satz 2 erstreckt sich zugleich auf die Ehefrau und auf diejenigen Kinder, deren gesetzliche Vertretung dem Ausgeschiedenen oder dem Wiedereingebürgerten kraft elterlicher Gewalt zusteht, soweit sich die Ehefrau oder die Kinder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft befinden. Ausgenommen sind Töchter, die verheirat sind oder verheiratet gewesen sind.

§ 30

Ein ehemaliger Deutscher, der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die Reichsangehörigkeit durch Entlassung verloren hat, aber bei Anwendung der Vorschrift des § 24 Abs. 1 als nicht entlassen gelten würde, muß auf seinen Antrag von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn er seit dem im § 24 Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkt seinen Wohnsitz im Inland behalten hat und den Erfordernissen des § 8 Abs. 1 entspricht, auch den Antrag innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes stellt. Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 findet Anwendung.

§ 31

[1] Ein ehemaliger Deutscher, der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die Reichsangehörigkeit nach § 21 des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 255) durch zehnjährigen Aufenthalt im Ausland verloren hat, muß von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn er keinem Staate angehört.

[2] Das gleiche gilt von dem ehemaligen Angehörigen eines Bundesstaats oder eines in einem solchen einverleibten Staates, der bereits beim Inkrafttreten des Gesetzes vom 1. Juni 1870 nach Landesrecht seine Staatsangehörigkeit durch Aufenthalt außerhalb seines Heimatstaats verloren hat.

§ 32

Ein militärpflichtiger Deutscher, der zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat und vor diesem Zeitpunkt das neunundzwanzigste, aber noch nicht das dreiundvierzigste Lebensjahr vollendet hat, verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Ablauf zweier Jahre, sofern er innerhalb dieser Frist keine endgültige Entscheidung über seine Dienstverpflichtung herbeigeführt hat.

Ein fahnenflüchtiger Deutscher, der im § 26 Abs. 2 bezeichneten Art, der zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat und vor diesem Zeitpunkt das dreiundvierzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Ablauf zweier Jahre, sofern er sich nicht innerhalb dieser Frist vor den Militärbehörden gestellt.

[3] Die Vorschriften des § 26 Abs. 3 und der § 29 finden entsprechende Anwendung.

 

Dritter Abschnitt.
Unmittelbare Reichsangehörigkeit.

§ 33

Die unmittelbare Reichsangehörigkeit kann verliehen werden
1. einem Ausländer, der sich in einem Schutzgebiete niedergelassen hat, oder einem Eingeborenen in einem Schutzgebiete;
2. einem ehemaligen Deutschen, der sich nicht im Inland niedergelassen hat; dem ehemaligen Deutschen steht gleich, wer von ihm abstammt oder an Kindes Statt angenommen ist.

§ 34

Einem Ausländer, der im Reichsdienst angestellt ist und seinen dienstlichen Wohnsitz im Ausland hat, muß auf seinen Antrag die unmittelbare Reichsangehörigkeit verliehen werden, wenn er ein Diensteinkommen aus der Reichskasse bezieht; sie kann ihm verliehen werden, wenn er ein solches Einkommen nicht bezieht.

§ 35

Auf die unmittelbare Reichsangehörigkeit finden die Vorschriften dieses Gesetzes über die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate mit Ausnahme der Vorschriften des § 4 Abs. 2, des § 8 Abs. 2, des § 10 Satz 2, des § 11 Satz 2, des § 12 Satz 2 und der §§ 14, 21 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß an die Stelle der Zentralbehörde des Bundesstaats der Reichskanzler und an die Stelle der höheren Verwaltungsbehörde der Reichskanzler oder die von ihm bezeichnete Behörde treten.

Vierter Abschnitt.
Schlußbestimmungen.

§ 36

Unberührt bleiben die Staatsverträge, die von den Bundesstaaten mit ausländischen Staaten vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes geschlossen sind.

§ 37

Soweit in Reichsgesetzen oder in Landesgesetzen auf Vorschriften des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 oder des Gesetzes, betreffend die Naturalisation von Ausländern, welche im Reichdienst angestellt sind, vom 20. Dezember 1875 verweisen ist, treten an deren Stelle die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes.

§ 38

[1] In den Fällen des § 7, der §§ 10, 11, 12, 30, 31 und des § 34 erster Halbsatz werden die Aufnahme- oder Einbürgerungsurkunden kostenfrei erteilt. Das gleiche gilt für die Erteilung von Entlassungsurkunden in den Fällen des § 21.

[2] Für die Erteilung von Entlassungsurkunden in anderen als in den im § 21 bezeichneten Fällen dürfen an Stempelabgaben und Ausfertigungsgebühren zusammen nicht mehr als drei Mark erhoben werden.

 § 39

[1] Der Bundesrath erläßt Bestimmungen über die Aufnahme-, Einbürgerungs- und Entlassungsurkunden sowie über die Urkunden, die zur Bescheinigung der Staatsangehörigkeit dienen.

[2] Die Landeszentralbehörden bestimmen, welche Behörden im Sinne dieses Gesetzes als höhere Verwaltungsbehörden und als Militärbehörden anzusehen sind.

§ 40

[1] Gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufnahme gemäß § 7, auf Einbürgerung in den Fällen der §§ 10, 11, 15, des § 26 Abs. 3, der §§ 30, 31, des § 32 Abs. 3 oder des Antrags auf Entlassung in den Fällen der §§ 21, 22 ist der Rekurs zulässig.

[2] Die Zuständigkeit der Behörden und das Verfahren bestimmen sich nach den Landesgesetzen und, soweit landesgesetzliche Vorschriften nicht vorhanden sind, nach den §§ 20, 21 der Gewerbeordnung.

§ 41

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1914 gleichzeitig mit einem Gesetze zur Abänderung des Reichsmilitärgesetzes sowie des Gesetzes, betreffend Änderungen der Wehrpflicht, vom 11. Februar 1888 in Kraft.

 

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Balholm, an Bord M. Y. “Hohenzollern”, den 22. Juli 1913.

(L. S.) Wilhelm.

Delbrück.